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Mit Chilis gegen Schmerzen

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Mit Chilis gegen Schmerzen
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Chilischoten gibt es in vielen unterschiedlichen Formen und Farben. Bild: Westland Peppers
Chilis haben sich mittlerweile einen festen Platz in deutschen Küchen erobert. Doch auch Mediziner interessieren sich für den Chili-Wirkstoff Capsaicin, der das Brennen verursacht. In der Schmerztherapie findet Chili-Extrakt bereits Anwendung, weitere Einsatzmöglichkeiten hängen aber davon ab, ob die Nebenwirkungen unter Kontrolle gebracht werden.

Scharf ist „in“ – ob Ketchup oder Gummibärchen, von vielen Lebensmitteln gibt es mittlerweile eine scharfe Variante. Für das Brennen auf der Zunge sorgt dabei ein Wirkstoff, der aus Chilischoten stammt: Capsaicin heißt die Chemikalie, die beim Biss in eine Peperoni zu Schweißausbrüchen führt. Das scharfe Molekül erobert aber nicht nur immer mehr deutsche Küchen, sondern weckt auch bei Medizinern große Hoffnungen. Vor allem in der Schmerztherapie wird intensiv an möglichen Einsatzgebieten für Capsaicin geforscht. Mittlerweile liegen erste klinische Ergebnisse vor und helfen den Forschern, die genauen Vorgänge bei der Schmerzentstehung im Körper besser zu verstehen.

Kulinarisch sind Chilischoten, die wie Paprika zur Gattung Capsicum gehören, schon seit langem beliebt: In Venezuela fanden Forscher Beweise für die Verwendung von scharfen Paprikaschoten vor mehr als 6.000 Jahren. „Mittlerweile existieren mehrere tausend unterschiedliche Chili- und Paprikasorten“, sagt der Chili-Züchter Peter Merle im Gespräch mit wissenschaft.de. Fast all diesen Sorten gemein ist der Inhaltsstoff Capsaicin, der wahrscheinlich als Verteidigungsmechanismus gegen Säugetiere entstand. Dieses Alkaloid wird nur von Säugetieren als scharf wahrgenommen, während Vögel den Stoff nicht als unangenehm empfinden. Durch diesen Mechanismus sollen Säugetiere davon abgehalten werden, die Chilischoten zu verspeisen, hat der Biologe Joshua Tewksbury von der Universität von Montana in Experimenten nachgewiesen.

Womit die Pflanzen aber nicht gerechnet haben: Menschen werden durch die Schärfe häufig nicht abgeschreckt, sondern sogar angezogen. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Ausschüttung von Endorphinen nach dem Genuss von Chilis, die in mehreren Studien bestätigt wurde. Endorphine sind morphiumähnliche Substanzen, die vom Körper unter anderem zur Schmerzunterdrückung produziert werden. Gelangt das Capsaicin aus Chilis an einen der zahlreichen Hitzerezeptoren im menschlichen Leib, signalisieren diese Neuronen eine Verbrennung, und der Körper beginnt, Endorphine auszuschütten.

Diese Hitzerezeptoren, die sogenannten TRPV1-Rezeptoren, finden sich an vielen verschiedenen Stellen im menschlichen Körper – deswegen reizt der Kontakt mit Chilis nicht nur die Zunge, sondern wird auch an anderen Körperregionen als schmerzhaft empfunden. Dabei kommt es aber nicht wirklich zu einer Verbrennung oder gar dauerhaften Schädigung des Körpers: „Die Rezeptoren werden nur für eine gewisse Zeit außer Gefecht gesetzt, erholen sich aber spätestens nach einigen Wochen wieder vollständig“, erklärt der österreichische Mediziner Peter Holzer. Der Professor für Neuropharmakologie an der Medizinischen Universität Graz beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Capsaicin.

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Vor allem seit Ende der 1990er Jahre rückte der Wirkstoff immer stärker in den Fokus der Mediziner: Die Möglichkeit, TRPV1-Rezeptoren gezielt auszuschalten, versprach ganz neue Behandlungsansätze in der Schmerztherapie. Erfolge erzielten die Forscher dabei vor allem bei der Behandlung von Hautkrankheiten wie chronischem Juckreiz oder Gürtelrosen. Hier werden capsaicinhaltige Salben verwendet, um die Schmerzrezeptoren von Patienten lahmzulegen, berichtet der israelische Mediziner Joseph Lysy von der Hadassah-Universitätsklinik in Jerusalem.

„Die anfängliche Euphorie von Forschern, die nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten für Capsaicin suchten, wurde in den vergangenen Monaten aber stark gedämpft“, schildert Holzer. Verantwortlich dafür waren mehrere Rückschläge bei Versuchen, den Schmerzrezeptor TRPV1 zu blockieren: So erhöhte sich Körpertemperatur von Testpersonen teilweise auf 40 Grad, wenn sie mit neuen Wirkstoffen behandelt wurden, die in die TRPV1-Regulation eingreifen – für Holzer ein Zeichen dafür, dass die Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Rezeptor wesentlich komplexer sind als bislang bekannt. Einen weiteren Dämpfer erhielten die Chili-Mediziner, als Helen Gibson von der Brown-Universität in Providence im März Ergebnisse veröffentlichte, denen zufolge der TRPV1-Rezeptor zumindest bei Mäusen Vorgänge im Gehirn beeinflusst, die mit der Gedächtnisbildung zusammenhängen.

Diese Ergebnisse helfen den Forschern zwar, die Zusammenhänge bei der Schmerzübertragung besser zu verstehen. Gleichzeitig verdeutlichen sie aber auch den Forschungsbedarf, der für eine sichere Anwendung von Capsaicin noch notwendig sei, erläutert Holzer. Für die Freunde von scharfem Essen gibt er allerdings Entwarnung: Da das Capsaicin nach dem Genuss von Chilis zum größten Teil in der Leber abgebaut wird, gelangt nur ein geringer Teil tatsächlich in den menschlichen Körper. „Zudem hat der Verzehr von Chilis nachgewiesenermaßen positive Effekte auf die Gesundheit. Das Capsaicin greift die Magenschleimhaut nicht an, sondern verstärkt sogar deren Verteidigungsmechanismen“, erläutert der Grazer Professor.

ddp/wissenschaft.de – Markus Zens
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