Woher kamen die Dinosaurier der Neuen Welt? Diese Frage ist bisher für erstaunlich viele Gruppen der Riesenechsen nicht eindeutig geklärt. Denn während von vielen Arten der späten Kreidezeit sogar ganze Massengräber gefunden wurden, sind Fossilien aus der frühen Kreidezeit eher rar. Oft bestehen sie nur aus einzelnen Zähnen oder Knochenfragmenten, die keine genaue taxonomische Einordnung erlauben, wie Andrew Farke vom Raymond M. Alf Museum of Paleontology im kalifornischen Claremont und seine Kollegen berichten. Das gilt auch für die Vorfahren des Triceratops. Weil aber in Asien zahlreiche Fossilien früher Vertreter dieser Neoceratopsia gefunden wurden, vermuten Paläontologen, dass diese Dinosauriergruppe ursprünglich aus Asien stammt und erst im Laufe der frühen Kreidezeit die Neue Welt besiedelte. Wann dies aber geschah, und ob diese Dinosaurier über die Beringstraße kamen oder über Europa, blieb aus Mangel an fossilen Bindegliedern offen.
Ein Fossilfund im US-Bundesstaat Utah bringt nun ein wenig mehr Licht ins Dunkel. In einer 104 bis 109 Millionen Jahre alten Formation entdeckten Farke und seine Kollegen den Schädel und Unterkiefer des bisher ältesten bekannten Vertreters der Neoceratopsia. Im Vergleich zu seinem mächtigen Verwandten Triceratops ist der nur gut acht Zentimeter große Schädel des Neufunds winzig. Der ganze Mini-Dinosaurier war vermutlich nur so große wie eine Krähe, wie die Forscher berichten. Dennoch weist auch er schon einige typische Merkmale der gehörnten Dinosaurier auf – und eine sehr große Ähnlichkeit zu etwa gleichalten Neoceratopsia aus Asien. So sind die Wangenknochen spitz nach hinten ausgezogen und die Schnauze glich einem scharfen, verhornten Schnabel. Wegen dieses Aussehens tauften die Paläontologen ihren Fund Aquilops americanus – amerikanisches Adlergesicht.
Asiatische Ursprünge
Anhand seiner Schädelmerkmale ordnen die Paläontologen den Mini-Horndino einer Gruppe der Neoceratopsia zu, die bisher nur aus Asien bekannt war. „Überraschenderweise ist Aquilops americanus mit keinem der später lebenden Horn-Dinosaurier Nordamerikas verwandt“, erklären Farke und seine Kollegen. Sie schließen daraus, dass Aquilops einer der ersten gehörnten Dinosaurier gewesen sein könnte, die den amerikanischen Kontinent erreichten – aber nicht der letzte. Ihre Rekonstruktion der Ereignisse geht davon aus, dass es zwei, wahrscheinlich sogar drei Einwanderungswellen dieser Dinosaurier aus Asien in die Neue Welt gegeben hat. Die erste brachte Aquilops americanus und möglicherweise noch andere enge Verwandte vor rund 113 bis 105 Millionen Jahren hinüber. Diese Gruppe konnte sich aber offenbar nicht lange halten. Erst später kamen dann auch die Vorfahren des Triceratops und anderer Horn-Dinosaurier der späten Kreidezeit nach Nordamerika.
Noch muss diese Stammbaum- und Wanderungs-Rekonstruktion anhand weiterer Funde überprüft werden. Unklar ist zudem weiterhin, ob die Dinosaurier direkt über den Vorläufer der Beringstraße nach Nordamerika kamen oder ob sie über das damals aus vielen Inseln bestehende Europa zogen. Nach Ansicht der Paläontologen spricht aber vieles dafür, dass es in der Unterkreide vor rund 120 bis 105 Millionen Jahren eine Phase regen und direkten Faunenaustauschs zwischen Asien und Nordamerika gegeben haben muss. In dieser Zeit könnten auch die Vorfahren anderer Dinosauriergruppe auf den Kontinent gelangt sein. Dann jedoch, vor etwa 90 Millionen Jahren, ging die Landbrücke verloren und Nordamerika war isoliert. Erst dann entwickelten sich die Vorfahren des Triceratops und anderer nordamerikanischer Dinosaurier zu ihrer vollen Größe und Vielfalt.