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Die Intelligenz der Menschheit – eine Wahl der Frauen?

Geschichte|Archäologie

Die Intelligenz der Menschheit – eine Wahl der Frauen?
Verdanken wir Leonardo da Vincis Meisterwerke und andere Höchstleistungen menschlichen Geistes den Frauen? Indizien dafür liefern Genetiker der Universität Ulm, die damit die umstrittene Theorie des amerikanischen Evolutionsbiologen Geoffrey Miller unterstützen. Er glaubt, dass die Frauen im Lauf der Evolution immer wieder eine kluge Entscheidung trafen und bei der Auswahl ihrer Männer den hellen Kopf dem tumben Muskelmann vorzogen. So konnten wir uns vom affenartigen Wesen zum intelligenten Menschen entwickeln.

Die urzeitlichen Männer, denen eine genetische Veränderung zu einem besseren Gehirn verhalf, nutzten ihre geistigen Fähigkeiten, um den Frauen zu imponieren – so wie der Pfau mit seinem bunten Federkleid, führt Miller in seinem Buch “The Mating Mind” (“Die sexuelle Evolution. Partnerwahl und die Entstehung des Geistes”) aus. Was sich heute in Gestalt kunstvoller Rapsongs niederschlagen mag, hatte damals vermutlich eine andere Form. Jedenfalls sprach es die Frauen an und gab den schlaueren Männern den entscheidenden Vorteil bei der sexuellen Auslese. Millers kühne Theorie haben die Ulmer Wissenschaftler um Horst Hameister und Ulrich Zechner genetisch untermauert. Sie glauben, dass intelligenzfördernde Veränderungen auf dem X-Chromosom – jenem Chromosom, das über unser Geschlecht bestimmt – die Evolution des Geistes vorantrieben. Jeder Mensch hat 23 Chromosomenpaare und nur das dreiundzwanzigste bestimmt über sein Geschlecht: Bei der Frau tritt das X-Chromosom mit einem zweiten X-Chromosom auf, beim Mann hingegen ist das X-Chromosom mit dem viel kleineren Y-Chromosom gepaart. Dadurch tritt bei der Frau jede Erbanlage in zweifacher Kopie auf, während beim Mann die Erbanlagen auf dem X-Chromosom nur in einfacher Ausfertigung vorkommen. Dadurch schlagen Veränderungen auf dem X-Chromosom bei Männern viel deutlicher zu Buche als bei Frauen – im guten wie im schlechten Sinne. Denn wenn sich bei Frauen eine Erbanlage auf einem X-Chromosom verändert, wird diese Mutation durch die normale Erbanlage auf dem zweiten X-Chromosom in der Regel wieder abgeschwächt. Bei Männern hingegen fehlt diese Korrektur. Kam es nun bei einem unserer Vorfahren auf dem X-Chromosom zu einer Mutation, die der Intelligenz zuträglich war, konnte diese sich bei Männern daher besonders gut durchsetzen. Die Frauen zogen die daraus resultierenden geistreichen Schlauköpfe ihren dümmeren Geschlechtsgenossen vor und zeugten mit ihnen Nachwuchs. So verleibten sie die Erbanlage dem genetischen Repertoire des Menschen ein. In den nächsten Generationen profitierten dann auch die Frauen von der neuen Erbanlage. Wenn sich die Intelligenz tatsächlich so entwickelt hat, sollten besonders viele Gene für die geistigen Fähigkeiten auf dem besagten X-Chromosom liegen. Die Ulmer Forscher Horst Hameister und seine Kollegen sind dieser Frage auf ungewöhnliche Weise nachgegangen (“Trends in Genetics”, Band 17, Seite 697):

Da umstritten ist, was Intelligenzgene überhaupt sind, suchten sie nach Erbanlagen, deren Mutationen mit geistiger Behinderung einhergehen. Ihre Annahme: In ihrer normalen Gestalt sollten diese Erbanlagen für die Ausprägung der Intelligenz eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler durchforsteten einen Katalog der menschlichen Erbanlagen und genetisch bedingten Krankheiten und fanden fast tausend solcher Gene. Und tatsächlich: Ein unverhältnismäßig großer Anteil der Gene fand sich auf dem X-Chromosom. Auch ältere Befunde aus der Intelligenzforschung legen nahe, dass viele Erbanlagen für geistige Fähigkeiten auf dem X-Chromosom liegen. Der mittlere Intelligenzquotient von Männern und Frauen ist zwar gleich – der Mann aber neigt mehr zu Extremen. Es gibt mehr hochbegabte Männer als hochbegabte Frauen, gleichzeitig aber leiden mehr Männer an einer geistigen Behinderung. Dies lässt sich wieder damit erklären, dass sich beim Mann Mutationen auf dem X-Chromosom stärker auswirken. Die Ergebnisse der deutschen Wissenschaftler erweiterten diesen Befund und stützen damit Millers Thesen. Diese Ansicht wird nicht von allen Wissenschaftlern geteilt, wie die britische Fachzeitschrift “New Scientist” (Ausgabe vom 25. Mai) berichtet. Laut David Houle von der Universität in Tallahassee können auch andere Theorien erklären, weshalb sich mehr Gene für Intelligenz auf dem X-Chromosom befinden. Beispielsweise könnte ein größeres Gehirn dem Menschen ermöglicht haben, Werkzeuge herzustellen oder gegen seine Artgenossen zu intrigieren. Wenn ihm diese Fähigkeiten einen hohen Überlebensvorteil verschafften, müssten sich die entsprechenden Gene ebenfalls eher auf dem X-Chromosom wiederfinden, weil sie sich dort schneller durchsetzen konnten – auch ohne die kluge Auswahl der Frauen. Dieses Argument stellt für Hameister keinen Widerspruch dar. Erneut verweist er auf die Genetik: Gute geistige Fähigkeiten hingen auch mit einer Reihe anderer Eigenschaften zusammen, die bei der natürlichen Auslese von Vorteil seien – zum Beispiel mit einer höheren Potenz, erläutert er gegenüber der Nachrichtenagentur ddp. Wir verwendeten zwar über die Hälfte unserer Gene für die Entwicklung unseres Gehirns. Doch die meisten Gene seien gleichzeitig auch für viele andere körperliche Eigenschaften verantwortlich. Gute geistige Fähigkeiten würden somit vermutlich auf eine insgesamt gute Kombination der Gene hinweisen. So ist die Wahl der Frauen vielleicht noch einfacher gewesen: Sie wählten nicht nur den schlauesten, sondern auch den gesündesten und potentesten Partner.

ddp/bdw – Florian Sander
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