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Die heimlichen Herrscher

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Die heimlichen Herrscher
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Viren sind kleine Überlebenskünstler. Sie erobern und mißbrauchen uns und lernen nie aus. Und dabei sind winzigen Trittbrettfahrer so faul wie sie clever sind. “Viren haben genau die Ausstattung, die sie für ihre Vermehrung brauchen, und weiter nichts”, sagte die finnische Doktorandin Laura Kakkola, die einem möglichen neuen Hepatitis-Erreger auf der Spur ist. Durchs Elektronenmikroskop jagt sie den sogenannten TT-Virus, der gerade mal 30 bis 50 millionstel Millimeter messen dürfte.

Erstmals entdeckten japanische Wissenschaftler 1997 das TT-Virus im Blut eines Patienten. Der bisher noch keiner Virusgruppe zugeordnete Vertreter scheint weit verbreitet zu sein: Ersten Studien zufolge tragen allein in Japan 90 Prozent aller Menschen den kleinen Unbekannten in sich. Auch die Europäer sind nicht von ihm verschont geblieben. Neuesten Untersuchungen zufolge sind etwa ein Drittel der deutschen Blutspender mit TTV infiziert. Wie gefährlich sie sind, bleibt dahingestellt. Denn gravierende Erkrankungen bei einem Drittel der Bevölkerung würden schließlich auffallen, sagte der Virologe Gregor Caspari vom virologischen Institut in Gießen. Die Geschichte der Viren reicht weit zurück. Als Christoph Kolumbus 1492 in Haiti landete, schleppten er und seine Mannen Pocken-Erreger in die Karibikinsel ein. Die Invasoren waren dagegen immun, weil sie – meist schon im Kindesalter – bereits die Infektion durchgemacht hatten. Die Ureinwohner jedoch, die Caraïben, hatten noch nie Kontakt mit den Viren gehabt und starben fast alle daran. Haiti – damals “Hispaniola” – fiel den Spaniern in den Schoß. Nicht anders Mitte des 16. Jahrhunderts, als die spanischen Eroberer im Inka-Reich, dem heutigen Peru, wiederum Unterstützung von Pocken-Viren bekamen: Ein Großteil der indianischen Bevölkerung, einschließlich des Kaisers, fiel der Seuche zum Opfer. Die Spanier unter Pizarro unterwarfen das geschwächte Andenvolk ohne Schwierigkeiten.

Noch heute gehen über die Hälfte aller Erkrankungen der Menschen weltweit auf das Konto der unsichtbaren Erreger. Nicht nur bei Masern, Windpocken oder Tollwut – Viren sind auch an der Entstehung komplexer Krankheitsbilder beteiligt: In der westlichen Welt wird jeder zehnte bösartige Tumor durch Virus-Infektionen mitverursacht. Zwar spielen bei Krebs vor allem genetische und Umweltfaktoren eine Rolle, aber für einige Krebsarten haben Wissenschaftler eine Virus-Connection nachgewiesen: Das Hepatitis-B-Virus ist als Auslöser von Leberkrebs identifiziert, Papillom-Viren sind an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs und anderen Genitaltumoren maßgeblich beteiligt. Auch bei der Haupttodesursache in den Industrieländern scheinen Viren mitzuwirken: banale Adeno-Viren, als Erkältungsauslöser ständige Gäste in den menschlichen Atemwegen, und Entero-Viren, die häufig im Verdauungstrakt anzutreffen sind. Eine Infektion mit Entero-Viren, so wiesen Epidemiologen in umfangreichen Studien nach, erhöht das Risiko für Herzinfarkt.

Viren schaffen sogar den Sprung über die Artengrenze und verbreiten sich somit aus dem Tierreich auch unter den Menschen. Prominentestes Beispiel: das Humane Immunschwäche-Virus (HIV). Nicht zuletzt der weltweite Tourismus sorgt dafür, daß sich “neue Viren”, wie sie manchmal genannt werden, schnell über alle Kontinente verbreiten. Der Tourismus boomt – die Viren reisen mit um die Welt. Die Co-Existenz von Menschen und ihren Zellparasiten geht Jahr für Jahr in eine neue Runde.

Und trotzdem haben die Viren Freunde. Prof. Ernst-Ludwig Winnacker ist von den winzigen Erregern sogar rückhaltlos begeistert. “Ich mag Viren” wollte der prominente deutsche Biochemiker im vergangenen Jahr sein Buch zum Thema nennen. Erst nach dem Einspruch des Verlags, dem dieser Titel zu zynisch erschien, entschied sich der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft für “Heimliche Herrscher”.

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