Eines Tages im Sommer 1941 wollte de Mestral wissen, warum die Mitbringsel so unglaublich hartnäckig in Hundehaaren und an Hosenbeinen klebten. Er legte einen der kugeligen Fruchtstände der Großen Klette (Arctium lappa) unter sein Mikroskop und verstand sofort den Mechanismus: Die bräunlichen Spitzen der vertrockneten Hüllblätter laufen in kleine Haken aus. Mit den verfilzten Haarschlingen eines Tierfells oder mit den Schlingen eines textilen Gewebes gehen sie stabile Verbindungen ein. Zieht man an einer Klette, lösen sich die Haken erst bei erheblichem Kraftaufwand aus den Schlingen.
Der Clou daran: Die Häkchen brechen auch bei hoher Zugbelastung nicht ab, da sie sehr elastisch sind. Nach erneutem Andrücken an den haarigen oder gewobenen Widerpart haften sie daher wieder. Der Vorgang ist schier endlos wiederholbar. Das ließ in de Mestral die Idee aufblitzen: Nach demselben Prinzip sollte sich doch ein Verschlusssystem designen lassen, das sich – reversibel – beliebig oft öffnen und wieder verschließen ließ.
Patent für den Samthaken
„Velcro“ nannte de Mestral, aus der französischen Schweiz stammend, sein System – aus „velours“ (Samt) und „crochet“ (Haken). Unter diesem Namen meldete er 1951 ein Patent auf seine Erfindung an. Das Grundprinzip ist der Natur abgeschaut, aber in einer Weise umgesetzt, die eine industrielle Fertigung erlaubt: Zwei textile Bänder spielen Klette und Fell – eines ist mit biegsamen winzigen Widerhaken besetzt und das andere mit Schlingen. Beim Andrücken verbinden sich die Komponenten fest miteinander. Reißt man sie auseinander, bleiben sie unbeschädigt und können wieder verschlossen werden.
De Mestral gründete das Unternehmen Velcro Industries, heute Weltmarktführer mit Hauptsitz in Manchester, US-Bundesstaat New Hampshire. 1959 brachte die Firma den ersten Klettverschluss in den Handel. Bald verkaufte sie mehr als 20.000 Kilometer Klettband pro Jahr. Inzwischen gibt es eine Fülle von Varianten aus unterschiedlichen Polymersorten, je nach Anwendung – sogar aus Metall. Kleidung und Schuhe, Windeln und Taschen, die Innenausstattung von Automobilen und Astronautenanzüge – überall sorgt das Prinzip „Klette und Fell“ für sicheren Verschluss.