Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Fundsache Beagle 2

Astronomie|Physik Geschichte|Archäologie Technik|Digitales

Fundsache Beagle 2
Vor über einem Jahrzehnt ist die erste und einzige europäische Mars-Sonde auf dem Roten Planeten verschollen. Nun wurde Beagle 2 von einem Hobby-Forscher wieder aufgespürt.

Im Jahr 2003 war noch manches anders. In London wohnte der smarte Tony Blair in der Downing Street 10, und Saddam Hussein regierte den Irak mit eiserner Faust. Im Dezember zogen US-Soldaten den gestürzten Diktator dann aus einem Erdbunker. Kaum weniger turbulent ging es am Himmel zu: Mars stand der Erde ungewöhnlich nahe, weltweit freuten sich Sternfreunde und Astronomen über besonders gute Bilder. Mehrere Raumsonden eilten dem Planeten entgegen.

Zu Weihnachten aber herrschte großer Frust bei den europäischen Mars-Forschern: Am 25. Dezember um 3.45 Uhr MEZ sollte Beagle 2 weich auf dem Nachbarplaneten aufsetzen. Sechs Tage zuvor war das Landegefährt von seinem Mutterschiff Mars Express abgekoppelt worden. Die Express-Sonde ist bis heute der einzige Vorstoß der Europäischen Weltraumbehörde ESA zum Roten Planeten. Während sie ein großer Erfolg wurde, war Beagle ein Fiasko: Alle Kontaktversuche blieben vergebens, ebenso wie wochenlange Suchaktionen mehrerer Mars- Sonden. Der Lander blieb verschollen.

„Seitdem habe ich mich jedes Weihachten gefragt, was damals mit Beagle 2 geschah“, sagt Mark Sims von der Universität Leicester. Sims war von Anfang an eine treibende Kraft hinter dem britisch geführten Beagle-Projekt und fungierte als dessen Chefmanager. Doch das Rätselraten hörte nicht auf. „Ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben.“

So dürfte es den meisten Experten gegangen sein. Doch nun konnte auf Fotos des Mars Reconnaissance Orbiters (MRO) der NASA das kleine Landegerät identifiziert werden. Die Bilder zeigen, dass die Landung von Beagle 2 besser verlaufen war als vermutet.

Anzeige

Der spektakuläre Fund gelang Michael Croon, der bis 2012 an der Darmstädter Kontrollwarte der ESA gearbeitet hatte. Er war dort Mitglied des Teams für die Flugdynamik der interplanetaren Missionen. Inzwischen arbeitet Croon in Luxemburg beim globalen Satellitenbetreiber SES.

Kalkuliertes Risiko

Croon ist überzeugt: „Beagle 2 wurde damals zu Unrecht als Flop verunglimpft. Es war eine vergleichsweise preiswerte Mission – und für Europa war es der erste Versuch, die Mars-Oberfläche zu erreichen. Da konnten nicht alle kritischen Systeme doppelt und dreifach an Bord sein. Das gaben weder das verfügbare Gewicht noch der Finanzrahmen her. Absichtlich wurden deshalb mehr Risiken eingegangen als sonst üblich.“ Tatsächlich hatte die kleine Beagle-Fähre nur ein Landegewicht von 33 Kilogramm und wurde für rund 100 Millionen Euro realisiert. Das war deutlich günstiger als der Kometen-Lander Philae, der mehr als 200 Millionen Euro kostete.

Michael Croon durchforstete die öffentlich im Internet zugänglichen MRO-Fotos. An Bord dieses NASA-Satelliten umkreist die Kamera HiRISE (High Resolution Imaging Science Experiment) den Mars. Von ihr stammen die am besten aufgelösten Bilder des Marsbodens. Doch die Suche war nicht Teil von Croons beruflicher Tätigkeit, sondern sein persönliches Freizeit-Projekt. „Alles zusammen habe ich etwa einen ganzen Arbeitsmonat investiert, also 170 bis 200 Stunden“, erklärt der Raumfahrtingenieur. Da er die akribische Bildanalyse immer wieder unterbrechen musste, dauerte das ganze Projekt knapp ein Jahr.

Seine Fleißarbeit war schließlich von Erfolg gekrönt: Auf zwei Fotos spürte Croon jeweils an derselben Stelle ein auffälliges Objekt auf, nur fünf Kilometer entfernt vom Zentrum der Beagle-Landeellipse. Das erste Foto stammt vom Februar 2013, das zweite vom Juni 2014. Für die zweite Aufnahme hatte sich Croon direkt an das HiRISE-Team gewandt, um eine Lücke bei der fotografischen Abdeckung in der Landeellipse zu schließen. „So etwas kann jeder über die HiRISE-Website machen, er muss nur eine schlüssige Begründung anfügen.“

Auch auf einem dritten Bild vom vergangenen November ist Beagle zu erkennen. Croon hatte es ebenfalls auf der HiRISE-Website beantragt. Weitere auffällige Spuren in der Umgebung der Fundstelle könnten die Airbags sein, die den Landeaufprall der Sonde dämpfen sollten, und der vordere Hitzeschild. Größe, Form, Farbe und räumliche Verteilung passen genau zu der verschollenen Sonde und den Komponenten des Landesystems.

Viele Vermisste

Der Fund ist ein Triumph der „Citizen Science“ – der Beteiligung von Laien an der modernen Forschung –, auch wenn das Kamerateam des MRO, das Beagle-2-Team und Experten vom Jet Propulsion Laboratory der NASA beteiligt waren. Man darf nun gespannt sein, ob das Beispiel Schule macht. Denn der Polar Lander der NASA, dem es 1999 ähnlich erging wie Beagle 2, ist immer noch verschollen. Vermisst werden außerdem Mars 2 und Mars 6, zwei sowjetische Missionen der 1970er-Jahre. Wer wird diese Mars-Lander aufspüren?

Die Bilder von Beagle offenbaren, dass er sich nach der Landung zumindest teilweise entfaltet hat. Genaue Aussagen sind zwar noch nicht möglich, aber zwei oder drei der vier kreisförmigen Sonnenkollektorscheiben sind offenbar ausgeklappt. Auch der Hauptfallschirm wurde unweit der Landestelle ausgemacht. Ebenfalls in der Umgebung fanden sich Hinweise auf die hintere Abdeckung der Sonde mit dem daran befestigten Hilfsfallschirm.

Die nur teilweise Entfaltung des Landers erklärt, warum keine Signale von Beagle 2 aufgefangen wurden: Nur beim vollständigen Aufklappen aller Solarpaneele ist die Funkantenne soweit freigelegt, dass sie Daten senden und Kommandos von der Erde empfangen kann. Da dies nicht der Fall ist, besteht auch keine Chance, Beagle zu reaktivieren.

Trotzdem ist die Genugtuung groß: „Ich bin begeistert“, freut sich Lutz Richter. Er war 2003 für den Bohrer zuständig, mit dem Beagle seine Bodenproben nehmen sollte. Der Ingenieur arbeitet zurzeit am Probenverteilsystem für den ersten europäischen Mars-Rover namens ExoMars, dessen Start ab 2018 erfolgen könnte.

Auch Richter betont, dass Beagles Manöverabfolge – Eintritt in die Mars-Atmosphäre, Abstieg zur Oberfläche und Bodenkontakt – offenbar einwandfrei geklappt hat. Dieses kritische Manöver will die ESA aber 2016 lieber noch einmal testen. Dann soll ein „ Lande-Demonstrator“ auf dem Mars abgesetzt werden, der vor Jahren beschlossen wurde, als Beagle 2 noch als Totalverlust galt.

Ähnlich wie einst Beagle 2 soll der Demonstrator Huckepack zum Mars reisen – mit dem Satelliten Trace Gas Orbiter, der die Spurengase in der Mars-Luft erkunden wird. „Wie sich gezeigt hat, haben wir die Landetechnik schon 2003 beherrscht“, sagt Richter zufrieden. So schlecht war die ESA-Mission also gar nicht. •

von Thorsten Dambeck

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Bi|to|na|li|tät  〈f. 20; unz.; Mus.〉 gleichzeitiges Verwenden zweier Tonarten, häufigste Form der Polytonalität

Neu|zu|las|sung  〈f. 20; Kfz〉 I 〈unz.〉 das Zulassen eines neuen Kraftfahrzeuges II 〈zählb.〉 für den Straßenverkehr neu zugelassenes Kraftfahrzeug … mehr

Ab|le|ger  〈m. 3〉 1 〈Bot.〉 Pflanzenteil zur vegetativen Vermehrung; Sy Senker ( … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige