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Zukunftspreis für neuartige Lungendiagnostik? Magnetresonanz-Tomographie für Diagnostik der Lunge fit gemacht

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Zukunftspreis für neuartige Lungendiagnostik? Magnetresonanz-Tomographie für Diagnostik der Lunge fit gemacht
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Vier Kandidaten gibt es für den Zukunftspreis, den der Bundespräsident am 19. Okober auf der Expo in Hannover verleihen wird. Als Medienpartner des Zukunftspreises präsentiert bild der wissenschaft die vier Preisverdächtigen Erfindungen. Letzte Woche haben wir Ihnen die Entwicklung der schnellsten Papiermaschine der Welt vorgestellt. Diese Woche erfahren sie mehr über eine neuartige Methode der Lungendiagnostik mittels Magnetresonanz-Tomographie.

Zur Diagnose von Lungenerkrankungen werden in deutschen Kliniken und Praxen jedes Jahr rund 21 Millionen Röntgenaufnahmen angefertigt. Die Aufnahmen besitzen jedoch wenig Kontrast und die Röntgenstrahlen belasten den Körper. Ärzte setzen bei der Untersuchung des menschlichen Körpers deshalb seit Jahren auf weniger belastende Methoden, wie die Magnetresonanz-Tomographie (MRT). Bei der MRT wird der Körper nicht mit Strahlen durchleuchtet, sondern einem starken Magnetfeld ausgesetzt. Dieses regt Wasserstoffatome des Körpers dazu an, ein Signal auszusenden, das vom Tomographen aufgefangen und in dreidimensionale Bilder des Körpers umgesetzt wird. Die Auswertung erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand des untersuchten Stoffes. Bei der Lunge brachte dieses Verfahren bisher jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Viele Erkrankungen, die mit einer Störung der Atmung einhergehen, wie beispielsweise Asthma oder ein Emphysem, lassen sich aufgrund der geringen Dichte des Lungengewebes im Kernspintomographen nicht präzise genug abbilden. Zudem werden Bestandteile wie Sauerstoff und Stickstoff vom Tomographen nicht erfasst. Gerade dies wäre jedoch in der Diagnostik der Lunge wünschenswert. Wissenschaftler versuchen daher, die Bilder der Lunge zu verbessern, indem sie die Patienten ungefährliche Gase als Kontrastmittel einatmen lassen. Besonders vielversprechend scheinen polarisierte Edelgase zu sein. Tests zeigten, dass sich die Funktion und Belüftung der Lunge damit detailliert darstellen lässt. Die im Vergleich zum Wasserstoff bessere Magnetisierung der polarisierten Edelgase erleichtert dem Tomographen die Arbeit. Auf diese Weise wollen Mediziner nicht nur Asthma, Mukoviszidose und andere Lungenerkrankungen eher bemerken, sondern auch die Wirksamkeit von Therapien überprüfen.

In Deutschland schufen die beiden Physiker Ernst Wilhelm Otten und Werner Heil vom Institut für Physik der Universität Mainz die Grundlagen für das neue Verfahren. 1998 erhielten sie dafür den Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft. Jetzt zählen sie zu den Anwärtern auf den Deutschen Zukunftspreis 2000, mit dem seit 1997 jährlich hervorragende Leistungen in Wissenschaft und Technik ausgezeichnet werden.

Anders als ihre Kollegen von der amerikanischen Princeton University und der State University of New York in Stony Brook, die 1994 mit Hilfe des polarisierten Edelgases Xenon-129 erstmals ein Tomogramm einer präparierten Mäuselunge erstellten, wählten Otten und Heil das Isotop Helium-3 als Kontrastmittel für ihre Versuche. Xenon eignete sich aus ihrer Sicht nicht so gut, da es narkotisierend wirkt und vom Blut der Patienten aufgenommen wird.

Die beiden Wissenschaftler arbeiteten zusammen mit Forschern des Laboratoire Kastler Brossel in Paris bereits seit den 80er Jahren daran, polarisiertes Helium-3 herzustellen, um den Aufbau von Kernteilchen zu untersuchen. Durch eine Variante des sogenannten optischen Pumpens gelang es ihnen, größere Mengen von polarisiertem Helium-3 zu erzeugen und die Polarisation über Tage hinweg aufrecht zu erhalten. Ziel der Versuche war ursprünglich die Grundlagenforschung. Auf die Möglichkeit einer medizinischen Anwendung stießen Otten und Heil erst nach der Lektüre eines Artikels in der Zeitschrift „Nature“, in dem die Experimente der Forscher aus Princeton und Stony Brook publik gemacht wurden.

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Mit dem Mainzer Radiologen Manfred Thelen und Experten des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg gelang es Otten und Heil schließlich durch die Kombination von Kernspintomographie und polarisiertem Helium-3 als Kontrastmittel, die exakte Luftverteilung in der Lunge darzustellen. Die neue Methode ist so präzise, dass sich im Experiment bei einer 30-jährigen Versuchsperson, bereits die Anzeichen für ein späteres Lungenemphysem feststellen ließen. Und das, obwohl die Person zwar rauchte, aber ansonsten kerngesund war und keinerlei Beschwerden mit der Lunge verspürte.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Instituts für Physik, sowie der Kliniken für Radiologie und Anästhesie an der Universität Mainz wurden inzwischen mehrere Varianten des Verfahrens entwickelt. Mittels einer neuentwickelten Gas-Applikationseinheit kann eine genau festgelegte Menge polarisiertes Helium-3 in den Atemstrom von Patienten injiziert, innerhalb der Atemwege verfolgt und im Zehntelsekundenrhythmus auf Film festgehalten werden. Weitere Varianten ermöglichen die Bestimmung des Sauerstoffgehalts und -verbrauchs der Lunge und lassen zerstörte oder krankhaft veränderte Lungenbläschen erkennen. Da die Apparaturen zur Polarisation des Gases derzeit noch zu aufwendig sind, als dass Kliniken sie sich anschaffen könnten, planen Otten und Heil eine zentrale Verteilungsstation für polarisiertes Helium-3. Das Gas soll dort in großen Mengen produziert und an Krankenhäuser ausgeliefert werden. Der Transport selbst bereitet den Forschern noch Kopfzerbrechen. Die sogenannte „Relaxionszeit“ – die Zeitspanne bis die Polarisation von Helium-3 auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Polarisation zerfällt – betrug anfangs nur eine Stunde. Inzwischen konnte sie in Glasbehältern mit einer Spezial-Beschichtung auf 11,5 Tage gesteigert werden.

Wissenschaftler in England und den USA gehen einen anderen Weg. Sie haben ein Gerät entwickelt, mit dem sich polarisiertes Helium-3 direkt vor Ort in Kliniken produzieren lässt. Die Apparatur wird bisher aber nur zu Forschungszwecken eingesetzt. Probleme könnte künftig auch noch die Verfügbarkeit von Helium machen. Das Edelgas kommt in der Natur selten vor und stammt derzeit vor allem aus der Kernwaffenproduktion oder aus der Vernichtung von Kernwaffen im Zuge der Abrüstung. Pro Patient würde nach Einschätzung von Werner Heil bei der Kernspintomographie rund ein Liter des Edelgases benötigt. Im Moment läuft in den USA die erste Phase der Zertifizierung des neuen Kontrastmittels. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat zur Überraschung der Wissenschaftler Helium-3 als Medikament eingestuft und deshalb den gesamten Produktions- und Transportprozess des Gases strengen Kriterien unterworfen. Bereits angelaufene Tests mit Versuchspersonen mussten in den USA wieder eingestellt werden. Werner Heil schätzt, dass es noch rund drei bis vier Jahre dauern wird, bis eine Zulassung erfolgt.

Frank Volke, der Leiter der Arbeitsgruppe Magnetische Resonanz des Fraunhofer Instituts für Biomedizinische Technik (IBMT) hat mit seinem Team die erste für Untersuchungen am Menschen klinisch zugelassene und zertifizierte Spule für die Kernspintomographie entwickelt. Seiner Ansicht nach wird ebenfalls noch einige Zeit vergehen, bis sich der Einsatz von Helium-3 in der Kernspintomographie für die Massenanwendung eignet: „Es gibt vielversprechende Ansätze sowohl in Deutschland als auch in den USA. So etwa an der University of Virginia. Auch die Ärzte machen Druck. Damit das Verfahren in Kliniken eingesetzt werden kann, ist allerdings noch viel Arbeit notwendig. Die Logistik muss bereitgestellt werden und es muss noch erforscht werden, wie Helium-3 in der Lunge zirkuliert und die Tomographie-Bilder medizinisch fundiert interpretiert werden können.“ Almut Bruschke-Reimer

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