„Das ist die Sonne“, sagt er und bläst einen knallroten Riesenluftballon auf, „1,4 Meter im Durchmesser, einemilliardemal verkleinert. In diesem Maßstab macht unsere Erde keinen großen Eindruck.“ Latham hält eine Erbse hoch: „1,2 Zentimeter, ich habe es nachgemessen. Unser Mond und der Planet Merkur dagegen sind 3 Millimeter kleine Pfefferkörner.“ Der Astronom legt zwei Stück davon auf den Tageslichtprojektor. „Jupiter und Saturn sind Orangen oder Äpfel.“
Doch Latham ist nicht gekommen, um mit Früchten zu spielen, sondern um über Fragen zu sprechen, mit denen sich die menschliche Phantasie schon seit Jahrtausenden beschäftigt: Gibt es Planeten auch bei anderen Sternen? Könnten sie Leben beherbergen? Existiert in der Unermeßlichkeit des Weltraums irgendwo eine zweite Erde?
„Die gute Nachricht lautet: Es gibt inzwischen zwingende Hinweise für die Existenz von Planeten bei anderen Sternen“, erklärt Latham und projiziert eine Tabelle mit fast drei Dutzend Entdeckungen an die Leinwand. „Die schlechte Nachricht: Keine der Welten ähnelt unserer Erde. Keine hat eine feste Oberfläche und Wasser, das für Leben, wie wir es kennen, notwendig ist.“
Fast alle bekannten extrasolaren Planeten wurden durch die subtilen Spuren entdeckt, die sie im Spektrum ihres Sterns hinterlassen. Mit dieser Methode gelang Michel Mayor und Didier Queloz vom Observatorium Genf im Jahr 1995 erstmals der Nachweis eines anderen Planeten bei einem sonnenähnlichen Stern – beim 50 Lichtjahre entfernten 51 Pegasi (bild der wissenschaft 5/1996, „Aufbruch zu fremden Planeten“).
Die Astronomen geben inzwischen in schöner Regelmäßigkeit immer neue Entdeckungen bekannt. „Bislang haben wir erst bei ein paar Prozent der beobachteten Sterne Planeten aufgespürt“, sagt Latham. „Aber der Auswahleffekt ist riesig: Unsere Methoden erlauben zur Zeit nur den Nachweis sehr schwerer Körper in geringer Distanz zu ihrem Heimatstern, andere entgehen uns systematisch.“
Entsprechend exotisch sind die neu entdeckten Planeten: Die meisten der Himmelskörper wiegen mehr als Jupiter und sind sehr heiss: Temperaturen über 1000 Grad Celsius sind die Regel. Unter Astronomen hat sich bereits ein Terminus technicus für diese Höllenwelten eingebürgert: Heiße Jupiter. Die Entdeckung eines erdähnlichen Planeten wird noch eine Weile auf sich warten lassen.
Doch die Suche nach einer zweiten Erde hat erst begonnen. Bis die technischen Möglichkeiten dafür entwickelt sind, werden noch einige Jahre vergehen. Mit der nächsten und übernächsten Generation der Weltraumteleskope wollen die Planetenjäger erdgroße Himmelskörper bei anderen Sternen aufspüren und sogar fotografieren. „Die Entdeckungen der letzten Jahre haben ein neues Fenster zum Universum geöffnet“, sagt Stephen Lubow vom Space Telescope Science Institute in Baltimore. Jetzt kommt es darauf an, Ausschau zu halten, was sich dort draußen verbirgt. „Wir werden wohl noch viele Überraschungen erleben, die uns zum Umdenken zwingen“, ist Alan P. Boss von der Carnegie Institution in Washington überzeugt.