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Prothesen, so beweglich wie natürliche Glieder

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Prothesen, so beweglich wie natürliche Glieder
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Prothesen sollen nicht mehr hölzern und schwer verlorene Gliedmaßen ersetzen, sondern fast so beweglich sein wie natürliche Arme, Beine und Hände. Selbst Prothesen für Kinderhände wurden von Ingenieuren, Ärzten und Biologen in der so genannten „prothetischen Bionik“ entwickelt. Als nächstes wollen die Forscher die Prothesen direkt mit dem Gehirn verbinden.

Vor zwanzig Jahren diagnostizierten Ärzte bei dem Schotten Campell Aird Krebs im Arm. Bei dem Versuch, das Leben des Hoteliers zu retten, hatten die Mediziner keine Wahl: Sie mussten den Arm amputieren. Als Ersatz erhielt Aird eine unbewegliche Prothese, die mehr der Optik diente, als ihm wirklich zu helfen. Sechzehn Jahre musste er mit dem hölzernen Arm leben, dann änderte sich seine Situation grundlegend: Aird bekam den weltweit ersten „bionischen“ Arm – eine Prothese, die sich mit Hilfe zahlreicher Motoren und Zahnräder ähnlich bewegen lässt wie ein richtiger Arm.

Aird war einer der ersten Nutznießer der so genannten „prothetischen Bionik“, die versucht das Vorbild der Natur technisch nachzuahmen. Vor zwei Jahrzehnten noch reine Fiktion, hat dieser Forschungszweig mittlerweile beachtliche Erfolge vorzuweisen, berichtet das Magazin „Science“ in einer Schwerpunktausgabe zu dem Thema.

Selbst vor einer der größten Herausforderungen der Bionik – künstliche Hände für Kinder – sind die Forscher nicht zurückgeschreckt. Das Vorhaben erinnert an die Quadratur eines Kreises: Für Kinderhände müssen die Batterien und Motoren der Prothesen sehr klein ausfallen und trotzdem sollen die Hände stark und beweglich sein.

Zu den Pionieren dieses Vorhabens gehört der englische Biomechaniker David Gow, der auch den neuen Arm für Aird entwickelt hat. Airds Arm wird noch über Schalter gesteuert und besitzt daher nicht die Beweglichkeit, die sich Gow für seine kleinen Patienten wünscht: Die Prothesen, die dem Forscher vorschweben, sollten wie ihre natürlichen Vorbilder möglichst direkt von Impulsen des Gehirns kontrolliert werden.

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Am Stadtkrankenhaus Nottingham arbeitet der Forscher dazu mit einer Gruppe Kindern zusammen, denen ein Teil der Hand fehlt. Das jüngste Mitglied der Gruppe ist gerade einmal zwei Jahre alt ist. Je jünger, um so besser, meint Gow. Der Forscher ist überzeugt, dass diejenigen am geschicktesten im Umgang mit bionischen Prothesen werden, die mit dem künstlichen Arm oder Bein aufwachsen, als wäre es ein natürlicher Teil des Körpers.

Doch wie sollen die Impulse des Gehirns die Prothese erreichen? Gow und seine Kollegen kamen schließlich auf einen naheliegenden Gedanken: Die Signale könnten einen „Umweg“ über den Unterarm nehmen. Will etwa ein Kind mit seiner künstlichen Hand ein Eis halten, geht ein Signal vom Gehirn an die Muskeln im Unterarm. Elektroden erkennen die Erregungsmuster der Muskeln und leiten die Signale weiter an die neue Hand. Dort werden sie schließlich von Motoren in Bewegungen der künstlichen Finger umgesetzt.

Es brauchte viel Übung, bis die neuen Finger auf diese Weise den Befehlen des Gehirns folgen und ein Kind zum Beispiel ein Eis sicher umschließen konnte, ohne die Eistüte zu locker zu fassen oder zu zerdrücken. Die Forscher waren verwundert, wie sicher schließlich die kleinen Patienten die künstlichen Handteile steuern konnten. Offenbar kommt den Kindern zugute, dass ihr Gehirn noch sehr anpassungsfähig ist und sich daher schnell an die hoch technisierte Prothese gewöhnen kann. Aber auch ältere Kinder hatten keine größeren Probleme mit den neuen Gliedmaßen. Das konnten die Forscher an dem elfjährigen Jeremy beobachten, dem ältesten Teilnehmer bei den Nottingham-Versuchen.

Als Jeremy auf die Welt kam, hatte er nur eine halbe linke Hand. Nachdem er sich an seine neue Teilprothese gewöhnt hatte, war er begeistert: „Mit der neuen Hand kann ich eine Menge Sachen machen. Zum Beispiel kann ich jetzt mit beiden Händen basteln. Früher konnte ich das Papier und die Schere nicht gleichzeitig festhalten“, erklärte er gegenüber seinen Ärzten. Die neuen bionischen Hände eignen sich allerdings nicht für den Hotelier Aird: Ihm fehlt ein ganzer Arm und damit auch die Muskeln, die Impulse vom Gehirn an die Hand weitergeben könnten. Aber auch Aird kann auf Folgemodelle seiner Prothese hoffen, die ebenfalls von Gehirnimpulsen gesteuert werden. Zu den Forschern, die daran arbeiten, gehört der Amerikaner William Craelius von der Rutgers-Universität in New Jersey.

Craelius und sein Team wollen die Impulse zur Steuerung einer Prothese direkt vom Gehirn ableiten. Sie entwickeln dazu Gehirn-Computer-Schnittstellen, die elektrische Impulse des Gehirns nicht mehr über den Umweg der Muskeln wahrnehmen. Doch bis die Schnittstellen funktionieren sind nach Einschätzung der Forscher noch viele Jahre Forschungsarbeit nötig.

ddp/bdw – Nicole Waschke
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