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Vulkanausbruch auf der Venus?

Astronomie|Physik

Vulkanausbruch auf der Venus?
Fast neun Jahre lang hat Europas Raumsonde Venus Express Oberfläche und Atmosphäre unseres Nachbarplaneten genau erforscht.

Venus Express ist eine pfiffige Recycling-Mission: Die Raumsonde entstand großteils aus Komponenten, die von den Raumsonden Mars Express (Start 2003) und Rosetta (Start 2004) übrig geblieben waren. In nicht einmal drei Jahren baute das Unternehmen EADS Astrium (heute: Airbus Defence and Space) im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA den Venus-Erkunder zusammen. Mit 220 Millionen Euro Kosten (inklusive Start und Betrieb) kam die ESA recht günstig davon. Eine Neuentwicklung hätte laut ihren Angaben fast das Doppelte gekostet.

Statt der geplanten eineinhalb Jahre hielt der Zweitverwerter sogar fast neun Jahre lang durch. In dieser Zeit hat Venus Express die Atmosphäre unseres Nachbarplaneten detaillierter untersucht als alle vorherigen Sonden zusammen. „Wir haben rund 500 000 Windvektoren gewonnen und daraus die Dynamik der Atmosphäre und der Wolken erforscht“, sagt Wojciech Markiewicz vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Und dabei tauchten einige Überraschungen auf.

Als besonders faszinierend erwies sich ein polarer Wirbel mit einem Durchmesser von 2000 Kilometern. Die Sonde Mariner 10 hatte ihn bereits 1974 entdeckt. Mit Venus Express fanden die Forscher nun heraus, dass der Wirbel binnen Stunden seine Form verändern kann. Außerdem offenbarten Infrarotaufnahmen, dass im Auge dieses gewaltigen Hurrikans atmosphärische Gase nach unten sinken – ähnlich wie in einer irdischen Badewanne, aus deren Abfluss man den Stöpsel gezogen hat.

Die Ursache dieses Wirbels ist unbekannt. Colin Wilson von der Universität Oxford mutmaßt, dass die atmosphärischen Gase am Äquator von der Sonne aufgeheizt werden, aufsteigen, zu den Polen strömen und dort absinken. „Auf ihrem Weg zu den Polen werden sie durch die Rotation des Planeten seitwärts abgelenkt, was zur wirbelförmigen Bewegung der Wolken führt“, sagt Wilson.

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Einblicke in die Höllenwelt

Obwohl die Hauptaufgabe von Venus Express darin bestand, die Atmosphäre detailliert und über einen langen Zeitraum hinweg zu erforschen, kamen die aufregendsten Ergebnisse von der Oberfläche. Im sichtbaren Licht ist sie nicht zu erkennen, sondern verbirgt sich unter der dichten Atmosphäre. Diese besteht zu 96,5 Prozent aus Kohlendioxid und zu 3,5 Prozent aus Stickstoff. Am Boden erreicht sie einen Druck von 90 Atmosphären.

Wie der Deckel auf einem Drucktopf liegt in etwa 70 Kilometer Höhe eine dichte Wolkendecke aus einem Gemisch von Schwefelsäuretröpfchen und Beimengungen von chlor- und phosphorhaltigen Schwebeteilchen. Obwohl diese Decke Dreiviertel des Sonnenlichts ins All reflektiert, reicht der Rest aus, um die Atmosphäre in Bodennähe auf 460 Grad Celsius zu erhitzen. Dahinter steckt der enorme Treibhauseffekt des Kohlendioxids.

Während die Wolkendecke im sichtbaren Licht recht einförmig erscheint, gibt es im Infraroten spektrale „Fenster“, die teilweise den Blick bis auf die Oberfläche freigeben. Der Durchblick gelang mit dem Instrument VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer), einer Kamera, die Bilder durch 120 Farbfilter aufnimmt, um auf diese Weise Temperaturen zu messen. Erfolgreich war damit ein Team um Jörn Helbert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof.

Tag und Nacht gleich heiß

Die Forscher fanden heraus, dass es auf der Venus zwischen Tag und Nacht keinen Temperaturunterschied gibt. Die Hitze ist global in der Atmosphäre gefangen. Aber wie auf der Erde nimmt die Temperatur mit zunehmender Höhe ab. Würde man auf einen Berg steigen, so fiele die Temperatur um 8 Grad pro 1000 Höhenmeter. In 55 Kilometer Höhe würde demnach etwa irdische Zimmertemperatur herrschen. Allerdings ist der höchste Berg des Planeten, Maxwell Montes, „nur“ etwa 10 800 Meter hoch.

Mit einer kleinen Sensation wartete im März dieses Jahres ein Team um Eugene Shalygin und Wojciech Markiewicz auf. Mit verbesserter Software suchten die Forscher alte VIRTIS-Aufnahmen gezielt nach Hot Spots auf der Oberfläche ab. Fündig wurden sie auf Bildern aus dem Jahr 2008. In einer Region namens Ganiki Chasma entdeckten sie eine Oberflächenformation, die am 22. Juni noch die übliche Durchschnittstemperatur besaß, jedoch schon zwei Tage später um etwa 370 Grad Celsius heißer geworden war und nun 830 Grad aufwies. Auf einer dritten Aufnahme vom 13. Oktober zeigte die Stelle wieder ihre vorherige Normaltemperatur. „Wir deuten diesen vorübergehenden Temperaturanstieg als vulkanische Aktivität, bei der Lava ausgetreten ist“, sagt Markiewicz. Das Lavafeld könnte 25 Kilometer groß gewesen sein.

Die Planetenforscher diskutieren schon seit Längerem, ob die Venus heute noch vulkanisch aktiv ist. Ganiki Chasma ist von jungen Rissen durchzogen, wie sie typischerweise an den Flanken großer Vulkane entstehen. Nicht weit von dem Hot Spot entfernt thront zudem der größte Schildvulkan des Planeten: Maat Mons. Dieser Feuerberg ist wohl zuletzt vor 10 bis 20 Millionen Jahren ausgebrochen. Doch vielleicht ist die gesamte Region um Maat Mons noch heute aktiv.

Feuriges Ende

Venus Express wird diese interessante Region künftig nicht mehr in Augenschein nehmen können, denn ihre Tage sind gezählt. Kurz vor Schluss musste sie noch für ein Experiment herhalten. Dabei ging es um ein spezielles Manöver, das Aerobraking („ Atmosphärenbremsen“). Damit lässt sich eine Sonde abbremsen, um sie in eine gewünschte tiefere Umlaufbahn zu bringen.

Im Juli verringerten die Flugingenieure im Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt die Höhe der elliptischen Umlaufbahn, sodass sich Venus Express im tiefsten Punkt bis auf 130 Kilometer der Oberfläche näherte und somit in die oberste Atmosphärenschicht eintauchte. In Höhen zwischen 165 und 130 Kilometern nimmt die Dichte der Atmosphäre etwa um das Tausendfache zu. Als Folge davon wurde die Sonde stark abgebremst. Durch die Reibung stieg die Temperatur um mehr als 100 Grad Celsius.

Die ESA-Techniker werten ihr Manöver als gelungenen Test für künftige Missionen. Nach etwa einem Monat hoben sie den Orbit von Venus Express wieder an. Doch nun geht der Treibstoff zur Neige und die Sonde lässt sich nicht mehr steuern. Deshalb wird sie um den Jahreswechsel herum ein letztes Mal in die Venus-Atmosphäre eintauchen, immer tiefer absinken und schließlich verglühen. •

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