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Flammendes Finale

Astronomie|Physik

Flammendes Finale
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Die Flammen der Sonne werden in 7,59 Milliarden Jahren die Erde verzehren. Bild: Hinode JAXA/NASA
Wenn die Sonne ihren Brennstoff aufgebraucht hat, wird sie sich zu einem Roten Riesen aufblähen. Das hat auch Konsequenzen für die Erde, die Wissenschaftler mittlerweile ziemlich genau vorhersagen können: Es immer heißer werden, und statt eines Wechsels von Tag und Nacht wird auf der einen Seite ewiger Tag und auf der anderen ewige Nacht herrschen. Es gibt Ozeane aus geschmolzenem Gestein sowie glühenden Eisen-Regen und Siliziumdioxid-Schnee. Schließlich, in 7,59 Milliarden Jahren, wird die Erde der Sonne so nah kommen, dass sie verbrennt.

Jetzt ist es offiziell: Nach neuen Berechnungen von Wissenschaftlern wird die Erde in 7,59 Milliarden Jahren untergehen. Sie wird verbrennen, weil sie ins Feuer der ebenfalls sterbenden Sonne stürzt. Das haben Berechnungen von dem deutschen Astrophysiker Klaus-Peter Schröder, der jetzt an der Universität von Guanajuato in Mexiko forscht, und Robert Connon Smith von der University of Sussex ergeben. Seit Jahrzehnten haben Astrophysiker zuvor diskutiert, ob die Erde den Flammentod stirbt oder der sich gewaltig aufblähenden Sonne doch knapp entkommen kann.

Vorausgehen wird diesem feurigen Finale ein ebenso bizarrer wie faszinierender Todeskampf, berichtet die Zeitschrift “bild der wissenschaft” in ihrer November-Ausgabe. Nach dem Szenario beginnt die ungemütliche Phase wohl schon in etwa 1,6 Milliarden Jahren, wenn die Sonne ungefähr 15 Prozent heller ist als heute: Die Temperaturen auf der Erde werden dann bei etwa 60 bis 70 Grad Celsius liegen, ein Klima, bei dem sehr viel mehr Wasser verdunstet als heute. Da der Wasserdampf ein exzellentes Treibhausgas ist, wird sich die Temperatur in den folgenden Jahrmillionen immer weiter erhöhen. Nach und nach verschwinden die Ozeane, die Gebirge flachen sich ab und lediglich die großen Flüsse bleiben übrig.

Auch die Atmosphäre wird nicht mehr das sein, was sie heute ist: Die zunehmend intensive UV-Strahlung der Sonne zerschlägt die Moleküle des Wasserdampfes in Wasserstoff- und Sauerstoffatome sowie aggressive Hydroxylradikale. Der Wasserstoff, so leicht, dass ihn die Graviation der Erde nicht halten kann, entweicht anschließend ins All. Der schwerere Sauerstoff hingegen bleibt zurück – und färbt den blauen Planeten rot. “Das Eisen im Gestein wird den Sauerstoff absorbieren und die Erde wird ein rostiger Planet – ähnlich wie der Mars”, erklärt Jeffrey Kargel vom US Geological Survey in Flagstaff, Arizona.

Irgendwann, wenn die Temperaturen auf etwa 1.000 Grad angestiegen sind, beginnt das Gestein selbst zu schmelzen. Mineralien wie beispielsweise Gips lösen sich auf, und tödliche Wolken aus Schwefelsäure werden, ähnlich wie heute auf der Venus, in die Atmosphäre aufsteigen – wenn sie denn überhaupt noch existiert. In 7,5 Milliarden Jahren schließlich wird es nicht einmal mehr Tag und Nacht auf der Erde geben: Die zum Roten Riesen mutierte Sonne, deren Radius dann etwa 250-mal so groß ist wie heute, hält den Planeten so fest, dass er ihr immer die gleiche Seite zuwendet.

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Dort wird dann ewiger Tag herrschen, mit so hohen Temperaturen, dass die Magma-Ozeane verdampfen. Die andere Seite der Erde ist hingegen zu ewiger Dunkelheit verdammt – und möglicherweise auch zu eisiger Kälte: “Wenn es die Atmosphäre nicht mehr gibt, wird es extrem kalt”, glaubt Kargel. Er schätzt, dass die Temperaturen auf bis zu minus 240 Grad fallen könnten. Dazwischen wird es zwei Zonen in ständigem Zwielicht geben, wärmer als die Nacht, aber sehr viel kühler als die Tagesseite.

Diese Temperatursprünge sorgen für ungewöhnliches Wetter. So verdampfen bei über 2.200 Grad Silizium, Eisen und Magnesium auf der heißen Seite, um in der Zweilichtzone wieder zu kondensieren. “Es gäbe Eisen-Regen und vielleicht Siliziumdioxid-Schnee”, illustriert Kargel. Auf der Nachtseite könnten sogar Natrium- und Kalium-Schnee vom Himmel fallen. Kargel: “Seltsame Kontinente aus Natrium, Kalium, Aluminium und Kalzium würden auf einem geschmolzenen Ozean schwimmen, in den Gletscher aus Silizium, Eisen und Magnesium hineinfließen – es wird ein höllischer Ort sein”. Auch gigantische Eiskappen könnte es in der schneidenden Kälte geben – allerdings nicht aus Wasser, sondern aus Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickstoff und Argon.

Was danach mit der Erde passiert, war unter Wissenschaftlern lange umstritten: Wird sie verbrennen oder diesem Schicksal so gerade noch entkommen? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie weit sich die Sonne in ihrem eigenen Todeskampf ausdehnen wird und wie das wiederum die Bahnen der Planeten beeinflusst. Lange Zeit glaubten die meisten Forscher, dass die Erde dem Verbrennen ganz knapp entgehen könnte. Doch jetzt gibt es neuere, genauere Berechnungen – und die machen laut “bild der wissenschaft” diese Hoffnung zunichte: In besagten 7,59 Milliarden Jahren kommt die Erde der Sonne so nahe, dass zuerst das Gestein der Erdkruste verdampft, sich dann der Erdmantel auflöst und schließlich auch der Rest des Planeten verglüht.

Die entscheidende Ursache dafür haben Schröder und Smith entdeckt: die Gezeitenkräfte und den Einfluss der äußeren Sonnenhülle. Mit der Zeit verlangsamt unsere Sonne nämlich ihre Rotation von heute einer Umdrehung alle etwa 27 Tage auf eine Umdrehung pro einige tausend Jahre, wenn sie zum Roten Riesen wird. Das ist eine Folge ihrer gewaltigen Ausdehnung um das 250-Fache. Noch weiter abgebremst wird sie durch magnetische Effekte.

Wenn nun der traurige Überrest unseres Planeten nahe um die aufgeblähte Sonne kreist, erzeugt die irdische Gravitation eine Art Gezeitenberg – analog zur Flut, die unser Mond heute bei den Meeren verursacht. Die Sonne wird also geringfügig in Richtung Erde ausgebeult. Weil ihre konvektive Hülle aber aufgrund von inneren Reibungsprozessen der vorbeieilenden Erde immer etwas “nachhinkt”, verlangsamt der Gezeitenberg die Geschwindigkeit der Erde geringfügig. Durch diesen Verlust an Bewegungsenergie und Bahndrehimpuls schrumpft die Erdbahn mit jedem Sonnenumlauf etwas. Und diese Spirale des Todes infolge der “Gezeitenbremse” ist unaufhaltsam.

Die Menschheit und auch alle anderen Lebewesen auf der Erde werden dies aber nicht mehr erleben. Die letzten Mikroorganismen werden nach den neuesten Hochrechnungen in 1,2 bis 1,6 Milliarden Jahren aussterben. Die Menschheit existiert dann schon lange nicht mehr – wenn sie nicht vorher ausgewandert ist und eine neue Heimat bei anderen Sternen gefunden hat.

===Rüdiger Vaas: “Flammendes Finale” und “Die Letzten werden die Ersten sein” in: bild der wissenschaft 11/2007, S. 42 ff ddp/wissenschaft.de – ===Rüdiger Vaas
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