Die Idee des Xan-Bieres stammt ursprünglich aus der medizinischen Forschung. In Zellkulturversuchen erwies sich einer der Inhaltsstoffe des Hopfens, das Xanthohumol, als besonders wirksam. „Unter 2.000 verschiedenen Proben bestimmter Heilpflanzen, Moose, Nahrungsmittel und weiterer Naturstoffe fiel das Xanthohumol in allen Laborversuchen positiv auf. Es wirkt unter anderem entzündungshemmend, entgiftend und kann gesundheitsschädliche Radikale abfangen“, berichtet Clarissa Gerhäuser vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Es gibt Hinweise, dass der Hopfenbestandteil auch Osteoporose und Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen kann und den Malaria-Erreger bekämpft.
Doch nicht diese Eigenschaften machen Xanthohumol einzigartig, denn auch andere Pflanzenstoffe glänzen mit gesundheitsfördernden Effekten. Das eigentlich Herausragende am Xanthohumol ist, dass die Substanz im Reagenzglas sehr effektiv die Krebsentstehung in allen Phasen ihrer Entwicklung bekämpft, wie Gerhäuser erläutert. Auch der amerikanische Forscher Cristobal Miranda von der Oregon State University fand, dass Xanthohumol im Labor das Wachstum menschlicher Brust-, Eierstock- und Dickdarmkrebszellen innerhalb von vier Tagen stoppen kann.
„All dies waren jedoch Zellkulturversuche, im menschlichen Körper kann die Sache wieder ganz anders aussehen“, warnt Gerhäuser vor voreiligen Hoffnungen. Mittlerweile hat sie jedoch weitere Hinweise auf einen gesundheitsfördernden Effekt gefunden: Wie die Forscherin im Frühjahr auf einem Kongress in den USA berichtete, hat Xanthohumol auch in Mäusen eine krebshemmende Wirkung.
Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan ist unterdessen schon einen Schritt weiter. Sie hat im vergangenen halben Jahr bereits rund tausend Hektoliter des von ihnen Xan-Bier getauften Getränks gebraut. „Das Xan-Bier enthält dank einer neuen Brautechnik besonders viel Xanthohumol, zehn- bis dreißigmal mehr als gewöhnliches Bier“, sagt Back, Professor für Lebensmitteltechnologie an der Universität Weihenstephan. In Minimal- und HL-Märkten sowie in Gastronomiebetrieben im süddeutschen Raum ist das Bier seit Mai bereits zu kaufen. Allerdings ist es rund 80 Prozent teurer als übliche Biere. „Das liegt daran, dass wir mehr Hopfen verwenden und die Technologie aufwändiger ist“, erklärt Back.
Herkömmliche Biere enthalten mit kläglichen 0,1 Milligramm je Liter sehr geringe Mengen an Xanthohumol, da vor und während des Brauprozesses der Stoff ausgedünnt wird. „Spätestens bei der Filtration ist alles weg,“ so Back. Daher passte Backs Team den Brauprozess so an, dass sich das Xanthohumol auf natürliche Weise im Bier anreichert. „Wir wollten die Substanz nicht künstlich zusetzen, da ein solches Verfahren nicht dem deutschen Reinheitsgebot entsprechen würde“, schildert der Forscher. Dafür werden spezielle Hopfenprodukte und Hefestämme verwendet, die mehrfach den Xan-Brauprozess durchlaufen haben. Während des Brauens wird der Hopfen erst spät zugegeben, und die Bierwürze sehr rasch abgekühlt. Die Weihenstephaner stellen mit der neuen Brautechnik ein trübes Weißbier und ein Biermischgetränk mit einem Zusatz an Fruchtsäften her, die ein bis vier Milligramm Xanthohumol pro Liter enthalten.
Soweit bislang bekannt scheint die Substanz auch in erheblich höheren Dosen gesundheitlich unbedenklich zu sein. Selbst bei Ratten, die vier Wochen lang täglich 1000 Milligramm Xanthohumol je Kilogramm Körpergewicht mit dem Futter aufgenommen haben, sind keine akuten Gesundheitsschäden aufgefallen. Allerdings schätzt Gerhäuser: „Die Mengen an Xanthohumol im Xan-Bier sind wahrscheinlich zu gering, um einen gesundheitsfördernden biologischen Effekt zu erzielen.“ Um das zu klären, werden nun mit dem Xan-Bier Untersuchungen an Ratten durchgeführt. „Mit der derzeitigen Technologie könnte die Konzentration an Xanthohumol im Bier aber auch erheblich gesteigert werden“, entgegnet Back.
Sollte das Xanthohumol halten, was es verspricht, dann könnte es möglicherweise auch als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt kommen und vielleicht in mehreren Jahren sogar als Medikament zur Krebsvorbeugung eingesetzt werden. Solche Zukunftsszenarien mag Gerhäuser zur Zeit nicht ausschließen.