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Blümchen wechsel dich

Gesundheit|Medizin

Blümchen wechsel dich
Gen-Technologen laborieren an schwarzen Dahlien, ozeanblauen Rosen und Designerblumen, die ihre Farbe verändern.

Die dunkle Dahlie ist für Kinoproduzenten das Sinnbild des Bösen. Schon mehrfach haben sie einen „Film noir” nach ihr benannt – „Die blaue Dahlie” aus dem Jahr 1946 etwa und „Die schwarze Dahlie” von 2006, ein auf einem echten Mordfall beruhender Spielfilm. Floristen mussten die verruchte Pflanze für die Cineasten künstlich einfärben. Doch das könnte bald nicht mehr nötig sein: Im Juni 2014 meldete die japanische Universität Chiba eine kleine Sensation. Es hieß, Gentechnologen hätten dort erstmals eine blaue Dahlie erschaffen, indem sie mehrere Gene veränderten.

Genau genommen ist die Blume allerdings weiß mit violetten Blütenspitzen – und nur mit viel Nachsicht kann man von Blau sprechen. Die Designer der Blume laborierten weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit, und ihre Meldung erschien nur auf Japanisch, weshalb kaum jemand Notiz davon nahm.

Schon Ende der 1990er-Jahre kam in der EU die erste gentechnisch veränderte Schnittblume auf den Markt: eine violette Nelke des australischen Konzerns Florigene. Mittlerweile gibt es fünf verschiedene Kreationen in unterschiedlichen Flieder- und Lilatönen. Vier weitere gentechnisch modifizierte Varianten begutachten die EU-Behörden gerade.

In Deutschland passiert allerdings wenig: Die Zahl der Wissenschaftler, die sich der gentechnisch veränderten Blütenpflanzen annehmen, schrumpft Jahr für Jahr. „Die Nelken habe ich bisher nur als Ausstellungsobjekte auf Kongressen gesehen”, sagt einer der verbliebenen namhaften Zierpflanzenforscher, Thomas Debener vom Institut für Pflanzengenetik an der Universität Hannover.

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Nur bei wenigen Anbietern kann man die Gentech-Blumen bekommen, etwa beim hessischen Blumengroßhändler Bigi. Die Floristen hierzulande haben sich gar nicht erst an der Rarität versucht, weil sie Widerstand aus der Anti-Gentechnik- Szene befürchten, mutmaßt Debener.

Doch wer glaubt, dass es keine neuen „Gen-Blumen” gäbe, nur weil in Deutschland nichts passiert, liegt falsch. In den USA, in Japan, Australien und Neuseeland forschen Molekularbiologen emsig an genveränderten Dahlien, Tulpen, Rosen, Chrysanthemen, Petunien und Lilien. Anders als in Deutschland haben die Kunden dort offenbar kein Problem mit der Gentech-Zierde. 25 Millionen Nelken verkauft Florigene jedes Jahr weltweit. Proteste gab es bisher nicht. Und seit 2011 ist auch eine gentechnisch veränderte Rose in den USA im Handel, die es auf dem japanischen Markt schon länger gibt.

Die Blüten der Designerblumen sollen betörend duften und in bunten Tönen leuchten. Und sie sollen wochenlang haltbar sein, damit sie bei der Fahrt nach Übersee nicht verderben. Dafür macht man ihr Erbgut blind für das natürliche Reifegas Ethylen, dass das Grün welken lässt. Aber das derzeit wichtigste Ziel formuliert Yoshi Tanaka, Chef der japanischen Firma „Suntory”, von der die Rose stammt: „Ein richtig schönes Meer- oder Himmelblau, davon träumen wir.” Ein Blau so blau wie die Iris, wie der Enzian oder der Himalaya-Scheinmohn. Aber bisher ist der blaue Traum noch violett.

Die Farbe der Blüte hängt von der chemischen Struktur der Anthocyane in der Pflanze ab. Und auch der Säuregrad verändert das Farbspektrum: Je saurer das Milieu, desto mehr verschiebt sich die Farbe in Richtung Rosa, je basischer, desto blauer die Blüten. Und je mehr Aluminium in der Knospe steckt, desto wahrscheinlicher öffnet sie sich in Blau.

Ein natürlicher Mangel

Rosen, Lilien und Nelken fehlt von Natur aus das Enzym, das dafür sorgt, dass der blaue Farbstoff Delphinidin, ebenfalls ein Anthocyan, in den Blumen gebildet wird. Indem Forscher dieses Gen zunächst aus Petunien, später auch aus Veilchen in das Erbgut von Nelken und Rosen einfügten, konnten die kommerziell erhältlichen violetten Sorten erzeugt werden. „Wir versuchen nun blaue Farbstoffe aus der Iris und dem Himalaya-Scheinmohn in verschiedene Schnittblumen zu integrieren, um ein schönes Blau hinzubekommen”, erklärt Tanaka. Doch die Farbe lässt sich nicht so einfach übertragen, weil der Säuregrad und verschiedene Metallionen mitmischen. Das erschwert die Züchtung.

Eine andere Krux liegt darin, dass die Gen-Forscher zunächst eine Methode entwickeln müssen, um aus einer einzelnen erbgutveränderten Zelle eine ganze Pflanze zu ziehen. Bei Petunien ist das einfach. Und für ihre Dahlien entwickelten die Japaner 2013 eine Kulturmethode samt Nährmedien, in denen sich die gentechnisch veränderten Zellen vermehren, schließlich Wurzeln bilden und sprießen. Auch Chrysanthemen und Tulpen können erst seit Kurzem gentechnisch verändert werden. „Da wird gewiss die eine oder andere Rarität auf den Markt kommen”, ist Kevin Davies überzeugt, Pflanzenforscher vom neuseeländischen Food Industry Science Centre.

Ein neu gegründetes Start-up in Fort Collins im Bundesstaat Colorado will das florierende Farbspiel auf die Spitze treiben: „ Spiel mit deinen Blumen” wirbt „Revolution Bio” auf seinen Web-Seiten und zeigt in einem Video Petunien, die ihre Blütenfarbe von weiß nach pink wechseln. Eine bislang geheime Komponente im Wasser, „die jeder zu Hause hat und die unbedenklich ist”, macht das möglich, erklärt die Chefin und Firmengründerin Keira Havens. Der Stoff verschiebt den Säuregrad in den Blüten und bewirkt so den Farbumschlag.

„Wir prüfen jetzt, ob unsere gentechnisch veränderten Pflanzen robust sind”, sagt Havens. Der neuseeländische Forscher Davies hat dabei seine Zweifel: „Der Säuregrad ist ganz entscheidend für viele Funktionen der Pflanzen. Und es ist nicht so leicht, ihn zu ändern, ohne dass sich das auf das Überleben der Pflanzen auswirkt.”

Aus Rosa wird Lila

2016 sollen die Petunien mit schaltbarer Farbe auf den Markt kommen, stellt Havens in Aussicht. Dem Unternehmen kommt dabei eine Neuerung des amerikanischen Gentechnik-Rechts entgegen: Seit Kurzem müssen transgene Pflanzen, die keine giftigen Bestandteile produzieren, nicht zum Verzehr gedacht sind und auch keine Insektengifte oder Unkrautvernichtungsmittel enthalten, nicht mehr speziell getestet werden. Es genügt, sie ausführlich zu beschreiben. „Das sind vier bis sechs Monate Arbeit, mehr nicht”, freut sich Havens. Im März dieses Jahres will Revolution Bio rund 75 000 US-Dollar als Startkapital einwerben.

Gemeinsam mit der niederländischen Arbeitsgruppe um Francesca Quattrocchio von der Freien Universität Amsterdam arbeitet das Unternehmen auch an Blüten, die ihre Farbe im Tagesverlauf verändern: morgens violett, mittags pink und abends wieder violett zum Beispiel. Man wolle dafür ein Protein entwickeln, dass genauso „tickt” wie die innere Uhr der Blumen, so Davies. Quattrocchio fand heraus, dass die sogenannten pH-Proteine den Säuregrad und damit die Farbe der Blüten von Rosa nach Lila verschieben. Nun muss deren Produktion mit der inneren Uhr der Pflanzen verknüpft werden. „Das ist nicht leicht”, räumt Havens ein, „aber es wäre doch wundervoll, wenn Rosen oder Lilien in einer Vase über den Tag hinweg ihre Farbe verändern.”

Ob die Welt solche Designerblumen braucht, darüber gehen die Meinungen auseinander: „Ich würde sie meiner Frau kaufen”, meint der Australier Davies. Doch Michael Antoniou vom King’s College in London sagt: Wenn ihm jemand solche Blumen mitbrächte, wäre er empört. Der Molekulargenetiker hält sie nicht für überflüssig, mehr noch, er fürchtet die Folgen der Gentechnik. •

von Susanne Donner

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