Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Hautpflege zum Anziehen: Forscher entwickeln heilende Kleidung

Technik|Digitales

Hautpflege zum Anziehen: Forscher entwickeln heilende Kleidung
ohne_titel_1_kopie.jpg
Wissenschaftler arbeiten an Kleidungsstücken, die kontinuierlich Wirkstoffe an die Haut ihres Trägers abgeben. So können Hautkrankheiten behandelt und der Bildung lästiger Gerüche vorgebeugt werden. Ein spezielle Zuckermolekül dient dabei als Speicher, der immer wieder erneuert werden kann.

Arznei- und Pflegemittel gibt es in Form von Tabletten, Tropfen, Cremes und Sprays – und bald auch zum Anziehen. Wissenschaftler und Textilindustrie haben bei der Entwicklung pflegender und heilender High-Tech-Bekleidung in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Viele solcher „intelligenter“ Kleidungsstücke existieren deshalb nicht mehr nur als Idee oder Prototyp, sondern sind bereits auf dem Markt erhältlich, zum Beispiel ein T-Shirt eines japanischen Herstellers, das Vitamin C an die Haut abgibt.

Besonders die Verwendung der so genannten Cyclodextrine könnte diese Entwicklung noch weiter vorantreiben. Diese speziellen Zuckermoleküle lassen sich sehr fest mit Textilien verbinden. Sie können Pflegemittel und Medikamente speichern und an den Träger des Kleidungsstückes abgeben. Diese ringförmige Abbauprodukte der Stärke sind vollkommen ungiftig und lösen keine allergischen Reaktionen aus.

Das Besondere an den Cyclodextrinen ist, dass sich verschiedene Wirkstoffe in sie einbringen lassen, etwa Cortison oder Anti-Pilz-Mittel. Wie in einem Käfig werden diese Substanzen von diesen Molekülen eingeschlossen und nach und nach abgegeben. „Die Cyclodextrine geben diese Substanzen aber nur bei direktem Hautkontakt ab“, erklärt der Chemiker Hans-Jürgen Buschmann, Leiter einer Arbeitsgruppe im Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld. Deshalb funktioniert diese Technik nur bei eng anliegenden Kleidungsstücken, wie zum Beispiel Unterwäsche.

Durch den direkten Kontakt mit der Haut bieten sich diese Textilien besonders zur Therapie von Hautkrankheiten an. So könnten sie vor allem das Leben der rund fünf Millionen Neurodermitiker in Deutschland erheblich erleichtern. Aber auch andere Hautkrankheiten könnten mit solchen Kleidungsstücken bekämpft werden – vorausgesetzt, die Cyclodextrine sind mit den entsprechenden Wirkstoffen beladen. Der Handschuh für empfindliche Frisörhände scheint ebenso realisierbar zu sein wie Anti-Fußpilz-Socken. Es gibt viele Möglichkeiten, und der Bedarf ist vorhanden.

Anzeige

„Im Prinzip lässt sich jede Faserart mit dem Cyclodextrinen ausstatten“, erläutert Buschmann. Das Verfahren sei ähnlich wie beim Färben von Textilien: Die Zuckermoleküle verbinden sich auf chemischem Weg mit den Fasern. Da sie nicht selbst mit den Fasermaterialien reagieren, sind dafür reaktive Substanzen erforderlich. Spezielle Anforderungen an die Pflege stellen mit Cyclodextrinen ausgestattete Textilien nicht. Sie können mit gewöhnlichen Waschmitteln in der Maschine gewaschen, ja sogar gekocht werden.

Außerdem sind sie gegen UV-Licht und Körperflüssigkeiten wie Schweiß, Urin und Blut beständig. Anders sieht das mit dem Inhalt dieser Moleküle aus. „Bei jeder Wäsche gehen die Substanzen in den Cyclodextrinen verloren“, erläutert Buschmann. Sie lassen sich aber einfach wieder auffüllen, zum Beispiel indem sie mit dem entsprechenden Stoff besprüht werden.

Die Tatsache, dass die Cyclodextrine nachfüllbar sind, unterscheidet sie von anderen Verfahren, bei denen Textilien mit pflegenden Substanzen versehen werden. Bereits im Handel erhältliche Blusen und Dessous mit Aleo Vera und auch das Vitamin-C abgebende T-Shirt verlieren ihre Wirkung zum Beispiel schon nach etwa 30 Waschgängen. Leere Cyclodextrine können auch Stoffe aus der Umwelt aufnehmen und bis zur nächsten Wäsche festhalten. Auf dem Markt gibt es schon Kleidungsstücke, bei denen Cyclodextrine Schweiß und üble Gerüche binden sollen.

Der Herrenausstatter Brinkmann aus Herford bietet zum Beispiel einen Anzug an, der immer frisch riecht. Selbst, wenn dessen Besitzer die ganze Nacht in der Kneipe hängt, können es ihm seine Kollegen dank der Cyclodextrine nicht „anriechen“. Dieser Anzug ist bereits im Handel erhältlich. Kleidungsstücke mit Cyclodextrinen, die der Hautpflege und -regeneration dienen, werden ihm wohl bald folgen.

Bei Hautpflegemitteln komme es auch nicht so genau auf die Dosierung an, sagt Buschmann. Bei Medikamenten gegen viele Krankheiten ist dies aber anders. Die Cyclodextrine müssten solche Wirkstoffe also in genau festgelegter Menge freisetzen. Bisher ist es Wissenschaftlern noch nicht gelungen, dieses Dosierungsproblem zu lösen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit die „Therapie zum Anziehen“ gegen solche Krankheiten geben wird. Aber noch aus einem weiteren Grund, ist die Chance, dass solche heilenden Textilien bald in unseren Kleiderschränken hängen werden, gering: Laut Buschmann müsste jedes dieser Kleidungsstücke erst arzneimittelrechtlich zugelassen werden. Das sei eine teure und aufwändige Prozedur.

ddp/wissenschaft.de – Sonja Huhndorf
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Po|ly|neu|ri|tis  〈f.; –, –ti|den〉 in mehreren Nervengebilden zugleich auftretende Nervenentzündung

♦ Gas|trek|to|mie  〈f. 19; Med.〉 operative Entfernung des Magens [<grch. gaster … mehr

all|ge|mein  〈a. [′–––] Adj.〉 1 grundsätzlich 2 überall (verbreitet, bekannt) … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige