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Wie Ziegenmilch Bypass-Patienten das Leben retten kann

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Wie Ziegenmilch Bypass-Patienten das Leben retten kann
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Die ersten Medikamente aus transgenen Säugetieren werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Ziegen, Schafe oder Kühe stellen dabei mithilfe eingeschleuster fremder Gene Milch mit seltenen und extrem teuren Wirkstoffen für Medikamente her. Die Entwicklung des so genannten Pharmings war zwar von einigen Rückschlägen gezeichnet, doch Experten sehen darin eine wichtige Zukunftstechnologie.

Es ist die teuerste Milch der Welt: Ein verschütteter Eimer käme dem Verlust von mehreren hundert bis tausend Euro gleich. Die Milch kommt jedoch von keinem gewöhnlichen Bauernhof. Sie stammt von genetisch veränderten Ziegen, Schafen, Kühen, Schweinen, Mäusen oder Kaninchen, die mit ihrer Milch auch Wirkstoffe für Medikamente liefern – Substanzen, die sich anders kaum oder gar nicht herstellen lassen.

Längst hat sich für die Herstellung von Medizin in Tieren ein eigener Begriff eingebürgert: Pharming – eine Wortverschmelzung aus „Pharmazie“ und dem englischen Ausdruck „Farming“. Solche transgenen Tiere werden erzeugt, indem fremde Gene in das Erbgut des Tieres eingeschleust werden. Diese Gene enthalten die biochemische Information, die die Milchzellen des Tieres für die Herstellung des jeweiligen Wirkstoffs brauchen.

Bei der Herstellung eines transgenen Tieres werden die fremden Gene zunächst in so genannte somatische Zellen eingebracht, zum Beispiel in Hautzellen, erläutert der Pharming-Forscher Professor Heiner Niemann vom Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mariensee bei Hannover: „So kann man noch in der Zellkultur prüfen, ob der Einbau des Genmaterials erfolgreich war“. Die manipulierte Zelle wird dann in eine entkernte Eizelle gegeben, aus der sich in allen Fällen ein transgenes Tier entwickelt.

Bislang ließ der große Durchbruch des Pharming auf sich warten. Einzelne Rückschläge trübten gar die Erfolgsaussichten. Doch das amerikanische Unternehmen GTC Biotherapeutics wird noch in diesem Jahr die klinischen Studien für ein Medikament aus transgenen Ziegen abschließen. Im kommenden Jahr will die Firma in Europa die Zulassung für den Wirkstoff Antithrombin beantragen.

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Das Medikament hemmt die Blutgerinnung und könnte etwa einem Schlaganfall oder Herzinfarkt vorbeugen. Es wird aber bislang nur bei Bypassoperationen an Patienten eingesetzt, die auf ein gängiges Medikament nicht ansprechen. Der Stoff entspricht einem menschlichen Eiweiß und lässt sich nur mit der Milch transgener Tiere gewinnen. Zwölf Ziegen würden ausreichen, um weltweit alle Patienten mit Antithrombin zu versorgen.

GTC Biotherapeutics arbeitet derzeit insgesamt an zwölf Projekten für verschiedene Medikamente aus Ziegen und Kühen. Daneben entwickelt auch das niederländische Unternehmen Pharming B. V. in Leiden Medizin aus transgenen Tieren. Bislang sind weltweit mehr als fünfzig verschiedene Eiweiße in der Milch, dem Blut oder dem Gewebe von Tieren hergestellt worden.

„In zwanzig Jahren werden eine Reihe von Produkten aus transgenen Tieren auf dem Markt sein, die bis dahin überhaupt nicht verfügbar waren“, schätzt Niemann. Das Pharming hat vor allem bei Medikamenten Chancen, die sehr komplex aufgebaute Eiweiße sind und sich nicht ohne weiteres in Zellkulturen, Bakterien oder auf chemischem Weg aufbauen lassen. „In der Milchdrüse der Tiere werden auf natürliche Weise bereits große Mengen an Eiweißen produziert, da kommt es auf ein Eiweiß mehr oder weniger nicht an“, erklärt Niemann.

Mit jedem Melken kann der wertvolle Stoff gewonnen werden. Allerdings genügt es nicht, die Milch zu trinken. Der Wirkstoff muss mit aufwändigen Verfahren aus der Milch gefischt werden. Denn er muss so rein sein, dass er beispielsweise ins Blut gespritzt werden kann. Diese Reinigung ist neben dem Aufbau einer transgenen Viehherde der schwierigste Schritt beim Pharming. Bei Medikamenten für seltene Krankheiten können deshalb Aufwand und Nutzen in einem ungleichen Verhältnis stehen.

Ein Beispiel: Das transgene Schaf Tracy von der schottischen Firma PPL Therapeutics stellte mit jedem Liter Milch 30 Gramm eines Medikamentes gegen die erbliche Lungenkrankheit Mukoviszidose her. Auf keinem anderen Weg ist es möglich, so große Mengen des Medikaments zu gewinnen. Doch die auf 42 Millionen Pfund geschätzten Kosten für die Reinigungsanlage und das langwierige Zulassungsverfahren schreckte die Investoren ab. Das Projekt Tracy ist eingestellt.

Solche Schwierigkeiten haben die eine oder andere Entwicklung im Bereich des Pharming verzögert oder gar gestoppt. Jahre können vergehen, bis eine Herde aus weiblichen Tieren aufgebaut ist, die ausreichend Milch mit dem gewünschten Eiweiß geben. So wartet auch Niemanns Forschergruppe derzeit auf das Heranwachsen ihrer transgenen Schafe.

Susanne Donner
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