Das Buch des bekannten Entwicklungsbiologen Gerhard Roth (Koautorin Nicole Strüber) hat mich staunen lassen, wie viele Details über die seelische Funktionalität des 1500 Gramm schweren Menschengehirns man weiß. Akribisch beschreiben und belegen die beiden Wissenschaftler, wo und in welcher Ebene des Gehirns sich welche Prozesse abspielen, welche Rolle dabei Hormone und andere körpereigene Wirkstoffe spielen und welche Erkrankungen der Seele sich daraus ableiten lassen.
Die zweite zentrale Botschaft des Buches ist für mich die frühkindliche Disposition von vielen später ausbrechenden massiven psychischen Erkrankungen. „Dies bedeutetet“, so das Autorenteam, „dass negative Einflüsse während dieser Periode je nach Schweregrad später nur noch in geringem Umfang kompensiert werden können.“
An vielen Stellen setzen sich Roth und Strüber kritisch mit dem dualistischen Weltbild auseinander, das Geist/Seele und Naturgeschehen als zwei wesensverschiedene Prinzipien ansieht. Doch sie bauen immer wieder Brücken, etwa um einseitig geisteswissenschaftlich geprägte Psychoanalytiker zum wohlwollenden Nachdenken über die Erkenntnisse der Neurowissenschaftler zu animieren.
Allerdings hat mich die Zahl der Fachbegriffe strapaziert, die manchmal allein in einem einzigen Satz fallen. An solchen Stellen musste ich mich zwingen, weiterzulesen und nicht in den nächsten Abschnitt zu springen. Wolfgang Hess
Gerhard Roth, Nicole Strüber WIE DAS GEHIRN DIE SEELE MACHT Klett-Cotta, Stuttgart 2014, 425 S, € 22,95 ISBN 978–3–608–94805–9 E-Book für € 17,99, ISBN 978–3–608–10750–0