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Buschfunk bei Bränden und Wassermangel: Forscher untersuchen Informationsübertragung in Pflanzen

Erde|Umwelt

Buschfunk bei Bränden und Wassermangel: Forscher untersuchen Informationsübertragung in Pflanzen
Sie sehen nicht, sie hören nicht: Pflanzen gelten als reine Zierobjekte, die man umtopft, denen man Triebe stutzt und Blätter zupft, ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, dass sie dabei etwas empfinden könnten. Denn das Grün ist nicht bei Sinnen, so die landläufige Meinung.

Doch Botaniker bringen das Bild von empfindungslosen Blumen und Bäumen ins Wanken: Sie weisen in immer mehr Gewächsen eine Übertragung von elektrischen Signalen nach. “Das Muster dieser Aktivität ähnelt der im menschlichen Gehirn und in anderen Lebewesen”, erklärt František Baluška von der Universität Bonn. Erst im Februar hat er den Funkverkehr in der Maiswurzel im renommierten Fachjournal “PNAS” beschrieben.

Das Prinzip: Über elektrische Spannungen werden äußere Sinnesreize ins Innere der Pflanze übermittelt. So erfahre die Wurzelbasis von einem Hindernis an der Wurzelspitze und wisse schon Minuten später, wie sie sich krümmen muss, um es zu umgehen. Die Spitze selbst messe fortlaufend mindestens zwanzig verschiedene Daten, darunter Feuchtigkeit, Schwerkraft und den Gehalt an Mineralien, so Baluška. Sie selbst kann jedoch nicht für das Schlängeln der Wurzel sorgen. Das übernimmt eine etliche Millimeter entfernte Partie, die sozusagen per Buschfunk entsprechende Informationen erhalten muss.

Auch jenseits der Wurzel funkt es in den Pflanzen. In einer Hitzeperiode schließen sich beispielsweise die Spaltöffnungen der Blätter, um die Verdunstung zu minimieren. Prasselt dann ein Gewitterregen nieder, werden die Blätter von der Wurzel auf den Nachschub vorbereitet und ihre Spaltöffnungen weiten sich, lange bevor die Wurzel Wasser für die Bewegung hinaufpumpen kann. Zudem können einige Pflanzen nicht nur Wind spüren, sondern auch die Stimme eines flüsternden Menschen über die erzeugten Luftdruckschwankungen wahrnehmen, beteuert Baluška. Das Gesagte verstehen sie freilich nicht.

Der Buschfunk veranlasst den Botaniker dazu, der Flora Sinne zuzusprechen. “Viele Pflanzen sind sehr gut erregbar”, pflichtet Jörg Fromm, Holzbiologe an der Universität Hamburg, bei. Noch heute seien seine Studenten verblüfft, wenn der Spannungsschreiber ausschlägt, wenige Sekunden nachdem sie Laubbäumchen mit einer Nährstofflösung gegossen haben. “Es ist faszinierend und unerwartet, weil man Pflanzen als träge einschätzt.”

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Dabei hatte man die Spannungen im Blattwerk schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts bei Mimose und Venusfliegenfalle entdeckt. Sobald sie berührt werden, pulst ein Signal von 100 bis 200 Millivolt mit einer Geschwindigkeit von zwei bis drei Zentimetern pro Sekunde durch das Blatt und bewirkt, dass das Gelenk sich schließt. Lange Zeit wähnte man das Phänomen jedoch auf fleischfressende Pflanzen beschränkt. Empfindlich wie eine Mimose wurde zum geflügelten Wort für hypersensible Menschen.

Doch als Fromm Korbweide und Pappel nach elektrischen Signalen abtastete, wurde er auch in den augenscheinlich trägen Bäumen fündig. Licht, Kälte, Nährstoffe und Wasser stoßen hier ein sogenanntes Aktionspotenzial an. Zusätzlich gibt es auch noch ein Variationpotenzial, das ausgesandt wird, wenn Blätter verwundet werden. Variationspotenziale werden ungefähr zehn Mal langsamer weitergeleitet, erreichen aber die gesamte Pflanze, schildert Fromm. “Sie teilen entfernten Pflanzenteilen mit, dass etwas Ernstes passiert ist.” Dagegen werden Aktionspotenziale schnell transportiert, reichen aber nicht so weit. In der Mimose verebben sie beispielsweise nach fünf bis zehn Zentimetern.

“Elektrische Signale sind für schnelle Antworten sehr wichtig. Die Kommunikation über chemische Botenstoffe wäre mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Stunde viel zu langsam”, erläutert Fromm. Eine Tomate, deren Blätter angeknabbert werden, bildet etwa binnen Minuten in den übrigen Blättern unverdauliche Stoffe. Nur ein elektrisches Signal macht dies möglich.

Trotzdem wollen etliche Botaniker bis heute nichts von empfindsamen Pflanzen wissen. Sie werfen den Elektrophysiologen vor, ihre Ergebnisse mit unzulässigen Vergleichen zur Tierwelt zu spicken und dadurch aufzubauschen. Vorschnell würden Parallelen zum tierischen und menschlichen Sinnessystem sowie zum Gehirn gezogen, so der Tenor eines offenen Briefes im Fachblatt “Trends in Plant Biology” aus dem Jahr 2007. Dass eine Pflanze nicht mit einer Menschennase schnuppert, dürfte allerdings jedem klar sein, auch wenn veranschaulichend von Riechen die Rede ist.

Unbestritten ist hingegen das Phänomen der elektrischen Kommunikation an sich. Die Elektrophysiologen suchen längst Brückenschläge zu anderen Gebieten der Botanik. Fromm geht davon aus, dass viele bekannte molekularbiologische Veränderungen durch elektrische Signale eingeleitet werden. So informiert eine mit Pollen benetzte Hibiskusblüte via Buschfunk den Fruchtknoten, dass die Bestäubung bevorsteht. Dieser stellt daraufhin nachweislich Energie bereit, um sich auf das große Ereignis vorzubereiten, das meist ein bis zwei Tage später stattfindet. “Wir werden viele Gene finden, die durch elektrische Signale reguliert werden und wir werden so noch mehr Erkenntnisse bekommen, wie chemische und elektrische Kommunikation in Pflanzen zusammenspielen.”

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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