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Wolfgang Ketterle – Mister Cool

Technik|Digitales

Wolfgang Ketterle – Mister Cool
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He’s great! Elizabeth Thompson strahlt übers ganze Gesicht. Die Pressesprecherin des Massachusetts Institute of Technology (MIT) kommt ins Schwärmen, wenn sie von ihrem „Wuulfgäng“ spricht. Allein mit seinen Arbeiten könne sie locker die Pressemeldungen der an wissenschaftlichen Highlights gewiß nicht armen Elite-Uni füllen. „Wuulfgäng“ heißt eigentlich Wolfgang Ketterle, ist Deutscher und ein Star. Wenn man jede Woche die renommierten Wissenschaftsmagazine Science und Nature durchblättert, fragt man beinahe schon automatisch: „Was ist diesmal von Ketterle drin?“

Stars haben Allüren, denkt man. Da paßt der Mann, der schwitzend seinen Fahrradhelm an den Haken hängt und „Entschuldigung für die Verspätung“ keucht, so gar nicht ins Bild. In einer typisch amerikanischen Stadt wie Boston, wo die Menschen beinahe zum Pinkeln auf die Toilette mit dem Auto fahren, fallen Radfahrer einfach auf. Auch sonst ist Ketterle irgendwie anders: Die sanfte, jungenhafte Stimme will nicht so recht zur großgewachsenen, hageren Statur des 42jährigen passen, und doch zieht sie einen in ihren Bann. Es wird still im Raum und man hört zu.

Zum Beispiel der Geschichte seiner wissenschaftlichen Laufbahn. 1986 hatte Ketterle am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München promoviert und sich später mit Laserspektroskopie beschäftigt. 1990 stand er am Scheideweg: Grundlagenforschung wollte er machen, das war ihm klar – aber welche? „Ich habe mir das Gebiet ausgesucht, wo die meiste Musik drin war, irgendwas mit Lasern und Atomen. So kam ich auf die Tieftemperaturphysik.“

Im selben Jahr zog mit er mit Frau und zwei Kindern nach Cambridge und arbeitete am MIT als Gastforscher. 1993 wurde er Assistenzprofessor – vergleichbar dem deutschen Habilitanten – mit einer befristeten Stelle. In fünf bis sieben Jahren eine Dauerstelle, in zehn Jahren Professor in Amt und Würden – so war die Perspektive, falls Ketterle sich bewähren sollte. Er bewährte sich – was eine glatte Untertreibung ist. Fast verlegen erzählt Ketterle, daß er schon nach vier Jahren zum John D. MacArthur Professor für Physik und damit zum „Full-Professor“ befördert wurde – selbst am leistungsorientierten MIT eine absolute Sensation.

1995 hatten Eric Cornell und Carl Wieman in Boulder, Colorado, das erste Bose-Einstein-Kondensat erzeugt. Alle Welt wollte das Kunststück nachmachen, doch nur wenige schafften es. Ketterle gelang es als erster, und er setzte sich sofort ein ehrgeiziges Ziel: Er wollte einen Atom-Laser bauen.

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1997 war es soweit. Die Nachricht von Ketterles Erfolg war eine der Wissenschaftssensationen des Jahres. Wer gedacht hatte, der junge Forscher habe einfach Glück gehabt, wurde bald eines Besseren belehrt. Ketterle zündete ein Feuerwerk wissenschaftlicher Highlights. Ihm gelang es, Schallwellen in einem Bose-Einstein-Kondensat sichtbar zu machen. Und im vergangenen Jahr schaffte es das für deutsche Verhältnisse kleine 12-Mann-Team, die Energie zu messen, die das Bose-Einstein-Kondensat am absoluten Nullpunkt besitzt. Die ist nämlich nicht null – ein letztes eisiges Zittern bleibt immer übrig.

Jüngster Coup Ketterles ist der selbstverstärkende Atomlaser, der sich quasi selbst aufschaukelt. Damit ist ein echter Laser für Atome zum Greifen nah. „Es ist schon erstaunlich, wie sich die Wissenschaft in den letzten vier Jahren geändert hat“, wundert sich Ketterle – ohne zu erwähnen, daß er selbst einen Großteil dieser Veränderungen bewirkt hat.

Der kometenhafte Aufstieg des MIT-Professors blieb in Deutschland nicht verborgen. Die Max-Planck-Gesellschaft versuchte deshalb, den verlorenen Sohn als Direktor eines Max-Planck-Instituts zurückzuholen. „Ein fantastisches Angebot“, schwärmt Ketterle und macht eine Pause, wie um sich selbst noch einmal zu überlegen, warum er das Angebot eigentlich abgelehnt hat. Die Max-Planck-Gesellschaft sei ein Paradies für Forscher, die Bundesrepublik ein Land mit einer ausgezeichneten Forschungsinfrastruktur, sagt Ketterle höflich. Eigentlich sei er schon fest entschlossen gewesen, zu gehen. „Aber ist es nicht vermessen, einen Wechsel zu wollen, wenn es einem so gut geht wie mir?“

Doch Geld und andere Statussymbole oder gar ein Nobelpreis sind es nicht, die Ketterle zu immer neuen Höchstleistungen antreiben – da denkt er so bescheiden wie die meisten anderen Grundlagenforscher. Zur reinen Lust am Erkenntnisgewinn kommt der Wunsch, etwas für die Gesellschaft zu leisten. „Quantenmechanik ist kulturell so wichtig wie Goethe oder Beethoven“, sagt Ketterle. „Davon nichts zu verstehen, ist eine echte Wissenslücke.“

Bernd Müller
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