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Höllenlärm im Meer

Erde|Umwelt

Höllenlärm im Meer
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Wale haben sehr sensible Sinnesorgane und können durch den Lärm die Orientierung verlieren. Bild: NOAA, Wikipedia.
In der See wird es immer lauter. Hohe Geräuschpegel können jedoch Fische, vor allem aber Meeressäuger schädigen und werden für Massenstrandungen von Walen verantwortlich gemacht. Jetzt arbeiten Ingenieure fieberhaft an einem Schallschutz für Windräder und an leiseren Schiffen.

Von wegen stiller Ozean. Am Grund der Wellen tobt heute ein Lärm vergleichbar dem Krach von Düsenjets. Frachter wummern vorüber. Erkundungsschiffe feuern Schallsalven aus seismischen Kanonen ab, um anhand des Echos Öl und Gas im Meeresboden aufzuspüren. Marineschiffe senden einen ohrenbetäubenden Lärm über ihr Sonar aus, um weit entfernte U-Boote zu orten.

Ausgerechnet die Nordsee ist nach Einschätzung von Kieler Meeresbiologen eines der lautesten Seegebiete weltweit. „Die Handelsschifffahrt hat stark zugenommen. Die Hauptschifffahrtsstraßen, etwa durch den Ärmelkanal, sind heute ähnlich stark befahren wie eine Autobahn“, sagt Jürgen Jokat, Abteilungsleiter Akustik vom Germanischen Lloyd in Hamburg.

Die Zukunft lässt noch mehr Lärm erwarten. Vor den deutschen Küsten werden bald die Gründungsstrukturen für Hunderte Windräder mit Hammerschlägen in den Grund gerammt, um derzeit 22 genehmigte Windparks zu errichten. Auch das verursacht einen Höllenlärm.

Der Krach im Wasser kann Fischen und Meeressäugern zum Verhängnis werden. Sie nutzen Töne, um sich zu orientieren, Feinde rechtzeitig zu bemerken und ihre Beute aufzuspüren. Blauwale beispielsweise unterhalten sich über Infra- und Ultraschalltöne über Distanzen von bis zu 3.500 Kilometer.

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Der Meereslärm stört nicht nur solche Ferngespräche, sondern schadet den Tieren, warnen Naturschützer und Meeresbiologen. In unmittelbarer Folge von seismischen Erkundungen und von Sonar-Experimenten der US-Marine wurden mehrfach Massenstrandungen beobachtet, bei denen die Tiere oft qualvoll verendeten. 420 Wale sind seit den 60er Jahren auf diese Weise ums Leben gekommen, schreibt die amerikanische Umwelt- und Friedensforschungsorganisation Natural Ressources Defense Council. Teils entdeckte man in den Leichen verletzte Hörorgane und innere Blutungen. Kritiker bestreiten zwar einen ursächlichen Zusammenhang, aber der Verdacht erhärtet sich. Zuletzt konnten Biologen vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum an zwei Schweinswalen in einem Aquarium nachweisen, dass diese ab einem gewissen Schallpegel vorübergehend die Orientierung verlieren.

Aufgrund dieser Ergebnisse dürfen nun die Betreiber von Offshore-Windanlagen beim Bau einen Schallpegel von 160 Dezibel in mehr als 750 Metern Entfernung nicht überschreiten. Zum Vergleich: Diskothekbesucher werden mit rund 100 Dezibel beschallt. „Ohne zusätzliche Maßnahmen ist das nicht einzuhalten“, macht Bauingenieur Raimund Rolfes von der Universität Hannover klar. Wenn die Gründungsstrukturen der Windräder mit einem Rammhammer in den Boden getrieben werden, treten deutlich höhere Lärmbelastungen auf. „Das sind mehrere tausend Schläge über mehrere Stunden je Objekt“, führt Rolfes aus.

Der Ingenieur hat eine Lösung gegen den Lärm ausgeklügelt. An einer Forschungsplattform nahe Sylt wurde ein Rohr rings um eine Baustelle gelegt. Aus kleinen Löchern im Rohr strömte Druckluft aus. Die Luftsäulen vereinten sich zu einem geschlossenen trichterförmigen Schleier. Als in der Mitte ein Pfeiler von viereinhalb Metern Durchmesser in den Meeresboden gerammt wurde, konnte der Lärm dank der Luftschutzwand um 12 Dezibel vermindert werden. „Das wird deutlich leiser“, so Rolfes. „Eine solche Schallminderung, wie wir sie erreicht haben, ist noch nie realisiert worden.“ Mit dem Blasenschleier könnte es vermutlich gelingen, den erforderlichen Grenzwert für den Bau der Windräder einzuhalten.

Rolfes will die Technik aber zunächst weiterentwickeln. Statt aus Rohren könnte die Druckluft aus einem Schlauch strömen. Zugleich möchte er testen, wie der Pegel sinkt, wenn die Rammschläge weicher ausgeführt werden. Denkbar wäre auch, zwei Schleier hintereinander zu setzen.

Für Schiffe ist der Schleier gegen Lärm nicht geeignet. Rolfes winkt auch aus anderem Grund ab: „Die Belästigung für die Tiere durch Schiffslärm scheint mit nicht mit dem beim Bau von Windanlagen vergleichbar.“ Und doch steht das Thema ganz oben auf der Agenda der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO. Sie möchte in den kommenden Jahren eine Richtlinie für leise Schiffe erarbeiten. Jokat räumt ein: „Ein Risiko durch den Schifffahrtslärm für die Meereslebewesen kann nicht ausgeschlossen werden. Der Beitrag der Schiffe zum Meereslärm ist aber bisher nicht genau bekannt und muss ermittelt werden.“

Der Germanische Lloyd würde es unterstützen, wenn zu diesem Zweck eine Mikrophonkette entlang der Handelsrouten ausgelegt würde. So ließen sich beispielsweise in Zukunft auch ein Fahrverbot oder Tempolimit für laute Kähne überwachen. Die US-Armee hat solche Hydrofone bereits im Atlantik zu Zeiten des Kalten Krieges installiert, um U-Boote zu orten.

Im kommenden Jahr will der Germanische Lloyd ein Computerprogramm fertig stellen, mit dem leise Schiffe gezielt gebaut werden können. Eine wesentliche Ursache für den Krach sind deren Propeller, landläufig Schiffsschraube genannt. Sobald sie sich schnell dreht, kann sich an der Spitze ein Vakuum aufbauen, das schließlich lautstark zusammenbricht. Beispielsweise wäre ein leichterer Propeller, der sich langsamer dreht, in vielen Fällen leiser.

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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