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Die Pille für den Affen

Erde|Umwelt

Die Pille für den Affen
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Jungtiere locken viele Besucher in den Zoo, doch oft gelten die Kleinen als "schwer vermittelbar". Bild: wikipedia.de
Viele Tiere, die in Gehegen gehalten werden, dürfen sich nicht unkontrolliert vermehren. Tierärzte geben die Anti-Baby-Pille ins Futter und spritzen Abtreibungsmittel, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Doch nicht alle Präparate, die beim Menschen sicher sind, werden auch von den Tieren vertragen. Raubkatzen beispielsweise bekommen von bestimmten Hormonpillen Krebs.

Jeder will sie sehen: Pandabären-Babys oder Elefantenkälbchen sind die Attraktion im Zoo. Drollig, putzig und goldig sind sie, und die ersten unbeholfenen Gehversuche der Kleinen und Raufereien mit älteren Kumpanen werden mit Begeisterung aufgenommen. Doch nicht immer ist der Nachwuchs auch beim Zooleiter erwünscht: Im Gehege bekommen Bären, Wölfe und Raubkatzen oft mehr Junge, als Platz vorhanden ist. Weltweit sind die Tiergärten gefüllt und viele Babys „schwer vermittelbar“, wie es unter Zooexperten heißt. Obendrein werden die erwachsenen Tiere aufgrund der guten Ernährung und der medizinischen Versorgung im Zwinger älter als in freier Wildbahn. Sie räumen den Käfig deshalb immer später für ihre Nachfolger.

In Anbetracht des tierischen Gedränges sehen viele Tierärzte nur einen Ausweg: Verhütung. Einigen Weibchen wird die Pille gegeben, anderen ein Hormonimplantat eingesetzt und wieder anderen ein Abtreibungsmittel gespritzt. Auch für Männchen gibt es mittlerweile Medikamente.

„Die Kontrazeption wird in deutschen Zoos breit angewendet. Es ist laut Tierschutzgesetz verboten, Jungtiere zu töten“, sagt die Reproduktionsbiologin Katarine Jewgenow vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Verhütung sei die Ausnahme, entgegnet Tierarzt Andreas Ochs vom Berliner Tiergarten: „Der Zoo ist in erster Linie für den Artenschutz da. Kontrazeption wird nur im Notfall angewendet.“ Gleichwohl berichtet er bereitwillig, dass derzeit mehrere Dutzend Makakendamen verhüten und zwei Nashörnern, einem Orang-Utan-Mischling und einer Löwin die Anti-Baby-Pille ins Futter gemischt wird.

Vor allem Tiere, die viel Raum für sich beanspruchen, wie große Raubkatzen, Elefanten, Nashörner und Bären dürfen sich nicht unkontrolliert vermehren. Affen und Wölfe sollen keinen Nachwuchs zeugen, weil sie die Jungtiere im Laufe der Zeit aus der Gruppe ausschließen würden.

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Aus diesem Grund tragen die Rotgesichtsmakaken im Berliner Zoo ein Progesteron-Stäbchen unter der Haut. Ein solches Implantat lassen sich auch manche Frauen in den Oberarm setzen, wenn sie nicht schwanger werden wollen. Das Hormon wird über drei Jahre hinweg aus dem Träger freigesetzt und verhindert zuverlässig den Eisprung. „Wir haben aber immer zwei bis drei Weibchen, die kein Implantat tragen, damit die Besucher auch Jungtiere zu Gesicht bekommen“, meint Ochs.

Nicht immer jedoch lassen sich die Verhütungsmittel der Menschen problemlos bei Tieren anwenden: Wildkatzen gab man jahrelang Gestagene ins Futter oder pflanzte ihnen ein entsprechendes Hormonstäbchen ein. Nach und nach häuften sich jedoch Berichte von Tierärzten, die bei Leoparden-, Jaguar- und Gepardendamen sowie Löwinnen Brust- und Eierstockkrebs feststellten. Amerikanische Pathologen meldeten in diesem Jahr, dass diese Tumoren hochgradig aggressiv sind. Die amerikanische Contraception Advisory Group, ein internationales Expertengremium für die Verhütung bei Zootieren, rät, die Medikamente höchstens zwei bis drei Jahre einzusetzen. Gleichzeitig hat die Gruppe ein Programm aufgelegt, um neue Verhütungsmethoden für die Raubkatzen zu entwickeln.

Auch Jewgenows Team sucht nach der optimalen Löwen-Pille: „Wir wollen einen Impfstoff auf Basis eines Antikörpers entwickeln, der sich spezifisch an bestimmte Eiweißstoffe heftet, die bei der Befruchtung eine Rolle spielen“, erläutert sie. Verschiedene Stoffe auf der Oberfläche von Eizellen hat ihre Gruppe bereits als Ziel für einen Impfstoff identifiziert. „Das ist eine sehr aufwendige Forschungsarbeit, die erst in vielen Jahren zu neuen Präparaten führen kann“, gibt die Reproduktionsbiologin zu bedenken.

Unterdessen werden für Raubkatzen einstweilen so genannte GnRH-Agonisten empfohlen. Diese hemmen die Ausschüttung der Geschlechtshormone aus der Hirnanhangdrüse. Frauen müssen diese Medikamente vor einer künstlichen Befruchtung schlucken, um einen vorzeitigen Eisprung zu unterdrücken. Bei den Raubtieren seien bisher keine Nebenwirkungen bekannt geworden, versichert Jewgenow. Auch Löwenmännchen bleiben kinderlos, wenn sie das Präparat bekommen. Allerdings fällt ihnen die Mähne aus. „Hier muss noch an einer besseren Lösung geforscht werden“, findet Jewgenow.

Bei anderen Tieren sei es wesentlich leichter, eine Schwangerschaft nebenwirkungsfrei zu verhindern. Zum Beispiel bei Bärinnen. Die Vierbeiner können sich nur einmal im Jahr, meist im Juni, paaren. Danach nistet sich die befruchtete Eizelle bis zum November in die Gebärmutter ein. Dies kann verhindert werden, indem die menschliche Abtreibungspille RU 486 gespritzt wird. Das IZW hat auf diese Weise bereits die Schwangerschaft von Brillen-, Braun- und Schwarzbären abgebrochen.

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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