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Mit Gerste zum Dach der Welt

Geschichte|Archäologie

Mit Gerste zum Dach der Welt
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Heutiger Gerstenanbau über 3.000 Metern. Credit: Professor Martin Jones, University of Cambridge
Extrem anpassungsfähig! Der Mensch hat die Herausforderungen vieler harter Lebensräume der Erde gemeistert. Selbst in extrem dünne Luft stieß er vor: Auch im harschen tibetischen Hochland fasste Siedler einst Fuß. Doch wie und wann gelang ihnen dieser Einzug ins Dach der Welt? Dieser Frage ist ein internationales Forscherteam nachgegangen. Ihnen zufolge konnten sich Menschen erst vor ungefähr 3.600 Jahren in Lagen über 3.000 Metern dauerhaft etablieren. Der Schlüsselfaktor war dabei offenbar eine damals neue frostharte Getreideart: die Gerste.

Die menschliche Geschichte im tibetischen Hochland reicht eigentlich bereits 20.000 Jahre zurück: Funde aus dieser Zeit legen nahe, dass Menschen hier gelegentlich jagten – aber wohl nicht dauerhaft lebten. Wann sich die ersten Menschen in den Höhenlagen beständig niederließen war bisher kaum erforscht. Um ein Bild von der frühen menschlichen Siedlungsgeschichte in der Region zu entwickeln, haben die Forscher um Fa-Hu Chen von der chinesischen Universität von Lanzhou nun Artefakte, Tierknochen und Pflanzenreste aus 53 Standorten im Nordosten des tibetischen Hochplateaus untersucht.

Ihren Auswertungen zufolge gliederte sich die menschlichen Geschichte in der Region in drei Phasen. Während der frühen Phase machten Jäger und Sammler gelegentlich Jagd im Hochland und erreichten dabei Höhenlagen von etwa 4.300 Metern über dem Meeresspiegel. Während der zweiten Phase vor 5.200 bis 3.600 Jahren breiteten sich dann Hirsebauern, die sich im Bereich des Mittellaufs des Gelben Flusses etabliert hatten, immer weiter stromaufwärts aus. Sie erreichten dabei auch bereits Bereiche im Nordosten des tibetischen Hochplateaus. Sie kamen aber nicht über eine Höhe von 2.500 Metern hinaus. Der Grund: Hirse ist eine vergleichsweise frostanfällige Pflanzenart – der Anbau in den Bergregionen stieß deshalb an Höhengrenzen.

Der Hirse war’s zu kalt

Aber bereits gegen Ende der zweiten Phase zeichnete sich ein wichtiger Wandel ab, berichten die Forscher. Ihre Datierungen belegen: Ab vor etwa 4.000 Jahren hielten Gerste und Weizen Einzug in die Landwirtschaft am Oberlauf des Gelben Flusses. Diese beiden Getreidearten stammten ursprünglich aus dem Gebiet des fruchtbaren Halbmondes. Zusätzlich zum Hirseanbau bereicherten sie nun auch die Nahrungsmittelproduktion in den tieferen Lagen im Nordosten des tibetischen Hochplateaus. Speziell die Gerste sollte zum Schlüsselfaktor der Phase drei bei der Besiedlungsgeschichte avancieren.

Der Knackpunkt: Gerste ermöglichte auch Erträge in höheren Lagen, sagen die Forscher. In ihren Funden zeichnet sich ab, dass vor etwa 3.600 Jahren die Menschen begannen, sich zunehmend in den höheren Lagen des tibetischen Hochplateaus niederzulassen. Ihr Grundnahrungsmittel bildete hier die Gerste, der auch die gelegentlichen Frost-Attacken nichts anhaben konnten. So erschlossen sie sich Gebiete in bis zu 4.700 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Daraus ging letztlich die tibetische Kultur hervor. Selbst die berühmte Hauptstadt Tibets, Lhasa, liegt über der Dreitausender Marke – auf 3.650 Metern über dem Meeresspiegel. Und noch immer ist die tibetische Küche von einem Grundnahrungsmittel geprägt: dem Steigbügel-Getreide Gerste.

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Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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