20 Prozent aller Arztbesuche würden durch eHealth überflüssig. Das ist das Fazit einer Studie des Beratungsunternehmens PricewaterHouseCoopers. Noch ist das Zukunftsmusik. Denn hierzulande sind wir von einer Revolution im Gesundheitswesen, wie sie Rolf Engelbrecht von der Europäischen Gesellschaft für Medizininformatik am Horizont heraufziehen sieht, noch entfernt. „Gut 10 Prozent der Internet-Nutzer nutzen derzeit regelmäßig medizinische Websites“, sagt Frank Miltner. Mit dem Chefredakteur des Gesundheitsportals NetDoktor.de können Sie am 6. Dezember 2000 via DeutschlandRadio Berlin sprechen oder per Internet chatten. Mehr dazu hier.
Warum Internet statt Arzt?
Zu kurze Arztgespräche, zu wenig Information durch den Arzt, das waren die Gründe für ein Viertel der Besucher von NetDoktor.de, sich dort durch die umfangreichen Datenbanken zu surfen. Am häufigsten besuchen offenbar Patienten mit chronischen Erkrankungen die Medizin-Sites, so eine Studie von Gunther Eysenbach, Leiter der Forschungsgruppe Cyber-Medizin und eHealth an der Universität in Heidelberg. Sie wollen sich online mit Leidensgenossen austauschen oder neue medizinische Entwicklungen aufspüren. Viele Ärzte freuen sich über den „mündigen“ Patienten der Zukunft. Denn mehr Information, so meinen sie, würde das Arzt-Patienten-Verhältnis und auch den Therapie-Erfolg verbessern.
Die 4 C's der eHealth-Seiten Auf den medizinischen Websites finden die Surfer nicht nur Infos und News (Content, wie es in neudeutsch heißt), sondern drei weitereC’s: Community (Kommunikationsnetzwerke, etwa Foren zu bestimmten Krankheiten), Commerce (Gesundheits-Shopping) und Care (ärztliche Beratung übers Internet).
Online-Diagnosen verbotenEine ärztliche Beratung allerdings ist in Deutschland per Gesetz verboten. Cyberdocs dürfen weder diagnostizieren, noch therapieren oder Medikamente verordnen. NetDoktor-Redakteur Miltner sieht daher die Aufgabe der Gesundheitsportale in „der Selbsthilfe, derPrävention und der Nachsorge von Krankheiten.“ Online-Beratung sieht man in anderen Ländern lockerer. In Kanada beispielsweise können sich registrierte Patienten über eSalveo bei ihren Hausärzten Diagnosen übers Internet stellen lassen. Vielleicht werden die gesetzlichen Regelungen aber bald gelockert. Die Krankenkassen wären daran interessiert, denn sie glauben, dass die Internet-Medizin erheblich zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen könnte. Ferndiagnose und Fernüberwachung könnte bei bestimmten Patienten durchaus sinnvoll sein kann. Zwei Beispiele dafür sind das Trainingsprojekt gegen Atemnot für asthmakranke Kinder von Asthmazentrum Berchtesgaden und Jugendliche und das Teddy-Projekt. Hier werden junge Diabetiker vom Krankenhaus Bogenhausen in München per Internet ärztlich überwacht und beraten. Wie die Internet-Medizin auch bei uns einmal aussehen könnte, zeigt das Angebot des finnischen virtuellen Krankenhauses AtuLine. Gegen Aufnahmegebühr und Honorar können registrierte Patienten ärztliche Diagnosen einholen. Die virtuelle Klinik engagierte zu diesem Zweck ganz reale Ärzte verschiedener Nationalitäten, die online diagnostizieren und therapieren.
Seriöse Angebote erkennen
Von konkreten Therapieanfragen rät Gunther Eysenbach derzeit aber generell noch ab. Aus eigener schlechter Erfahrung. Er hatte sich als schwerkranken Patienten ausgegeben und verschiedene Cyberdocs um Rat gefragt. Aber statt den Kranken sofort zum Arzt zu schicken, schlugen ihm manche „Doktoren“ abstruse Behandlungen vor, etwa Regenwasser zu trinken. Aus dieser Erfahrung entwickelte Eysenbach Tips für Patienten und Mediziner, wie man Scharlatane und unseriöse Angebote entlarven kann.
Sicherheit von PatientendatenBedenklich stimmt, dass die Sicherheit von Patientendaten oft nur mangelhaft geschützt sind, wie eine Umfrage von der Unternehmensberatung Mummert + Partner ergab. Das zeigt auch die Praxis. In den USA hatten dritte Parteien Zugang zu den Daten von Patienten, wie in dem “ Report on the Privacy Policies and Practices of Health Web Sites“ vom Januar 2000 nachzulesen war.
Meinung gefragt
Soll es in Zukunft erlaubt sein soll, Medikamente und Pflegedienste über das Internet zu vertreiben?
Karin Hollricher
Foto: Hollricher