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Können Scrapie-Prionen den Menschen krankmachen?

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Können Scrapie-Prionen den Menschen krankmachen?
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Das menschliche Prionprotein. Durch Kontakt mit fehlgefalteten Prionen kann es krankmachen (thinkstock)
Fehlgefaltete Prionen verursachen tödliche Krankheiten wie „Rinderwahn“ bei Kühen oder Scrapie bei Schafen. Letztere galt als nicht auf den Menschen übertragbar – bis jetzt. Denn ein Experiment mit transgenen Mäusen liefert nun erstmals ein Indiz dafür, dass die Scrapie-Prionen doch die Artgrenze zum Menschen überwinden können: Durch Kontakt mit gesunden menschlichen Prionen in den Mäusen veränderten die Scrapie-Erreger ihre Form. Sie ähnelten nun den Prionen, die beim Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen. Dieser Befund stelle bisherige Annahmen über die Übertragbarkeit tierischer Prionen in Frage, konstatieren die Forscher.

Prionen sind weder Lebewesen noch Viren, trotzdem sind sie gefürchtete Erreger tödlicher Krankheiten. Gelangen sie über die Nahrung oder den Blutkreislauf in das Nervensystem und Gehirn eines Tieres, lösen sie eine Kettenreaktion aus: Die fehlgefalteten Prionproteine übertragen ihre Form auf die körpereigene Variante dieser Proteine, dadurch werden diese nicht mehr abgebaut und die mit den fehlerhaften Proteinen überschwemmten Nervenzellen gehen zugrunde. Die Folge ist ein schwammartig zersetztes Hirngewebe, schwere Demenz, Lähmungen und schließlich der Tod. Bekannt wurden diese übertragbaren spongiformen Enzephalopathien (TSE) durch BSE bei Kühen – auch als Rinderwahn bekannt – und durch Scrapie bei Schafen. Auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen wird durch Prionen ausgelöst. Studien deuten darauf hin, dass eine Infektion mit BSE beim Menschen eine Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann.

Ist Scrapie auf den Menschen übertragbar?

Die Schafskrankheit Scrapie jedoch galt bisher als nicht auf den Menschen übertragbar. „Epidemiologische Studien haben keinerlei klare Verbindung zwischen Scrapie und spongiformen Enzephalopathien beim Menschen finden können“, erklären Hervé Cassard von der Ecole Nationale Vétérinaire in Toulouse und seine Kollegen. Daher sei man davon ausgegangen, dass es hier eine natürliche Artschranke gibt. Auch Experimente, bei denen Affen mit Scrapie-Prionen infiziert wurden, konnten keine krankmachende Wirkung der Schafs-Prionen feststellen. Cassard und seine Kollegen haben die Übertragbarkeit von Scrapie nun noch einmal auf andere Weise überprüft – und dabei Bedenkliches herausgefunden.

Für ihre Studie nutzen die Forscher einen transgenen Mäusestamm, der gesunde menschliche Prionen statt der eigenen in seinem Nervensystem produziert. Diese Mäuse infizierten sie mit sechs verschiedenen Stämmen von Scrapie-Prionen, die zwischen 1994 und 2002 aus Schafsherden isoliert worden waren. Zunächst schienen die Ergebnisse ermutigend: Die Mäuse blieben gesund. Im Gehirn der Tiere fanden die Forscher allerdings fehlgefaltete menschliche Prionen – ein Zeichen dafür, dass eine Übertragung der Fehlfaltung stattgefunden hatte. Um dies weiter zu verfolgen, entnahmen die Wissenschaftler nun diesen Mäusen etwas Hirnsubstanz und infizierten damit eine weitere Gruppe von Mäusen dieses Stammes. Zusätzlich wiederholten sie diese Übertragungsverfahren mit einem anderen Stamm transgener Mäuse, die ebenfalls menschliche Prionen produzierten.

Scrapie-Prionen werden zu Creutzfeldt-Jakob-Erregern

Das Ergebnis: Die Mäuse beider Stämme erkrankten an einer   spongiformen Enzephalopathie. Die aus den Gehirnen der scheinbar folgenlos infizierten ersten Mäusegeneration isolierten Prionen lösten die Krankheit nun zu fast 100 Prozent aus, wie die Forscher berichten. Überraschend dabei: Schon durch diese zweifache Weitergabe hatten sich die Prionen verändert: Sie glichen nun in ihrer Form den Prionen, die beim Menschen Creutzfeldt-Jakob auslösen. Der Kontakt mit den menschlichen Prionen in den Mäusen hatte offenbar zu dieser Anpassung geführt. Wie die Forscher erklären, sind solche Formveränderungen typisch für  eine Übertragung von Prionen über Artgrenzen hinweg.

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Nach Ansicht von  Cassard und seinen Kollegen spricht dieses Ergebnis dafür, dass Scrapie-Prionen von Schafen bei Kontakt mit dem Menschen zu Creutzfeldt-Jakob-Prionen werden können. Bedeutet dies nun, dass Scrapie bei Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann? Darauf antworten die Forscher mit einem Möglicherweise: „Für sich genommen reichen unsere Daten nicht aus, um eindeutig einen kausalen Zusammenhang zu belegen“, betonen sie. „Aber diese Möglichkeit sollte noch einmal überdacht und untersucht werden.“ Ihrer Meinung nach könnte eine schleichende Infektion durch Scrapie vielleicht erklären, woher die sogenannte sporadische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kommt. Sie gilt als spontan bei älteren Menschen auftretend, ihre Häufigkeit liegt bei einem Erkrankten pro eine Million Menschen auf. „In jedem Fall werfen unsere Ergebnisse neue Fragen über die Verbindung von tierischen und menschlichen Prionen auf“, konstatieren Cassard und seine Kollegen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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