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Fragen an die Preisträger des Deutschen Zukunftspreises 1999

Erde|Umwelt

Fragen an die Preisträger des Deutschen Zukunftspreises 1999
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  • Sie wollen mit einer Gen-Therapie bei Zuckerkranken körpereigene Zellen nachwachsen lassen, die das helfende Insulin produzieren. Wie hoffnungsvoll sind Sie, dass Sie mit Ihrer Methode tatsächlich Erkrankten helfen können?
  • Die entwicklungsbiologische Grundlagenforschung hat uns die Grundprinzipien aufgezeigt, um komplexe Organe bilden zu können. Diese Erkenntnis führte dazu, Schaltergene einsetzen zu können, um dann auch im erwachsenen Körper geeignete Zielzellen so zu programmieren, daß dieses natürlich körpereigene Programm noch einmal im erwachsenen Organ ablaufen kann. Man spricht auch von regenerativer Medizin oder regenerativer Therapie. Diese Erkenntnis setzen wir zur Regeneration von insulinproduzierenden Zellen bei Zuckerkranken Patienten ein. Alle bisher vorliegenden Ergebnisse (Tierversuche, Gewebekultur) gewonnen wurden zeigen, daß diese neue Therapieform erfolgversprechend ist. Die Umsetzung wird durch eine von uns mit gegründete Firma, DeveloGen (Göttingen) im nächsten Jahr durch präklinische Studien beginnen. Sollten diese Studien ebenfalls zu dem erwarteten Ergebnis führen, so wird sich im Folgejahr eine klinische Studie anschließen, so daß man davon ausgehen kann, daß im Verlauf der nächsten 10 Jahre eine entsprechende Therapie auf Patienten anwendbar sein wird.
  • Wie muss ich mir diesen Eingriff vorstelllen? Wenn ein Diabetiker zu Ihnen kommt, was machen Sie dann, um ihn zu heilen?
  • Sicher haben sie schon einmal von einer Magenspiegelung gehört. Dabei wird eine dünne Röhre über den Mund und die Speiseröhre in den Magen geführt. In vergleichbarer Weise können eben solche Röhren, d.h. feinste Schläuche weiter in den Darm und von dort in die Bauchspeicheldrüse geführt werden. In den Gängen der Bauchspeicheldrüse wird dann die Genfähre (in einem Lösungstropfen) entlassen und so den Zellen, die die Kanäle umkleiden, zugänglich gemacht. Diese Zellen antworten durch ein neues Programm, das sie aus der Embryonalentwicklung kennen, mit einer Verwandlung, die sie zu insulinproduzierenden Zellen werden läßt. Diese Zellen verhalten sich so wie die normalen insulinproduzierenden Zellen.
  • Kann man mit Ihrer Methode auch bald ganze Organe nachwachsen lassen können – z.B. eine neue Leber?
  • Die Leber hat ein großes regeneratives Potential und es ist daher leicht vorstellbar wenn die Schaltergene gefunden werden eine entsprechende Therapie bei Lebererkrankungen zum Einsatz zu bringen. Weniger optimistisch sind wir allerdings im Bezug auf die Regeneration von komplexen Organen wie die Niere. Es wird noch viel Forschungsaufwand betrieben werden müssen, um die komplexen Wechselwirkungen zu verstehen, die bei der Entwicklung der Niere ablaufen.
  • Sie unterscheiden zwischen Gentherapie und Ihrem Ansatz aus der Entwicklungsbiologoie, wie ist das zu verstehen?
  • Die von uns intendierte Therapieform der regenerativen Medizin ist nicht Gentherapie im klassischen Sinne. Die klassische Gentherapie hängt ab von einer dauerhaften Verwendung neu eingeführten genetischen Materials. Grundlagenforschung in der Entwicklungsbiologie hat uns gezeigt, daß es Schaltergene gibt, deren Funktion nur kurzfristig benötigt wird, um das zelleigene Programm, das während der Embryonalentwicklung abläuft, auch in erwachsenen Zellen reaktiviert werden kann. Dazu reicht es ein Gen nur kurzfristig im Patienten zu aktivieren. Die Genfähre wird über endoskopische Methoden durch den Magen-Darm-Trakt direkt in die Bauchspeicheldrüse eingeführt werden kann und damit kein direkter Kontakt mit dem Blut bzw. Immunsystem auftritt. Es wäre daher sogar denkbar, die augenblicklich verwenden Träger Adenovirus, Lentivirus, Liposomen etc.) zu verwenden.
  • Wie aktivieren Sie dieses Gen?
  • Wir benutzen dazu einen Schalter, der das Gen immer aktiv läßt. Allerdings wird die verwendete Genfähre nicht ins Erbgut der Zelle eingebaut und ist daher nur kurzzeitig intakt und aktiv in der Zelle. Durch zelleigene Prozesse wird dann dieses Vehikel abgebaut.
  • Gentechnologie ist doch ein ziemlich gefährliches Feld. In der Zeitung „Die Zeit“ vom 18.11.1999 steht ein Artikel über den Genüberträger Adenovirus. Der Adenovirus kann das Blut zum Gerinnen bringen und dadurch Menschen sterben lassen. Es gab ja nun auch einen Todesfall, wie ist das bei Ihrer Methode?
  • Es gibt aber von „Der Zeit“ bedauerlicherweise nicht zitierte Experimente, die bei Patienten durchgeführt wurden, bei denen keine Möglichkeit mehr für eine sogenannte By-pass-Operation bestand. Diese Patienten waren entweder von Herztransplantationen abhängig, zum Tode verurteilt oder wie in einem Artikel im Time Magazin ausführlich beschrieben erfolgreich therapierbar durch eine vergleichbare Genfähre, die bei dem Patient in Philadelphia bedauerlicherweise zum Tode führte. Bei den Herzpatienten ist es gelungen, mit Hilfe einer Genfähre Wachstumssignale zu geben, die zur Neubildung von Gefäßen am Patientenherz führten. Sie sehen dadurch, daß man mit Verallgemeinerungen vorsichtig sein muß und die Details des Therapieprotokolls kennen muß um ein abschließendes Urteil zu fällen.
  • Sie haben Ihre Methode bisher doch nur an Tieren erprobt – nehme ich mal an. Wie können Sie sich sicher sein, daß ihre Forschungsergebnisse auch auf den Menschen zu übertragen sind?
  • Die entwicklungsbiologische Grundlagenforschung hat gezeigt, daß über Jahrmillionen hinweg die Grundprinzipien der Schaltprozesse, die für die Bildung eines komplexen Körpers ablaufen müssen, von der Fliege über die Maus zum Menschen hin, bewahrt wurden. Ein Beispiel stellt die Bildung des Auges dar. So konnten Kollegen in der Schweiz zeigen, daß ein Gen, das für die Entwicklung des Mausauges nötig ist, auch in der Fliege als Schaltergen arbeiten kann. Bringt man z.B. das Augengen der Maus in die Fliege ein, so bildet sich in der Fliege ein Fliegenauge aus. Wir leiten daraus ab, daß insbesondere die Erkenntnisse, die an der Maus gewonnen wurden in dieser Form auf den Menschen übertragbar sein werden, zumal die von uns verwendeten Gene zwischen Maus und Mensch höchst konserviert sind. Experimente mit der Maus zeigen, daß Zellen, wie von uns geplant, programmierbar sind. Präklinische und klinische Studien werden diesen Punkt abschließend klären helfen.
  • Welche Hürden waren bei Ihren Forschungen am schwersten zu nehmen?
  • Wissenschaft ist heute keine Arbeit von Einzelnen mehr. Außerdem – wie es ein Kollege einmal ausdrückte – steht man als Forscher in der Regel auf der Schulter von Giganten des Faches: Man sieht dadurch mehr. Will heissen, daß Forschung ein Kontinuum darstellt, um eigene Beiträge jeweils einem mehr oder weniger großen Stein im Wissenschaftsgebäude darstellen. Die letzte Dekade hat revolutionäre Erkenntnisse auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie geliefert. Ergebnisse von vielen Forschern fließen zusammen und erlauben die Entwicklung eines Konzeptes, daß uns in Grundzügen die die Ausbildung komplexer Körper erlaubt zu verstehen. Die Hürde war also mehr, aufbauend auf diesem Verständnis, innovative Therapieformen zu entwicklen. Eine Hürde stellt auch die Akzeptanz in der Öffentlichkeit dar. Darüberhinaus sind gesetzliche Rahmenbedingungen in Deutschland so streng, wie sonst in fast keinem Land. Es ist darum dringend geboten, im Sinne der Chancengleichheit die weltweit geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen auf eine vergleichbare Ebene zu bringen.
    Fragen und Antworten wurden von Dr. Katja Bammel zusammengestellt.
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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