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Glück ist, wenn die Chemie stimmt

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Glück ist, wenn die Chemie stimmt
Hirn und Hormone müssen zusammenspielen, um gute Gefühle zu erzeugen. Die Molekularbiologen haben herausgefunden, wie Sex und Schokolade Glücksgefühle auslösen, und warum Männer leichter glücklich zu machen sind als Frauen.

Psychophysiologen rechnen das Glücksgefühl zu den primären oder unwillkürlichen Emotionen des Menschen – wie Freude, Trauer, Furcht, Wut, Überraschung und Ekel. Das sind angeborene Reaktionsmuster, die in allen Kulturen gleich ablaufen, wobei eine Emotion etwas völlig anderes ist als eine Stimmung: Während eine Stimmung stunden- oder tagelang anhält, dauern primäre Emotionen nur wenige Sekunden. Das ist die Zeit, die Menschen bei Tests maximal für das Empfinden eines starken Gefühls angeben. Wissenschaftliche Messungen bestätigen diese subjektive Einschätzung: Auch körperliche Reaktionen, beispielsweise einen schnelleren Herzschlag, registrieren sie nur für wenige Sekunden, dann flaut der Puls wieder ab. Ein wichtiges Charakteristikum einer „echten“ Emotion ist daneben vor allem ein veränderter Gesichtsausdruck : Ob feines Lächeln oder lauthalses Lachen – beide Muskelbewegungen sind den Menschen weltweit als Ausdruck von Freude und Glücklichsein angeboren. Ein „gezwungenes“ Lachen – ein Lachen also, für das der Mensch keine innere Veranlassung spürt und das ausschließlich vom Willen herbeigeführt wird – unterscheidet sich grundlegend von dem Lachen, das von Herzen kommt. Denn das herzliche Lachen benutzt andere Nerven und andere Muskelgruppen: Beim gekünstelten Lachen lacht nicht das ganze Gesicht – es ist auf die linke Gesichtsseite konzentriert. Außerdem lachen die Augen nicht mit, der Musculus orbicularis oculi, der Augenringmuskel, bleibt passiv. Stattdessen sind die Lippen zusammengepreßt. Schließlich können die Neurologen beim echten Lachen eine verstärkte elektrische Aktivität in einer bestimmten Gehirnregion messen, die beim gestellen Lachen fehlt. Doch auch ohne solche Feinheiten zu kennen, sind die meisten Menschen spontan in der Lage, ein falsches von einem aufgesetzten Lächeln zu unterscheiden. Welche nervösen, biochemischen und genetischen Abläufe dazu führen, daß ein Mensch Glück empfindet, haben die Wissenschaftler in den letzten zwei Jahrzehnten gleichsam durch die Hintertür erforscht, indem sie die Depression studierten. „Alles was wir fühlen und denken, jede bewußte oder unbewußte Veränderung unseres Verhaltens ist das Ergebnis komplexer Vorgänge zwischen Nervenzellen unseres Gehirn“, erklärt Prof. Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München: „Seelisches Wohlbefinden hat ebenso seinen Ursprung in den Nervenzellverbänden des Gehirns wie psychische Störungen, zum Beispiel eine Depression.“ Beim Empfinden spielen Gemütsmoleküle eine bedeutende Rolle, Signalstoffe, die zu den Neurotransmittern gehören. Neurotransmitter sind Substanzen, die chemische Brücken zwischen den Nervenzellen schlagen. Über hundert solcher Überträgerstoffe haben die Wissenschaftler bislang identifziert. Ewa tausend chemische Boten dürften es insgesamt sein, die das breite Spektrum menschlicher Gefühlsregungen steuern, vermuten die Hirnforscher. Als Glücksboten gelten vor allem die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin. Sie bilden zusammen mit Adrenalin und Noradrenalin die Substanzklasse der Monoamine, die alle daran beteiligt sind, für eine gute Stimmung zu sorgen. Neben den Monoaminen wird auch den Endorphinen – ebenfalls chemische Stimulanzien des Gehirns – eine maßgebliche Rolle für das Empfinden von Freude und Glück zugeschrieben. Ihr Name leitet sich von der Bezeichnung „endogenes morphiumähnliches Molekül“ ab. Es handelt sich also um körpereigene – endogene – Morphine, die an die gleichen Bindungsstellen andocken wie die als Schmerz- und euphorisierende Suchtmittel bekannten Opiate. Besonders viele Rezeptoren für die stimmungsfördernden Endorphine hat das limbische System und dort vor allem das mutmaßliche Glücks-zentrum, die Amygdala. Im limbischen System findet sich auch besonders häufig der Botenstoff Oxytozin, ein Nerveneiweiß, das in der Evolution erst mit der Entwicklung der Säugetiere auftritt. Bislang sprachen die Forscher ihm vor allem eine Rolle bei der Milchsekretion nach der Geburt zu. Aber auch beim Sex bildet die Hypophyse verstärkt Oxytozin. Manche Forscher machen es für das intensive Glücksempfinden im Orgasmus verantwortlich. Zu wenig Oxytozin verringere dieses Vergnügen. All diese Forschungsergebnisse belegen, daß die Fähigkeit eines Menschen, Glück zu empfinden, weitgehend ein Fall von Chemie ist, die Folge von Interaktionen zwischen Hormonen und Nerven im Gehirn – und damit eine Folge der Erbanlagen, die verantwortlich sind dafür, wie viele Hormone ein Organismus produzieren und verarbeiten kann. Als erster vermutete der Emotionspsychologe Carroll Izard 1981: „Wie Interesse, Intelligenz und musikalische Begabung, variiert auch die Fähigkeit zur Freude von Individuum zu Individuum mit der genetischen Ausstattung.“ 1996 veröffentlichten die amerikanischen Psychologen David Lykken und Auke Tellegen von der Universität in Minnesota ihre Forschungsergebnisse. Sie gaben an, einen genetisch festgelegten individuellen „Set-Point of Happiness“ gefunden zu haben. Es begann eine angestrengte Suche nach dem Gen fürs Glücklichsein, bislang allerdings ergebnislos. Der amerikanische Wissenschaftler Dean Hamer vom Krebsforschungs- Institut in Bethesda, Maryland, der schon als Entdecker des angeblichen „Homosexuellen-Gens“ Furore machte, ist jedoch davon überzeugt, daß das Aufspüren des Glücks-Gens nur eine Frage der Zeit ist. Sein Top-Kandidat: Das Gen, das für die Konstruktion der Bindungsstelle auf den Hirnnerven zuständig ist, die den Glücksboten Dopamin aufnehmen.

Claudia Eberhard-Metzger
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