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Die Chemie des Weihnachtsmenüs – Forscher vertreibt Mythen aus der Küche

Erde|Umwelt

Die Chemie des Weihnachtsmenüs – Forscher vertreibt Mythen aus der Küche
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In Kochrezepten entdeckt der Hobbykoch immer wieder mysteriöse Anleitungen wie „Geben Sie unter ständigem Rühren nach und nach je zwei Eigelb zur Käsesoße.“ Warum paarweise? Und wieso nicht alle auf einmal, wenn man es eilig hat? Solche Fragen stellte sich der französische Forscher Hervé This, als er die Anleitung für ein Roquefort-Soufflé in einer Frauenzeitschrift las. Seitdem ist der Chemiker und Feinschmecker dem Aberglauben in der Küche auf der Spur und sucht wissenschaftliche Erklärungen für bewährte Kochtechniken.

Das Weihnachtsmenü ist für This eine besondere wissenschaftliche Herausforderung. Der Molekulargastronom sucht nach den besten Methoden für einen saftigen, zarten und aromatischen Festtagsbraten. Zudem dürfen gesunde Beilagen nicht fehlen. So empfiehlt die Amerikanische Chemische Gesellschaft Preiselbeersoße zum Braten. Substanzen in der roten Beere entschärfen aggressive Sauerstoffmoleküle, die beim „Verbrennen“ der Nahrung entstehen. Dadurch schützt die Beilage den Körper nach dem üppigen Mahl. Zum Nachtisch schlägt die Gesellschaft Brombeer- oder Himbeerkuchen vor. Die Beeren senken den Cholesterinspiegel im Blut und schützen so vor einem Herzinfarkt. Doch schon die Zubereitung des Bratens ist eine Kunst. Die berühmteste Irrlehre auf dem Gebiet stammt vom deutschen Chemiker Justus von Liebig. Der Forscher verkündete Mitte des 19. Jahrhunderts, dass man Fleisch scharf anbraten müsse, um die Poren zu schließen und so den Saft zurückzuhalten. Diese Erklärung sei falsch, sagte This dem Wissenschaftsmagazin „Bild der Wissenschaft“. „Wenn Sie ein gebratenes Steak auf den Teller legen, sammelt sich sofort eine kleine Saftlache“, schildert der Forscher. Diese einfache Beobachtung zeige, dass beim Anbraten keine wasserundurchlässige Kruste entsteht.

Das scharfe Anbraten der Weihnachtsgans ist dennoch wichtig für einen schmackhaften Braten. Bei Temperaturen über 140 Grad gehen die Membranen der Muskelzellen an der Oberfläche kaputt. Auf diese Weise verbinden sich die im Fleisch enthaltenen Zuckermoleküle mit Eiweißen zur leckeren braunen Kruste. Nebenbei spalten sich zahlreiche flüchtige Aromastoffe ab, die dem Braten den typischen Geschmack geben. Diese so genannte Maillard-Reaktion – benannt nach ihrem Entdecker, dem französischen Biochemiker Louis-Camille Maillard – ist für das Kochen und Backen äußerst wichtig. Das Prinzip steckt etwa auch hinter dem unwiderstehlichen Duft von frisch gebackenen Brötchen. Die knusprige braune Kruste bildet sich bei trockener Luft besonders schnell. Wer den Truthahn lieber etwas heller möchte, sollte ihn daher mit einer Folie bedecken, rät die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Sara Risch. Dadurch erhöht sich die Luftfeuchtigkeit, und die Geschwindigkeit der Maillard-Reaktion nimmt ab. Aus diesem Grund werden auch Nahrungsmittel in der Mikrowelle nicht braun: Die Luft ist zu feucht. Die Garzeit des Bratens sollte man möglichst kurz halten, schreibt This in seinem Buch „Rätsel der Kochkunst – Naturwissenschaftlich erklärt“. Dadurch bleibt das Fleisch saftig. Zu früh dürfe man die Gans aber auch nicht aus dem Ofen nehmen. Die Eiweiße des Bindegewebes, die das Fleisch zäh machen, lösen sich erst nach längerer Zeit auf, erklärt This. Bei Temperaturen von mindestens siebzig Grad zerfällt das Eiweiß-Geflecht aus Kollagenfasern dann in gut essbare Gelatine-Moleküle. Diese durchziehen das Fleisch mit einem dichten Netz, dass die Flüssigkeit zurückhält: Der Braten wird saftig und „zergeht auf der Zunge“.

Diesen Prozess beschleunigt der Molekulargastronom mit Kollagen-zersetzenden Säften aus Papaya, Ananas und Feigen. Schon die Ureinwohner Mexikos wickelten deshalb ihr Fleisch in Papayablätter ein. Doch die Marinaden und Obstsäfte dringen nur langsam in das Bindegewebe ein. This hilft mit dem „Mediziner-Trick“ nach: Er spritzt mit einer Injektionsnadel Ananassaft direkt in das Innere der Weihnachtsgans.

Mit seinen biochemischen und physikalischen Methoden hat This schon manches traditionelle Rezept verbessert. So schlägt er bei der Zubereitung von Mayonnaise alle Profis. Diese können mit einem Eigelb rund einen Liter Mayonnaise herstellen. This macht aus einem Ei die 20-fache Menge. Er fand heraus, dass der Ei-Bestandteil Lezithin viel mehr Wasser binden kann als bisher angenommen und streckt deshalb seine Mayonnaise mit Flüssigkeit. Hinter sein erstes Rätsel jedoch ist der Forscher noch nicht gekommen: das Roquefort-Soufflé. In mehreren Versuchen hat er das Rezept überprüft und kam immer wieder zum Schluss, dass die ursprünglichen Anleitungen das beste Soufflé liefern. Doch der tiefere Sinn hinter den mysteriösen Angaben ist ihm bis heute verborgen geblieben. Buchtipps: Hervé This Rätsel der Kochkunst – Naturwissenschaftlich erklärt Piper 1998 DM 17,90 Peter Barham The Science of Cooking Springer-Verlag 2001 DM 74,77 (nur auf englisch erhältlich, Kochen aus der Sicht eines Physikers)

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