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Mathematik der Krankheit: Wie Wissenschaftler heute die Ausbreitung von Epidemien berechnen können

Geschichte|Archäologie

Mathematik der Krankheit: Wie Wissenschaftler heute die Ausbreitung von Epidemien berechnen können
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Die meisten Krankheiten können sich heute so schnell ausbreiten wie nie zuvor. Um so wichtiger ist es, eine drohende Epidemie früh zu erkennen und zu begrenzen. Biomathematiker können inzwischen vorhersagen, wie viele Menschen angesteckt werden und wie rasch sich ein Leiden ausbreiten wird. Insbesondere für Aids, Malaria und das West-Nil-Virus zeigt der Blick in die nahe Zukunft wenig Erfreuliches.

Krankheiten haben beim Menschen heute ein leichtes Spiel. „Wir leben auf engstem Raum in Städten. Überbevölkerung, intensive Reiseaktivität, unzureichende Kanalisationen, Beeinträchtigungen der Umwelt und vieles mehr sorgen dafür, dass sich Erkrankungen schneller ausbreiten“, erklärt Philippe Rossignol von der Staatsuniversität Oregon in Corvallis. Zwar gilt die medizinische Versorgung in den Industrienationen als gesichert und die große Seuchen der Menschheit sind heute passé. Dennoch halten sich manche Krankheiten hartnäckig, teils weil eine wirksame Behandlungsmöglichkeit fehlt. Auch entstehen immer wieder neue virulente Erreger, wie SARS gezeigt hat. In diesen Fällen kann es lebensrettend sein, wenn halbwegs verlässliche Vorhersagen über die Ausbreitung einer Epidemie getroffen werden können. Genau das tun heute Biomathematiker mit ihren Rechenmodellen.

„Anhand von Modellen kann man heute vorhersagen, dass sich bestimmte Krankheiten, zum Beispiel die Pocken, beim heutigen Stand der Medizin ausrotten lassen“, erläutert Klaus Hadeler, Professor für Biomathematik der Universität Tübingen. Dagegen ist zu erwarten, dass etwa die Tuberkulose nie völlig verschwinden wird. Solche Vorhersagen lassen sich inzwischen für einige Jahre mit ausreichender Genauigkeit abgeben. „Zum Beispiel können wir für Polio oder Kinderlähmung abschätzen, dass mindestens 80 Prozent der Menschen geimpft werden müssen, um die Bevölkerung ausreichend zu schützen“, berichtet Hadeler. Sowohl die WHO als auch die amerikanische Krankheitskontrollbehörde setzen auf entsprechende Rechenmodelle, um frühzeitig der Entstehung einer Epidemie entgegenzuwirken.

Hadelers Forschungsgebiet zeigt, wie weitreichend und bedeutsam solche Schätzungen sein können: „Bei HIV dachte man anfangs längere Zeit, dass die Krankheit sich auf gewisse städtische soziale Gruppen beschränken würde und weite Teile der Bevölkerung verschont bleiben würden.“ Und das, obwohl schon in den achtziger Jahren bekannt war, dass HIV sowohl bei sexuellen Kontakten als auch über das Blut übertragen wird.

„In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1988 konnten wir anhand erster Schätzungen bereits zeigen, dass sich eine Durchseuchungsrate von bis zu 50 Prozent ergeben würde, wenn nicht präventive Maßnahmen greifen“, legt Hadeler gegenüber der Nachrichtenagentur ddp dar. Damals glaubte ihm niemand. Heute ist in Botswana eine Infektionsrate von etwa 35 Prozent erreicht – mit noch steigender Tendenz.

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Ohne effektive Aufklärung und Vorbeugung befürchtet Hadeler für weitere Länder, insbesondere für Asien, einen deutlichen Anstieg. In Europa erwartet er eine schleichende Zunahme, da ständig neue Fälle eingeschleppt würden. „So lange es keinen Impfschutz gegen HIV gibt, ist es ausgeschlossen, dass sich die Krankheit weltweit völlig bannen lässt“, so der Wissenschaftler.

Schwieriger wird die Vorhersage von Krankheiten, wenn die Ausbreitung von vielen Faktoren abhängt, die sich ständig ändern. Dazu gehören Malaria und der West-Nil-Virus, die beide über Tiere auf den Menschen übertragen werden. Die Krankheiten dringen mit der Klimaerwärmung, der Reiseaktivität und mit Gütertransporten derzeit in neue Länder vor.

Insbesondere für weite Teile Asiens befürchtet Rossignol eine Rückkehr der Malaria. Auch in Deutschland sei im Zuge der Klimaerwärmung mit lokalen Ausbrüchen von Malaria zu rechnen, wie es in einem Bericht des Umweltbundesamtes heißt. Bis vor einem halben Jahrhundert gab es hierzulande bisweilen Malaria-Epidemien, zum Beispiel im Emsland. Vor allem mit der Trockenlegung der Moore verschwand die Krankheit dann. Mit dem Klimawandel rechnet man nun mit einer Rückkehr.

Leichter als Malaria werde allerdings das West-Nil-Virus auf dem europäischen Kontinent Fuß fassen, sagt Rossignol. Das Virus wird von Vögeln über Mückenstiche auf den Menschen übertragen. Im vergangenen Jahr erbrachte eine Untersuchung an britischen Hühnern, Enten und Krähen, dass mittlerweile mehr als die Hälfte unter ihnen den Erreger trägt. Die Krankheit kann bei Kleinkindern und immunschwachen Menschen lebensbedrohlich sein. In den USA fordert sie inzwischen einige hundert Tote jährlich.

ddp/bdw – Susanne Donner
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