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Winziger Singvogel mit Riesenroute

Erde|Umwelt

Winziger Singvogel mit Riesenroute
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Blackpoll Warbler (Setophaga striata) mit GPS-Sensor (Vermont Center for EcoStudies)
Klein, aber oho: Ein nur zwölf Gramm wiegender Singvogel bringt eine erstaunliche Flugleistung zustande. Er legt in jedem Herbst gut 2.500 Kilometer fast nur über dem Ozean zurück – und das in nur zwei bis drei Tagen, wie Biologen nun herausgefunden haben. Der kleine Verwandte unserer Grasmücken fliegt einmal den Atlantik von Kanada bis nach Südamerika hinunter und macht dabei nur in der Karibik kurz Rast. Er hat damit eine der ungewöhnlichsten Routen unter den Zugvögeln. Warum der Singvogel diese gefährliche Strecke wählt und noch dazu im Nonstopflug, ist bisher rätselhaft.

Normalerweise wählen Zugvögel auf ihrem Flug ins Winterquartier die sicheren Routen: Wenn es beispielsweise von Europa nach Afrika geht, fliegen die meisten Vögel nicht quer über das Mittelmeer, sondern entscheiden sich lieber für einen Umweg mit weniger ausgedehnten Wasserflächen – meist geht es über Gibraltar oder über den Balkan. Doch schon gut 50 Jahren rätseln Biologen über die Route der in Nordamerika heimischen Grasmückenart Setophaga striata. Bekannt war, dass diese nur zwölf Gramm wiegenden Winzlinge die Sommer in Kanada und den USA verbringen und ihre Winter in Südamerika. Aber einiges deutete darauf hin, dass diese Singvögel für ihren Zug nicht die typische Route über Land dafür wählten.  „Man hat immer wieder Vögel beobachtet, die auf Schiffen im Atlantik landeten“, berichtet Studienleiter Ryan Norris von der University of Guelph in Ontario. „Radarstudien vor der Spitze von Nova Scotia zeigten zudem diese Vögel, wie sie direkt nach Süden flogen.“ Doch das würde bedeuten, dass sie nicht über Land nach Süden ziehen, sondern eine direkte Route über den Atlantik wählen – streckenweise parallel zur Küste, aber immer über Wasser.

Minirucksäcke mit GPS-Sendern

Um zu überprüfen, ob diese ungewöhnliche Route tatsächlich stimmen konnte, rüsteten Norris, William DeLuca von der University of Massachusetts in Amherst und ihre Kollegen 40 dieser Grasmücken vor ihren Flug ins Winterquartier mit winzigen GPS-Sensoren aus. Die nur 0,5 Gramm wiegenden Päckchen wurden den Vögeln mit einem Spezialgeschirr auf den Rücken geschnallt. Um das Zusatzgewicht für die kleinen Singvögel möglichst gering zu halten, verzichteten die Forscher auf eine Sendevorrichtung. Die Sensoren zeichneten die Bewegungen der Vögel nur auf und mussten dann im folgenden Frühjahr wieder geborgen werden – keine einfache Aufgabe für die Forscher. Aber immerhin fünf der Vögel konnten sie mitsamt ihrer Geolokatoren wiederfinden und so deren Reisedaten auswerten.

Das Ergebnis war erstaunlich: „Als wir die Geolokatoren auslasen, sahen wir, dass die Reise der Grasmücken tatsächlich direkt über den Atlantik führte“, berichtet DeLuca. „Die zurückgelegten Distanzen lagen dabei zwischen 2.270 und 2.770 Kilometern.“ Die Route über eine so lange Meeresstrecke ist für einen Singvogel extrem ungewöhnlich und für einen Waldbewohner wie diese Grasmücke erst recht, wie die Forscher betonen. Denn zu einer Wasserlandung sind die kleinen Sänger nicht in der Lage. Machen sie unterwegs schlapp, haben sie keine Chance und ertrinken. Für diese enorme Strecke benötigten die winzigen Vögel zudem nur zwei bis drei Tage, die sie nonstop fliegend zurücklegten. Erst auf den Großen Antillen, auf Kuba und an der Küste von Puerto Rico machten sie das erste Mal Rast, um dann das kurze Reststück bis nach Venezuela und Kolumbien zurückzulegen, wie die Forscher berichten.

Grund für Gewalttour noch rätselhaft

„Dies ist damit eine der längsten Nonstop-Überwasserflüge, die je für einen Singvogel dokumentiert worden sind“, sagt DeLuca. „Unsere Daten bestätigen nun endlich, dass dieser Vogel eine der außergewöhnlichsten Zugleistungen auf diesem Planeten zustande bringt.“ Um diese gewaltige Kraftanstrengung zu bewältigen, fressen sich die Grasmücken im Spätsommer dicke Fettpolster an. „Sie essen dafür so viel wie möglich und verdoppeln ihre Fettreserven in vielen Fällen sogar“, erklärt Norris. „Dadurch können sie so lange fliegen, ohne fressen oder trinken zu müssen.“ Der Preis ist aber hoch: Die Biologen schätzen, dass nur rund die Hälfte der Vögel im Frühjahr von dieser Gewalttour wiederkehrt. „Es ist eine flieg oder stirb-Reise“, so Norris.

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Warum diese Grasmücken diesen riskanten Nonstop-Flug nach Süden auf sich nehmen statt die sichereren Überland-Route zu wählen, bleibt unklar. Seltsam auch: Auf ihrer Rückreise nach Nordamerika nutzen die Singvögel eine ganz normale Route: Sie fliegen über die karibischen Inseln und Florida und dann über Land entlang der Ostküste bis zu ihren Brutgebieten. Dabei lassen sie sich mehr als zwei Wochen Zeit. Warum sie es nur auf dem Hinweg so eilig haben, erscheint daher umso rätselhafter.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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