In Bayern etwa ist das Anisbrot eine Spezialität. Seine Rezeptur entwickelten bereits die Griechen im klassischen Altertum. Anisbrezeln und die süddeutschen Springerle sind weitere beliebten Weihnachtsleckereien, die wohltuend auf den Körper wirken: Das ätherische Öl entkrampft den Magen und die Darmwände. Da das aromatisch-frische Gewürz in der Volksmedizin als Aphrodisiakum verwendet wurde, verfeinert es heute noch in vielen Gegenden den Hochzeitskuchen. Auch als Tee hat Anis eine medizinische Bedeutung: Es löst Husten und mindert Krämpfe.
Weihnachten ist eine Zeit des Schlemmens und der Gaumenfreuden. Bei der Verdauung des Festbratens helfen fast alle Weihnachtsgewürze. Sie regen die Magensaftproduktion und die Darmtätigkeit an. Im Lebkuchengewürz finden sich gleich zwei Klassiker unter den Magenmitteln: Kardamom und Gewürznelken. Kardamom ist eine alte Kulturpflanze Indiens und war im Mittelalter wie viele andere Gewürze ein wichtiges Handelsgut. Die Inder kauen es, um ihren Magen zu unterstützen. Außerdem vertreibt das Gewürz wirkungsvoll Knoblauch- und Alkoholfahnen.
Die Gewürznelken kannten die Chinesen bereits dreihundert Jahre vor unserer Zeitrechnung. Heute verwenden Mediziner das Nelkenöl zur Anregung der Verdauung und als Desinfektionsmittel in der Zahnheilkunde, schreibt Ruth Genuneit vom Institut Dr.Flad auf ihrer Homepage. Zudem kann eine Nelke an der richtigen Stelle Zahnschmerzen lindern.
Viele Weihnachtsgewürze wirken verdauungsfördernd und gleichzeitig appetitanregend wie beispielsweise Zimt. Der Genuss von mit Zimt gewürzten Plätzchen oder Glühwein führt zu einem angenehmen leichten Wärmegefühl im Bauch. Außerdem können seine Wirkstoffe Wunden desinfizieren und Schmerzen lindern.
Der Chinazimt, das so genannte Kassia, wird in China seit über viertausend Jahren genutzt und zählt damit zu den ältesten Gewürzen der Welt, sagt Genuneit. Das Aroma seiner ätherischen Öle löst wie der Duft von Gewürznelken wohlige Empfindungen aus. Es wirkt beruhigend und ausgleichend.
Auch die Muskatnuss in Lebkuchen und Pfeffernüssen hebt die Stimmung und „öffnet das Herz der Menschen“, wie im Mittelalter die Heilkundige Hildegard von Bingen bemerkte. Die Araber verwendeten die geriebenen Samenkerne oder die zerkleinerten Blüten des Muskatbaums als Aphrodisiakum. In geringen Mengen hat das Gewürz eine ähnliche Wirkung wie Amphetamine: Es macht glücklich. In höheren Konzentrationen führt es jedoch zu Halluzinationen wie LSD oder Ecstasy. Der Muskatrausch kann sogar tödliche Folgen haben: Schon drei Muskatnüsse führen zum Herzstillstand. Ursprünglich stammt der Muskatbaum von den Molukken den Gewürzinseln südlich der Philippinen, berichtet Brigitte Zimmer in den Infoblättern über „Weihnachtliche Gewürze“, die der Botanische Garten und das Botanische Museum in Berlin-Dahlem herausgibt.
In Skandinavien haben fast alle Weihnachtsleckereien den charakteristischen Ingwergeschmack, erklärt Müller-Groenewald. Dieses Gewürz verwendeten die Chinesen und Inder bereits vor über dreitausend Jahren in ihren Gerichten, um die Verdauung zu fördern. Die seefahrenden Nationen nutzten Ingwerwurzeln, um die Seekrankheit zu bekämpfen. Auch heute noch wird es in pulverisierter Form gegen Übelkeit auf Reisen eingesetzt.
Die in Plätzchen und Glühwein vertretenen Weihnachtsgewürze finden eine weitere, völlig „unweihnachtliche“ Anwendung in einem der bekanntesten Getränke der Welt. Cola enthält neben Koffein und Zucker Gewürzauszüge von Ingwer, Zimt, Koriander, Nelken, Vanillin und Muskat. Vielleicht ist es ja die Kombination der heilenden Gewürze, die das Getränk so erfolgreich gemacht haben.
Buchtipp: „Kochen und genießen: Weihnachtsbäckerei – Verführerische Rezepte für die schönste Zeit des Jahres“, 21,42 Mark, 191 Seiten, Pabel/Moewig-Verlag, Rastatt, September 2001, ISBN 3811817175