Bellebaum: Also, über das Glück als Leere im Kopf würde ich mich wirklich gern einmal mit dem Dalai Lama unterhalten. Aber wenn Sie jetzt erwarten, daß ich diese Definitionen in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang bringen kann, dann muß ich Sie enttäuschen. Glück ist ein Phänomen, das man so nicht fassen kann. Man kann alle drei Definitionen begründen – ob philosophisch-theologisch, ob ökonomisch oder evolutionsbiologisch. Und man kann bei allen dreien Zweifel anmelden. Denn in den für das Glück zuständigen Wissenschaften und innerhalb der zahlreichen Gesellschaften und Kulturen gibt es nun einmal sehr unterschiedliche Ansichten. bild der wissenschaft: Dennoch gibt es, wenn man größere Volksgruppen befragt, abgrenzbare Unterschiede in den Ansichten über das Glück, etwa zwischen Reichen und Armen, zwischen Deutschen und Dänen, zwischen Christen und Buddhisten.
Bellebaum: Sicher gibt es die, aber Befragungen gehen häufig nur auf Teilaspekte ein, was gelegentlich die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert. Was im Gehirn abläuft, physiologisch, ist sicher bei allen Menschen gleich, wenn sie Glück empfinden. Was diesen Vorgang aber auslöst, das sind hochwirksame gesellschaftlich vermittelte Vorstellungen mit erheblichen zeit- und kulturspezifischen Besonderheiten. Existentiell bedingte euphorische Gefühle mal ausgenommen – etwa der erste Schluck Wasser nach einem Marsch durch die Wüste oder eine heiße Dusche nach einer anstrengenden Wanderung im Hochgebirge.
bild der wissenschaft: Fühlen sich die Deutschen also unglücklich, weil es ihnen zu gut geht?
Bellebaum: Man kann für Deutschland belegen, daß hier trotz allgemein gestiegenen Wohlstands das Glücks- oder Zufrie- denheitsniveau heute nicht höher ist als vor 40 Jahren. bild der wissenschaft: Die deutsche Sprache kann zwischen so ganz verschiedenen Dingen wie „glücklich sein“ und „Glück haben“ nur mit Umschreibungen unterscheiden. Andere Völker haben dafür ganz verschiedene Ausdrücke. Läßt das Rückschlüsse zu auf eine bestimmte Geisteshaltung, auf unsere Einstellung zum Glück?
Bellebaum: Diese Gegenüberstellung hat im Abendland eine lange Tradition. Die Griechen unterscheiden Eudaimonia – glücklich sein, eigentlich: einen guten Dämon haben – und Eutychia – Glück haben. Die Römer machen einen Unterschied zwischen Beatitudo und Fortuna, die Engländer zwischen Happiness und Luck, die Franzosen zwischen Bonheur und Fortùne. Ob solche feinen sprachlichen Differenzierungen auch ein ausgeprägteres Gespür dieser Kulturen für so ein komplexes Phänomen wie das Glück anzeigen, das wäre ein eigenes Thema.