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Kleiner Punkt ganz groß

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Kleiner Punkt ganz groß
Winzige Kristalle, die nur aus wenigen Atomen bestehen, lassen sich maßschneidern. Diese „Quantenpunkte“ könnten Solarzellen, Laser und die Kryptografie wesentlich verbessern.

Mit einer unscheinbaren Folie wollen der Start-up Nanosys und sein Technologiepartner 3M die Farbwelt der Bildschirme bunter machen. Ein unscheinbarer Stab ist es beim Start-up QD Vision und seinem Partner Sony, aber die Intention dieselbe. In beiden Fällen sollen die Technologien in die Hintergrundbeleuchtung von Flüssigkristalldisplays (LCDs) integriert werden, um die Qualität der Farben zu verbessern. Denn je reiner die Grundfarben Rot, Grün und Blau sind, desto brillanter wirkt das aus ihrer Mischung entstehende Bild.

Reinere Farben lassen sich erreichen, indem die verantwortlichen Strahlungsquellen möglichst schmalbandig ihr Licht emittieren – also zum Beispiel nicht den ganzen Kanon von Hellrot bis Dunkelrot, sondern einen einzigen Rotton bei einer bestimmten Wellenlänge. Die verschiedenen Rot-Nuancen werden dann erst aus den drei Grundfarben „gemischt“. Sony hat bereits einen solchen Fernseher auf den Markt gebracht. Und Gerüchte über das Marktdebüt eines künftigen Smartphone-Displays mit der neuen Technologie von 3M kursieren seit Anfang 2014.

Möglich wird die verbesserte Farbwiedergabe mithilfe winziger Kristalle. Sie bestehen aus nur wenigen Atomen – typisch sind 1000 bis 10 000. Dadurch sind die Kristalle nur einige Nanometer groß und für ein optisches Mikroskop unsichtbar. Die sogenannten Quantenpunkte sind so winzig, dass sie sich nicht wie gewöhnliche kleine Festkörper verhalten, sondern wie Atome: Fällt Licht auf sie, können sie nur bestimmte Wellenlängen, also Farben, absorbieren und wieder abstrahlen – wie ein Atom. Welche Farbe es ist, hängt von Größe und Form des Quantenpunkts ab. Vereinfacht gesagt, strahlt ein kleinerer Quantenpunkt eher blaues Licht ab, ein größerer eher rotes.

Jedes Material, das klein genug ist, verhält sich im Prinzip wie ein Quantenpunkt. In der Forschung und Anwendung spielen besonders Quantenpunkte aus Halbleitermaterialien eine wichtige Rolle. Bei Displays liegen die Quantenpunkte als Nanopartikel in einem Trägermedium vor, weshalb sie als kolloidale Quantenpunkte bezeichnet werden.

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Winzige Pyramiden, ganz nach Wunsch

Die erste kommerziell erfolgreiche Anwendung solcher kolloidalen Quantenpunkte waren Fluoreszenzfarbstoffe für die biologische Forschung. Diese Stoffe, die die Wissenschaftler bei spezialisierten Firmen kaufen, reagieren gezielt mit bestimmten Molekülen, etwa Proteinen, die beispielsweise zellphysiologische Mechanismen aufklären helfen. Eine andere wichtige Anwendungsform sind Quantenpunkte, die in einen Festkörper – einen anderen Halbleiter – eingebettet werden.

Mit diesem Ansatz beschäftigen sich Dieter Bimberg und seine Mitarbeiter an der TU Berlin seit vielen Jahren. „Quantenpunkte lassen sich maßschneidern, das ist das Besondere an ihnen“, sagt der Physikprofessor und Geschäftsführende Direktor des Zentrums für Nanophotonik. In den Labors der Berliner Wissenschaftler gelingt dieser spezifische Zuschnitt mit Verfahren, die auch bei der Fertigung von Computerchips helfen. Bimberg und seine Kollegen lassen dabei winzige pyramidenförmige Strukturen, die Quantenpunkte, auf einem Träger wachsen. „Wir können mit unseren Verfahren ihre Größe, Form und Dichte variieren“, sagt Bimberg.

Das ist für die Grundlagenforschung interessant, hat aber auch ganz praktische Auswirkungen. Zum Beispiel wären die heute verbreiteten blauen und grünen LEDs ohne eingebettete Quantenpunkte nicht praxistauglich: „Solche LEDs beruhen auf Nitrid-Halbleitern, deren Kristallstruktur leider viele Defekte aufweist – das verringert die Effizienz und verkürzt die Lebensdauer der Leuchtdioden. Quantenpunkte helfen, das Einfangen von Ladungsträgern durch Defekte zu umgehen“, sagt Bimberg.

Mehr noch: Wählt man das richtige Mischungsverhältnis der Materialien, bilden sich die Quantenpunkte bei der Herstellung automatisch, was fertigungstechnisch ein großer Pluspunkt ist. Eine spannende Konstellation: Einerseits sind Quantenpunkte schon weit mehr als zehn Jahre in Produkten zu finden – Stichwort LEDs. Andererseits kommen völlig andere technische Umsetzungen von ihnen gerade erst auf den Markt – Stichwort Displays. Zudem haben die Nanokristalle ein noch viel größeres technisches Potenzial, das bislang nicht ausgeschöpft wird. Solarzellen, Laser, Datenspeicher und Kryptografie könnten von ihnen profitieren.

In der Photovoltaikforschung geht es darum, das Sonnenlicht möglichst effizient für die Stromerzeugung zu nutzen – zum Beispiel durch Mehrfachsolarzellen. Das sind Zellstapel, die aus verschiedenen Materialien bestehen. Jedes Material ist für einen anderen Wellenlängenbereich des Sonnenlichts empfindlich, wodurch die Energieausbeute steigt. Doch das Problem sind die hohen Kosten, weil die erforderlichen Halbleitermaterialien deutlich teurer sind als Silizium, das Standardmaterial der Photovoltaik.

Quantenpunkte könnten hier Abhilfe schaffen: Ihre Größe ließe sich so wählen, dass sie im richtigen Wellenlängenbereich absorbieren und gleichzeitig bei ausreichend dichter Anordnung sehr effizient sind und als Transportschicht für die entstehenden Ladungsträger dienen. Wenn man sie auf eine Silizium-Solarzelle aufbringt, steigt deren Effizienz.

Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology haben letztes Jahr im Labor mit einem solchen Ansatz etwa 9 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Das ist noch weit entfernt von den theoretisch möglichen 30 Prozent, die bereits mit gewöhnlichen Silizium-Solarzellen zu verwirklichen sind, aber immerhin zwei Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Und es gibt noch mehr Ideen, wie sich verschiedene Solarzellentechnologien mit Quantenpunkten verbessern lassen.

Der heilige Gral der Energieeffizienz

Auch Halbleiterlaser profitieren von Quantenpunkten. Eine entscheidende Größe eines Lasers ist sein Schwellenstrom. Er ist ein Maß dafür, wie viel elektrische Leistung man anfangs hineinstecken muss, um überhaupt Laserstrahlung zu erhalten. Je niedriger dieser Strom ist, desto effizienter lässt sich ein Laser betreiben. Laser auf der Basis von Quantenpunkten wären so etwas wie der heilige Gral der Energieeffizienz.

Es gibt bereits erste Laser dieser Art für die Telekommunikation – sie werden in Asien bei Glasfasern zur Signalübertragung installiert. Doch das Potenzial ist noch lange nicht ausgereizt. So könnten Laser in optischen Rechnerverbindungen, in Scannerkassen, in CD-Spielern oder in Schweißgeräten von den Quantenpunkten profitieren.

Spielen bei Solarzelle und Laser immer ganze Ensembles von Quantenpunkten die entscheidende Rolle, kommt es bei Datenspeichern und Kryptografie auf einzelne Quantenpunkte an. Die Entwicklung in der Halbleiterelektronik zeigte in den vergangenen 50 Jahren nur in eine Richtung: zu immer kleineren Strukturen. Doch immer weniger Ladungsträger tragen zu einem gespeicherten Bit bei, das der 0 und der 1 in der Rechenlogik entspricht. Quantenpunkte ermöglichen es prinzipiell, diese 0 und 1 mit nur noch einem Ladungsträger zu speichern. Weniger geht nicht.

Futuristischer Speicherchip

Damit ließe sich ein futuristischer Speicherchip designen. Er sollte die Vorteile eines DRAM-Chips (Dynamic Random Access Memory), der als Arbeitsspeicher in Computern dient, mit denen eines Flashs kombinieren, der in Smartphones und Kameras als Datenspeicher fungiert. In DRAMs lassen sich Daten schnell speichern, diese Chips brauchen aber immer wieder Strom, um die Information aufzufrischen. Flashs können ohne ständige Stromzufuhr Daten für mindestens zehn Jahre vorhalten, sind aber relativ langsam beim Speichern. Im Labor gelangen bereits erste Experimente mit solchen Quantenpunktspeichern. Doch bis zur Anwendung ist es noch ein langer Weg.

„Hierfür müssten wir Quantenpunkte einzeln elektrisch adressieren können und ihre heute erreichbare Speicherzeit vervielfachen. Derzeit liegt sie bei schneller Zugriffszeit in der Größenordnung von 100 Sekunden“, kommentiert Dieter Bimberg. Immerhin: Beides scheint nach heutigem Kenntnisstand prinzipiell möglich zu sein.

Auch die Anwendung von Quantenpunkten in der Kryptografie ist noch Zukunftsmusik. Weltweit wird an Verfahren geforscht, um die elektronische Kommunikation abhörsicher zu machen. „Das zentrale Element einer solchen Kryptografie ist eine Strahlungsquelle, die ein einzelnes Photon abgeben kann. Sie würde als Sendeeinheit fungieren“, sagt Bimberg. Klassische Strahlungsquellen können das nicht, selbst wenn sie nur extrem kurz eingeschaltet werden. Im Labor haben Bimberg und seine Mitarbeiter eine solche Ein-Photonen-Lichtquelle hergestellt – sie besteht aus einem einzigen Quantenpunkt.

Um stabile Verhältnisse zu schaffen, müssen die Berliner Wissenschaftler ihre Quelle unterhalb von 200 Grad Celsius betreiben. Das ist natürlich ein Hindernis für eine alltagstaugliche Kryptografie. Doch letztes Jahr gelang es japanischen Forschern von der Universität Tokio mit einem anderen Materialsystem tatsächlich, einen Quantenpunkt als Ein-Photonen-Quelle im Labor bei Raumtemperatur zu betreiben. •

von Michael Vogel

Gut zu wissen: Quantenpunkte

Quantenpunkte bestehen aus so wenigen Teilchen, dass sie sich wie ein Atom verhalten, nicht wie ein Festkörper. In einem Atom gibt es nur bestimmte Energieniveaus, die ein Elektron einnehmen kann. Diese Niveaus entsprechen im Bohr’schen Atommodell den Schalen. Durch einfallendes Licht der passenden Energie kann ein Elektron für eine gewisse Zeit auf eine höhere Bahn gehoben werden – sendet das Elektron das Photon wieder aus, fällt es auf die tiefere Bahn zurück. Dagegen liegen in einem Halbleiter – als Beispiel für einen Festkörper – diese Energieniveaus wegen der vielen Elektronen so dicht beisammen, dass sie ein Band bilden. Einfallendes Licht kann dann ein Elektron aus dem tieferen Band (dem Valenzband) in das höhere Band (das Leitungsband) heben. Sendet dieses Elektron ein Photon aus, fällt es zurück ins Valenzband. Quantenpunkte sind so klein, dass sie wie ein Atom nur noch einzelne Energieniveaus haben. Daher werden Quantenpunkte auch als Quasi-Atome bezeichnet.

Eines der ältesten Beispiele für die Nutzung von Quantenpunkten sind farbenprächtige Gläser, wie sie in Kirchfenstern oder in Verzierungen von Kelchen zu finden sind. Denn schon vor 2000 Jahren war bekannt, dass Glas sich durch die Zugabe winziger Goldmengen intensiv färben lässt. Entscheidend war dabei neben der richtigen Temperaturbehandlung, dass das Gold in winzigen Teilchen vorlag – als Quantenpunkte. Diese Nanopartikel bestimmen durch ihre Größe, welchen Teil des Sonnenlichts sie verschlucken – und leuchten kräftig in der Komplementärfarbe.

Kompakt

· Quantenpunkte sind Nanoteilchen, die aus nur 1000 bis 10 000 Atomen bestehen. Sie verhalten sich wie Atome, nicht wie Festkörper.

· Ihre Eigenschaften lassen sich über Größe, Form und Dichte je nach Anwendung maßschneidern.

· Sie stecken bereits in LEDs und sorgen dort für reine Farben.

Mehr zum Thema

Lesen

Umfassender Forschungsüberblick und Stand der Anwendungen: Zhiming Wang (Hrsg.) Quantum Dot Devices Springer, Heidelberg 2012 € 118,99

Überblicksbeitrag zu kolloidalen Quantenpunkten: Jin Young Kim u.a. Colloidal Quantum Dot Materials and Devices: A Quarter-Century of Advances Advanced Materials Bd. 25, S. 4986–5 010 (2013)

Internet

Videos, die den Nutzen von Quantenpunkten in Displays veranschaulichen: www.youtube.com/watch?v=b1OaUsF1dcQ#t=81 www.youtube.com/watch?v=iZMEQmVaRcY vimeo.com/43420952.

Ohne Titel

MICHAEL VOGEL ist freier Wissenschaftsjournalist und regelmäßiger bdw-Autor. Zuletzt berichtete er über „Grips im Zahn“ (11/2014).

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