Tiere fressen Pflanzen – doch es geht auch umgekehrt: Etwa 600 Pflanzenarten aus 18 Gattungen haben den Spieß umgedreht. Mit teils spektakulären Strategien machen sie Jagd auf Insekten und andere Beutetiere. So können sie die Nährstoffknappheit in ihren Lebensräumen ausgleichen – Beute wirkt auf diese Pflanzen wie eine Art Düngetablette. Das gilt auch für den Wasserschlauch. Es handelt sich um die größte Gattung unter den Karnivoren: Über 200 Arten sind bekannt. Auch in Europa stellen die skurrilen Wasserpflanzen in Seen und Tümpeln ihre Fallen auf.
Es handelt sich dabei um blasenförmiger Fangorgane, in denen sich Unterdruck bildet. Bei der kleinsten Berührung öffnet sich eine Klappe, wodurch Wasser in die Falle strömt und kleine Organismen mit sich reißt. Nach kaum drei Millisekunden schließt sich die Tür wieder und die Beute wird nun von Verdauungsflüssigkeit langsam aufgelöst – so kann sich die Pflanze die Nährstoffe einverleiben.
Raffinierte Fallen für ausgewogen Kost
Es war bereits bekannt, dass in den Fallen nicht nur Wassertierchen enden, sondern auch Algen und Pollenkörner eingesaugt werden. Bisher ging man allerdings davon aus, dass es sich dabei um nutzlosen Beifang handelt. Die Forscher um Marianne Koller-Peroutka und Wolfram Adlassnig von der Universität Wien konnten nun allerdings belegen, dass das nicht der Fall ist. Sie verglichen dazu das Ausmaß der gefangenen vegetarischen Kost mit dem Wachstum der jeweiligen Pflanze und mit der Bildung von Überwinterungsknospen.
Es zeigte sich: Utricularia-Exemplare, die viele Algen und Pollenkörner gefangen haben, bilden mehr Biomasse aus und wirken generell kräftiger. Pflanzen mit einer vielseitigen Ernährung – die sowohl Algen als auch Pollen und Tiere gefangen hatten – wiesen den besten Allgemeinzustand auf, zeigten die Untersuchungen. Man kann daher annehmen, dass die Pflanzen manche Nährstoffe, etwa Stickstoff, vor allem aus Tieren, andere – wie Spurenelemente – hingegen bevorzugt aus Algen oder Pollenkörnern beziehen.
Meist ist Fleisch eher Beilage
Die Analyse von über 2.000 Fallen ergab, dass nur knapp zehn Prozent der gefangenen Objekte Tiere sind, 50 Prozent aber Algen. In nährstoffarmen Gewässern, wie beispielsweise Moorseen, überwiegt der Fang von Algen ganz besonders, berichten die Forscher. Mehr als ein Drittel der Beute bestand zudem aus Pollen von Bäumen, die am Ufer wuchsen und deren Blütenstaub ins Wasser fiel.
Durch die Fähigkeit, Organismen aller Art zu fangen und zu verwerten, kann der Wasserschlauch auch Gewässer besiedeln, in denen Tiere selten sind – wo allein die Fähigkeit zum Tierfang nur von geringem Nutzen wäre, sagen die Forscher. Auch für den Wasserschlauch gilt also: Eine ausgewogene Ernährung ist ideal.