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Von wegen Geschmackssache

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Von wegen Geschmackssache
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Das Taj Mahal in Indien ist schön, da es symmetrisch aufgebaut ist. Bild: Dhirad, wikipedia (Creative Commons Lizenz
Schönheit liegt entgegen der allgemeinen Annahme nicht im Auge des Betrachters. Vielmehr sind die Kriterien für Schönheit fest im Gehirn verankert und daher kulturunabhängig. Der wichtigste Bewertungsfaktor ist dabei die Symmetrie. Sie ist wichtig für den Menschen, weil sie ihm hilft, in einer komplexen Welt Regelmäßigkeiten zu entdecken und den optimalen Partner zu finden.

Schönheit ist wie eine Sucht: Fast jeder jagt ihr hinterher – nicht selten unter großen persönlichen Opfern –, der Kosmetikindustrie bringt sie jedes Jahr 160 Milliarden Dollar ein und Schönheitschirurgen sind gefragt wie nie zuvor. Trotzdem kann kaum jemand definieren, was Schönheit eigentlich ist. Liegt sie im Auge des Betrachters, wie der Volksmund sagt? Gibt es im Gehirn eine Instanz, die auf Schönheit programmiert ist? Existiert gar ein ultimatives Schönheitsideal, das alle Menschen teilen?

Schon seit vielen Jahren befassen sich Forscher mit diesen Fragen – und erst langsam kristallisieren sich die Antworten heraus, berichtet das Magazin „bild der wissenschaft“ in seiner Juni-Ausgabe. Sicher ist mittlerweile: Schönheit ist so wichtig für den Menschen, dass die Vorliebe dafür angeboren ist. So fesseln schöne Gesichter schon bei Säuglingen die Aufmerksamkeit länger als andere, und bei Erwachsenen aktivieren sie das Belohnungszentrum – es schüttet den Botenstoff Dopamin aus und vermittelt ein angenehmes Wohlgefühl.

Doch worauf genau reagiert das Gehirn? Hinweise darauf geben Umfragen, in denen Menschen aus aller Welt angeben sollten, was sie schön finden. Die Resultate waren zwar unterschiedlich, ließen sich aber auf einen gemeinsamen Nenner bringen – eine schöne Frau hat ein ebenmäßiges Gesicht, glatte Haut, glänzende Haare, große Augen und weiße Zähne. Auch Seifenblasen sind schön, Rosenblüten, Diamanten, das Pantheon und das Taj Mahal. Sogar einfache Glassplitter, zumindest dann, wenn sie sich in einem Kaleidoskop befinden.

Was alle diese Dinge verbindet: Sie sind auf irgendeine Art und Weise symmetrisch. Ist also Ordnung das entscheidende Kriterium für Schönheit? Es sieht ganz danach aus. Sogar eine Formel gibt es für diesen Zusammenhang, die ein amerikanischer Mathematiker bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgestellt hat. „M = O / C“ lautet sie, wobei M, das ästhetische Maß, umso größer ist, je größer die Ordnung O bei einer gleichbleibenden Komplexität C ist. Etwas später, in den 1950er Jahren, wurden dann Nervenzellen im Gehirn entdeckt, die speziell auf ordentliche Muster reagieren.

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Auch ein Experiment aus den 90er Jahren deutet in die gleiche Richtung. Darin wurden Testpersonen gebeten, ein weibliches Gesicht am Computer so zu verändern, dass es schön wird. Alle Probanden vergrößerten die Stirnpartie und verkleinerten gleichzeitig den unteren Teil des Gesichts, sie machten die Augen größer und die Lippen voller. Am Ende folgten die Proportionen dem “ Goldenen Schnitt„, einem künstlerischen Maß für Ästhetik, bei dem zwei Größen etwa im Verhältnis 1,618 zu 1 stehen.

Genau dieses Längenverhältnis ruft auch im Gehirn eine besondere Reaktion hervor, haben erst kürzlich Wissenschaftler aus Rom und Parma entdeckt, als sie Freiwilligen Bilder von verschiedenen Skulpturen zeigten und dabei die Hirnaktivität überwachten. Das Ergebnis: Ausschließlich die Figuren, die nach dem Goldenen Schnitt entworfen worden waren, aktivierten ein Hirnareal namens Inselrinde – ein Bereich, der mit dem Bewerten von Emotionen und speziell dem Entstehen von Liebesgefühlen in Verbindung gebracht wird. Die Inselrinde scheint also eine Art Ästhetikinstanz zu sein, die auf der Basis von Ordnung und Symmetrie die Schönheit eines Objekts bewertet, sind sich die Wissenschaftler sicher.

Das lässt jedoch auch den Umkehrschluss zu, erläutert „bild der wissenschaft“: Schönheit ist demnach nichts anderes als eine Nebenwirkung der Ordnungsliebe des Menschen, seines Drangs, überall nach Regelmäßigkeiten zu suchen. Diese heben sich nämlich vom Zufälligen ab und vermitteln das Gefühl, dass trotz aller Komplexität mitten im Chaos noch Ordnung herrscht und die Welt klaren Regeln folgt Das wiederum vermittelt Sicherheit und schafft Vertrauen – und das empfindet man als schön.

So wurde die Schönheit zu einem zentralen biologischen Signal, das fest im Gehirn verankert ist. Und wozu? Fragt man Evolutionsbiologen, ist die Antwort wie bei fast allem, was der Mensch tut: Die universelle Schönheitsformel soll den Fortpflanzungserfolg optimieren. Denn viele Merkmale, die ein Gesicht oder einen Körper symmetrisch und damit schön machen, sind gleichzeitig Kennzeichen für ein starkes Immunsystem und eine kräftige Konstitution.

Diese Kriterien können dank des ausgeklügelten hirneigenen Bewertungssystems innerhalb von Bruchteilen von Sekunden beurteilt werden – so schnell erfasst nämlich der Mensch die Attraktivität eines Gegenübers. Das wiederum bringt eine ernüchternde Konsequenz mit sich: Die sprichwörtliche „Liebe auf den ersten Blick“ ist demnach nicht das intuitive Erfassen der edlen inneren Werte eines anderen, sondern eine rein instinktive Reaktion auf Äußerlichkeiten.

Claudia Eberhard-Metzger: „Keine Frage des Geschmacks“ bild der wissenschaft 6/2008, S. 46 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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