Wer im Klimawandel Gutes sucht, der wird zunächst tatsächlich fündig: Der trockene Sommer 2003 etwa hat den Weinbauern einen besonders gehaltvollen Rebensaft beschert. Die Tourismusbetriebe an Ost- und Nordsee freuen sich auf steigende Besucherzahlen, da heißere und trockenere Sommer erwartet werden. „Die skandinavischen Länder rechnen sich Vorteile aus, weil sich die Vegetationsperiode verlängert und mehr Anbauflächen zur Verfügung stehen werden“, fügt Petra Mahrenholz vom Umweltbundesamt ein weiteres Beispiel an. Steigt der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre, könnte das das Wachstum der Pflanzen anregen, da das Treibhausgas wie Dünger wirkt.
Unbestritten stehen diesen positiven Effekten aber zahlreiche negative gegenüber. Vor allem sich häufende Extremereignisse wie Starkregen und Hitzeperioden bedrohen die Menschen und deren Hab und Gut. „In Mecklenburg-Vorpommern könnten die Niederschläge bis zum Ende dieses Jahrhunderts um etwa 30 Prozent zurückgehen“, nennt Mahrenholz eine bedrohliche Entwicklung. Die Erträge von Roggen, Weizen und Gerste würden dann um schätzungsweise 14 Prozent einbrechen. Die Kartoffel müsste Ölsaaten weichen, da die Knolle besonders sensibel auf Dürre reagiert. Und sogar der Düngeeffekt des Kohlendioxids wird zunichte gemacht, wenn die Pflanzen wegen Wassermangel vertrocknen. Nicht einmal der Weinjahrgang 2003 bringt den Winzern ungetrübte Freude: Aufgrund des hohen Zuckergehaltes verdirbt er rascher.
„Der Klimawandel hat Verlierer und Gewinner. Wie die Bilanz in Deutschland im Einzelnen aussieht, wissen wir noch nicht“, resümiert Mahrenholz. Dieser Klimafolgensaldo hängt auch von der künftigen Erderwärmung und damit vom Verhalten der Menschen ab. Werden immer mehr Treibhausgase ausgestoßen, wird der Klimawandel rascher voranschreiten und die Folgen werden gravierender sein. Bei einer klimaschonenden Lebensweise werden weniger Treibhausgase freigesetzt, der Klimawandel verlangsamt sich und die Folgen werden weniger drastisch ausfallen. „So viel lässt sich mit Gewissheit aus den Klimamodellen ableiten“, sagt Mahrenholz.
Dass die Folgen der Erderwärmung global betrachtet viel kosten werden, haben Ökonomen längst festgestellt. Noch vor Jahren waren die Klimaforscher allerdings der Ansicht, dass der reiche Norden die Treibhausgase verursacht und vor allem der arme Süden dafür die Zeche zahlt. Doch angesichts der Wetterkapriolen hierzulande muss dieses Bild verfeinert werden: „Die Bilanz lässt sich nicht so einfach ziehen“, kommentiert Gerhard Hartmuth, Umweltpsychologe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig-Halle und nennt ein Beispiel. „Wie viele Menschen bei einem Sturm von umfallenden Bäumen erschlagen werden, lässt sich vorher nicht abschätzen.“ Dass die Bahn beim jüngsten Orkan flächendeckend den Betrieb einstellen und ein Stahlträger aus dem neuen Berliner Hauptbahnhof gerissen werden würde, lag jenseits der Vorstellungskraft der Forscher. Der Schaden, den der Klimawandel lokal anrichten kann, ist quasi unberechenbar. Er ist zumindest noch schwerer abzuschätzen als der Klimawandel selbst, weil er von noch mehr Eventualitäten abhängt.
Für jeden Menschen steigt jedoch das Risiko, Opfer von negativen Klimafolgen zu werden. „Sogar jeder Sieger kann im nächsten Augenblick zum Verlierer werden“, sagt Hartmuth und bringt ein drastisches Beispiel: „Was nützt es, wenn wir dank der Klimaerwärmung in Schleswig-Holstein Wein anbauen können, wenn die Weinstöcke zweimal im Jahr vom Sturm niedergelegt werden?“
Dass einige Menschen diesem Risiko nicht ins Auge sehen wollen, erklärt sich der Umweltpsychologe so: „Dahinter steht letztlich die Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen wird. Außerdem kann man mit dieser Einstellung das klimaschädliche und bequeme eigene Verhalten rechtfertigen.“
Für die Politik ist diese Sichtweise indessen fatal: „Sie verhindert, dass etwas für den Klimaschutz getan wird. Mit dem Prinzip Hoffnung werden Maßnahmen vertagt und Kassandrarufe einfach vom Tisch gewischt“, warnt Mahrenholz. Für sie und Hartmuth gibt es deshalb nur eine Antwort für notorische Optimisten: Aufklärung. Wer sich über das Ausbleiben des Schneeschippens freut, den erinnern die Forscher an die Elbeflut von 2002 und an den Hitzesommer 2003 mit 7.000 Toten alleine in Deutschland.