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Das Internet schafft Millionen neue Arbeitsplätze

Technik|Digitales

Das Internet schafft Millionen neue Arbeitsplätze
1,1 Millionen neue Arbeitsplätze in Deutschland bis zum Jahr 2000 durch Multimedia, das versprach die Unternehmensberatung Arthur D. Little 1994. Das Institut der Deutschen Wirtschaft legte 1995 noch eins drauf: 5 Millionen neue Arbeitsplätze bis zum Jahr 2005. Mitte der Neunziger erinnerten die Arbeitsmarktprognosen für die Informations- und Kommunikationsbranche an Ephraim Kishons Satire „Jüdisches Poker“: Wer sich die höchste Zahl ausdenkt, hat gewonnen.

Heute spricht niemand mehr von Millionen neuer Arbeitsplätze. Schon 1996 korrigierte Arthur D. Little seine Prognosen auf 210000 neue Stellen bei gleichzeitiger Sicherung von 1,2 Millionen Arbeitsplätzen, in denen auch Unterhaltungselektronik und Telekommunikation enthalten sind.

Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesforschungsministeriums, die auf der CeBit-Home im August vorgestellt wurde, spricht von 260000 bis 280000 neuen Stellen bis 2001. „Vor ein paar Jahren wurden großartige Versprechungen gemacht, heute ist man sehr vorsichtig geworden“, sagt Hans-Georg Wolf von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg. „Die Sicherung von Arbeitsplätzen besitzt inzwischen größere Bedeutung als die Schaffung neuer Stellen. “ Wolf hat mit seinen Kollegen im November eine Studie vorgestellt, die sich mit dem Beschäftigungspotential der Multimedia-Branche in Baden-Württemberg befaßt und die sich auf ganz Deutschland verallgemeinern läßt sowie Vergleiche mit anderen Ländern enthält. Die Kernaussagen: – Multimedia ist eine boomende Branche, ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft ist aber noch sehr klein. Entsprechendes gilt für die Arbeitsplätze. – Die Bedeutung der eigentlichen Kernbranche wie Internet-Agenturen oder CD-ROM-Produzenten ist vergleichsweise gering. Arbeitsplätze werden eher in der Peripherie – bei Banken, Dienstleistern oder Call-Centern – geschaffen, wo Multimedia-Produkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit genutzt, aber nicht selbst erstellt werden. – Von Ausnahmen abgesehen, sind Multimedia-Unternehmen kleine Firmen mit wenigen Mitarbeitern. Dabei gibt es weltweit kaum Unterschiede: In Kalifornien zählt eine Internet-Agentur im Schnitt rund zehn Mitarbeiter, in Düsseldorf sind es zwölf.

Eine der Ausnahmen ist die Stuttgarter Firma Brokat. Alle namhaften deutschen Banken benutzen mittlerweile deren Software für Internet-Dienstleistungen. Mit Brokat-Programmen können Kunden ihren Kontostand abfragen und Überweisungen tätigen – und das alles bei größtmöglicher Sicherheit gegen Lauschangriffe. 1994 gegründet, beschäftigt Brokat heute 270 Mitarbeiter. „Jeden Monat kommen zehn neue Kollegen hinzu“, schwärmt Pressesprecher Reiner Jung.

Entgegen den Klagen mancher Politiker hält Jung den Standort Deutschland für sehr attraktiv: „Online-Banking oder Mobilfunk sind in Europa viel weiter als in den USA.“ Das hat dazu geführt, daß Jungs Arbeitgeber inzwischen weltweiter Marktführer für Online-Banking-Software ist. Auch andere Unternehmen sollten die Chance nutzen und die bei Standardsoftware dominierenden Amerikaner – allen voran Microsoft – unter Druck setzen, wünscht sich Prof. Hans-Joachim Braczyk, im Vorstand der Baden-Württembergischen Akademie für Technikfolgenabschätzung.

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Qualifizierte Mitarbeiter zu finden ist für die Stuttgarter Shootingstars kein Problem. Brokat gilt als innovativ, ist in der Branche bekannt und hat von Anfang an Pläne zur Personalentwicklung forciert. Viele kleinere Firmen tun sich da schwerer. Sie beklagen, daß jede Menge offene Stellen nicht besetzt werden können, weil der Markt an Fachkräften leergefegt sei. Hans-Georg Wolf warnt, daß das Fehlen von Arbeitskräften sogar zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen könnte, weil Marktchancen nicht genutzt würden: „Prognosen über das Potential für Arbeitsplätze sagen nicht unbedingt etwas über den Abbau der Arbeitslosigkeit aus.“

Das Multimedia den Arbeitsplatzabbau in traditionellen Industrien wie Maschinenbau oder Baugewerbe kompensieren kann, glaubt mittlerweile niemand mehr. Ob wenigstens für die Multimediaberufe ein positives Saldo herausspringt, ist auch nicht mehr sicher. Denn Multimedia dient in vielen Unternehmen der Rationalisierung oder ersetzt vorhandene Produkte: Unter der Verdrängung klassischer Medien leidet beispielsweise die Druckbranche, und in Banken werden Berater eingespart, weil viele Dienste übers Internet billiger anzubieten sind. Ein Worst-Case-Szenario von Wirtschaftsinformatikern der Universität Würzburg kommt zu dem Ergebnis, daß bei konsequentem Einsatz von Multimedia im deutschen Dienstleistungsgewerbe 6,7 Millionen der 15,3 Millionen Stellen wegfallen könnten.

Nach Hans-Joachim Braczyks Erkenntissen werden neue Arbeitsplätze vor allem in Städten entstehen, die bei jungen Akademikern als besonders attraktiv gelten. Schon heute profitieren München, Köln oder Hamburg vom Multimedia-Boom, während traditionelle Kohle- oder Stahlregionen nicht damit rechnen dürfen, ihre Probleme durch Multimedia zu lösen. In Deutschlands Multimedia-Stadt Nummer eins, München, rangiert die junge Branche mit 6000 Mitarbeitern auf Platz 11 – gleichauf mit dem Bekleidungsgewerbe und der Rüstungsindustrie. Andererseits ist Multimedia eine Perspektive für Menschen, die bisher schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten: Frauen mit Kindern oder Behinderte könnten von der Umgestaltung traditioneller Arbeitsplätze in Telearbeitsplätze profitieren, indem sie künftig zu Hause arbeiten. Nach dem Statusreport Telework 98 der Europäischen Union gab es 1997 in Deutschland 294000 Menschen, die zumindest zeitweise Telearbeit verrichteten. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little rechnet damit, daß 2001 etwa die Hälfte der eine Million Multimedia-Arbeitsplätze auf Telearbeit entfallen werden.

Bernd Müller
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