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Mit Sprengungen und Wasser gegen Erdbeben

Erde|Umwelt

Mit Sprengungen und Wasser gegen Erdbeben
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Auch der Bergbau im Ruhrgebiet, hier exemplarisch der Fördertum am Bochumer Bergbaumuseum, hat zu Spannungen in der Erde geführt. Bild: Stahlkocher / Wikipedia
Der Mensch löst beim Bergbau oder der Ölförderung selbst Erdbeben aus. Verschiedene Techniken können die Stärke dieser Erschütterungen mindern. Sprengungen und das Einpressen von Flüssigkeiten sind bis heute als Gegenmaßnahme weit verbreitet. Dennoch hat es bisher niemand gewagt, gegen natürliche Erdbeben vorzugehen. Theoretisch wäre dies jedoch möglich, meinen Geowissenschaftler, warnen aber gleichzeitig vor zu großem Optimismus.

Ein gewaltiger Knall ließ die Menschen in Basel Mitte Januar nachts aufschrecken. Dem Lärm folgte ein schwaches, aber merkliches Zittern des Bodens. Dies war nur eines von mehreren kleinen Beben in der Region. Wasserinjektionen für ein Geothermieprojekt der Universität Basel hatten die Kaskade an Erschütterungen ausgelöst. Das erste Beben mit einer Stärke von 3,4 war bereits im vergangenen Dezember aufgetreten.

“Je mehr Nachbeben, umso besser für Basel!”, kommentierte der deutsche Bundesverband Geothermie die Ereignisse. Die Vielzahl kleiner Beben würde natürlich vorhandene Spannungen abbauen und damit einem großen Erdbeben entgegenwirken. “Je mehr dieser kleinen Erdstöße auftreten, die zu keinerlei Schäden führen, umso mehr wird das Risiko eines wirklichen Schadenbebens gemindert.” Der Schweizerische Erdbebendienst hält diese Theorie für blanken Unsinn: “Diese Behauptung ist falsch.” Weiter heißt es: Die bisher aufgetretenen Beben hätten bestenfalls lokal Spannungen abgebaut. Zur Verringerung der Erdbebengefährdung hätten sie jedoch nichts beigetragen. Wem darf man glauben? Kann der Mensch tatsächlich Erdbeben künstlich abschwächen?

Fakt ist, dass der Mensch bei verschiedenen Aktivitäten immer wieder selbst Erdbeben auslöst. Beim Bergbau im Saarland und im Ruhrgebiet wurden über Jahre hinweg große Mengen an Kohle gefördert. Dadurch werden die tiefen Gesteinsschichten entlastet, während das Deckgebirge seiner tragenden Säule beraubt wird. “Es kommt im ganzen Gebirge zu Spannungsumlagerungen”, erklärt Anton Sroka, Spezialist für Markscheidewesen von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Diese äußern sich in immer wiederkehrenden Erschütterungen.

Auch beim Anlegen von Stauseen und bei der Erdöl- oder Erdgasförderung werden solche Beben beobachtet. Laut US Geological Survey wurde das stärkste künstliche Beben mit einer Magnitude von 7,0 in Usbekistan bei der Gasförderung registriert. Beim Befüllen des Koya-Stausees in Indien schwankte die Erde mit einer Magnitude von 6,3. Es starben 180 Menschen.

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Meist blieb es auch nicht bei einem Ereignis, sondern die Erde erzitterte in der Folgezeit immer wieder. Um die Schäden zu verringern, wurde daher früh nach Gegenmaßnahmen gesucht. Im Saarland wurde beispielsweise Wasser in den Untergrund gepresst, um die unterirdischen Spannungen zu verringern. Die Flüssigkeit sollte den Staub aus der Luft untertage binden, gleichzeitig hofften die Betreiber, die Erschütterungen zu verringern. Denn das Wasser dringt in die Klüfte und vermindert die Reibung zwischen den verkanteten Gesteinsschichten. Diese rutschen in eine entspanntere Position, so dass sich die Kräfte nicht weiter aufschaukeln können. “Die Stärke der Beben konnte dadurch vermindert werden”, berichtet Horst Rüter, Geophysiker aus Dortmund und Vizepräsident des Bundesverbandes Geothermie.

Auch in polnischen Bergbauregionen wird laut Sroka immer wieder unterirdisch gebohrt und gesprengt, um die Erdschichten zu entspannen. “Die prophylaktischen Sprengungen funktionieren gut. Die Erschütterungen werden schwächer”, sagt er. Aber es habe bei den Sprengungen auch immer wieder einige Pannen gegeben, bei denen “die Möbel im 12. Stock der Hochhäuser auf dem Boden lagen”, wie er es beschreibt.

Der Aufbau des Untergrundes sei eben weniger bekannt als die Schichten einer Torte. So kann bei einer Sprengung eine vorhandene Spannung ungewollt verstärkt werden. Die Energie wird dann schlagartig freigesetzt – unter Umständen mit verheerenden Folgen.
“Theoretisch sollte es möglich sein, auch natürliche Beben mit solchen Methoden abzuschwächen. Praktisch stehen dem jedoch noch mehr Unwägbarkeiten im Weg”, so Sroka. “Wir wissen zu wenig über die tektonischen Kräfte und den Aufbau der Erdschichten. Damit könnte die Bekämpfung ein viel stärkeres Beben lostreten. Das wäre eine pure Katastrophe”, warnt er. Aus diesem Grund traut sich niemand, am San-Andreas-Graben in Kalifornien Wasser einzupressen oder Sprengungen durchzuführen, glaubt auch Rüter.

Noch eine weitere Schwierigkeit steht der Bekämpfung der Naturkatastrophen entgegen: Um die Wucht eines Erdbebens der Stärke sechs aus dem Boden zu nehmen, bräuchte es 30.000 Beben der Stärke drei. Nur so könnten Tote und allzu große Schäden vermieden werden. “Die Vielzahl harmloser Erdbeben, die nötig wären, erschwert in der Praxis den kontrollierten Abbau der Spannungen”, räumt Rüter ein.

Er geht jedoch davon aus, dass in den kommenden Jahren besser verstanden wird, wie eingepresstes Wasser die Spannungen im Untergrund abbaut. Die Europäische Kommission fördert entsprechende Projekte. Sroka sieht dies ähnlich: Wenn man eines Tages genauere Informationen über den Herd und den Zeitpunkt sowie die Stärke des natürlichen Beben hätte, wäre das für die Bekämpfung von Vorteil.

ddp/wissenschaft.de – Susanne Donner
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