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Wie Roboter autistischen Kindern helfen können

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Wie Roboter autistischen Kindern helfen können
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Die Roboterpuppe Kaspar soll autistischen Kindern aus ihrer sozialen Isolation helfen. Bild: Kerstin Dautenhahn (Universität von Hertfordshire)
Ferngesteuertes Spielzeug soll die soziale Isolation von Autisten durchbrechen. Erste Erfahrungen aus Großbritannien sind ermutigend, heißt es von Seiten der Entwickler. Im Spiel mit einer Roboterpuppe schwindet die Scheu der Kinder gegenüber Menschen. Nun wird ein zweiter Spielzeugroboter in einem EU-Projekt entwickelt, der auch bei geistig und körperlich behinderten Kindern den Spaß am Spiel und die Kommunikation fördern soll.

Anja lebt in ihrer eigenen Welt. Sie spielt nicht mit anderen Kindern und stapelt lieber alleine Bauklötze zu einem Turm. Sie wirkt dabei vollkommen in sich versunken. Wenn ihre Eltern sie ansprechen, dreht sie den Kopf weg. Sie scheut den Blickkontakt und noch mehr jede Berührung. Anja ist eines von Tausenden autistischen Kindern. Diese Kinder erkennen jedes Detail ihrer Umwelt, tun sich aber schwer, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. Gesten und Gesichtsausdrücke wie beispielsweise ein Lächeln können sie nicht richtig deuten. Die Kinder kapseln sich deshalb häufig ab.

Ausgerechnet Roboter sollen diese Einsamkeit durchbrechen. Davon sind die Forscher des EU-Projektes IROMEC überzeugt. Sie stützen sich auf Erfahrungen aus Großbritannien. Dort hilft die Roboterpuppe Kaspar den einsamen Kindern schon seit Monaten.

Die Idee für Kaspar kam Kerstin Dautenhahn von der Universität Hertfordshire, als sie Autisten am PC beobachtete: „Mir fiel auf, dass sie mit Computern viel besser klar kommen, weil diese viel einfacher gestrickt sind als Menschen.“ Von da an wollte die Spezialistin für künstliche Intelligenz einen Roboter mit menschlichen Zügen erschaffen, ein Zwischending zwischen Mensch und Maschine, das den Kindern die Furcht vor Menschen nimmt.

Schnell stellte sich heraus, dass das Äußere jedoch nicht all zu menschlich anmuten darf, weil das den Kindern Angst einjagt. Das Antlitz und die Statur von Kaspar gleichen daher einer Marionette. „Alle Kinder können sofort erkennen, dass sie ein Spielzeug und keinen Mitmenschen vor sich haben“, versichert Dautenhahn.

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Die 50 Zentimeter große Puppe beherrscht jedoch ausgewählte Grundzüge der zwischenmenschlichen Kommunikation: Sie zeigt die typische Mimik für Freude. Dazu verzieht Kaspar auf Knopfdruck die Mundwinkel zu einem Grinsen und breitet die Arme aus – ein robotisches Lächeln. Rutschen die Mundwinkel nach unten und verengen sich die Augen, symbolisiert dies Trauer. Die Gesichtzüge sind stark abstrahiert und dadurch für die Kinder leichter zu verstehen. Die Roboterpuppe kann auch eine Trommel schlagen, in die Hände klatschen und winken, genauso den Kopf drehen und blinzeln. Dies sind allesamt Bewegungen, die Kleinkinder zum Nachahmen anregen.

„Die Kinder sind sehr interessiert an dem Roboter und beschäftigen sich viel länger mit ihm als mit gewöhnlichen Spielsachen, mit denen können sie oft nichts anfangen. Beispielsweise werden Stofftiere zweckentfremdet und permanent in Reih und Glied aufgestellt“, erklärt Dautenhahn.

Das Entscheidende ist jedoch, dass das Kind mit Kaspar nicht alleine ist. Der Roboter wird von einem Betreuer gesteuert. „Wir haben also ein Beziehungsdreieck: Kind – Roboter – Betreuer“, sagt die Forscherin. Sobald die Kinder herausfinden, dass sich hinter der ferngesteuerten Puppe noch ein Mensch verbirgt, beginnen sie sich auch für ihn zu interessieren. Dabei überwinden sie im Spiel viel leichter als sonst ihre Scheu. Einige blickten dem Betreuer in die Augen. Besonders ermutigend und aufregend waren für Dautenhahn Situationen, bei denen die Kinder den Betreuer berührten oder gar mit ihm spielten, indem sie beispielsweise im Wechsel die Trommel schlugen.

Sobald die Kinder in ein Spiel verwickelt sind, lassen sich auf diese Weise soziale Fähigkeiten trainieren: die gemeinsame Aufmerksamkeit für den Roboter, der Rollentausch und das Erkennen von Gesten und Mimik. „Wie groß der therapeutische Nutzen von Kaspar ist, kann man jetzt aber noch nicht sagen. Unsere Erfahrungen konzentrieren sich auf Einzelfälle. Diese sind allerdings ermutigend“, zieht Dautenhahn Bilanz.

Aufbauend auf den Erkenntnissen mit Kaspar hat sie mit Wissenschaftlern aus sechs EU-Ländern im Projekt IROMEC inzwischen einen neuen Roboter entworfen, mit dem auch geistig oder körperlich behinderte Kinder spielen können. Ein Prototyp wird derzeit gebaut. Im Unterschied zu Kaspar wird der IROMEC-Roboter nicht im Entferntesten eine menschliche Gestalt haben und auf Rädern rollen, damit er zu gelähmten Kindern hinfahren kann. „Er wird insgesamt wesentlich mehr Spielvarianten in petto haben, um die Kinder noch leichter in ein Spiel zu verwickeln“, erläutert Projektleiter Gernot Kronreif von der österreichischen Firma Profactor in Seibersdorf.

Der Roboter kann beispielsweise mit zwei Greifarmen einen Ball holen, den ein Kind geworfen hat. Beim Szenario „Catch me if you can“ sollen Kinder gemeinsam das ferngesteuerte Spielzeug einkreisen. „Das hat in unseren Tests allen sofort einen Heidenspaß gemacht. Dadurch haben sie auch untereinander Kontakt aufgenommen. Ein Kind sagte zum anderen: ‚Du musst etwas weiter nach links gehen, damit er uns nicht entwischen kann’“, berichtet der Forscher.

Für Kronreif sind das die schönsten Momente, wenn den Kindern gefällt, was er entwickelt hat. Wenn es nach ihm geht, soll der Roboter künftig auch in Schulen und zuhause für Abwechselung sorgen. Er versichert: „Das Spielzeug macht den Kleinen mehr Freude und fördert die Kommunikation weitaus stärker als ein Holzklotz oder ein Teddy.“

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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