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Expedition zum Wassermond

Astronomie|Physik

Expedition zum Wassermond
Jupiter-Trabant Europa: Auf der Suche nach Leben. Was verbirgt sich unter dem Eispanzer Europas? Die Raumsonde Galileo erkundet nach dem erfolgreichen Abschluß ihrer Primärmission jetzt gezielt den rätselhaften Jupitermond.

Selbst renommierte Wissenschaftler halten den Gedanken an einfache Organismen auf dem Himmelskörper, der fünfmal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde, nicht für ausgeschlossen. „Wenn Europa einen Ozean besitzt, stehen die Chancen, daß es dort heute noch Leben gibt, besser als für den Mars“, war der Planetenforscher Eugene Shoemaker vom Lowell-Observatorium in Flagstaff in Arizona noch kurz vor seinem tödlichen Unfall im letzten Jahr überzeugt.

In den vergangenen Monaten haben sich die Indizien weiter verdichtet, daß unter dem Eispanzer des Jupitermondes ein ausgedehntes Meer liegen könnte. Obwohl der definitive Beweis noch fehlt, sind viele Forscher zuversichtlich. Schon gab es wissenschaftliche Kongresse, auf denen Ozeanographen und Planetenkundler gemeinsam über mögliches Leben diskutierten „Niemand hat bislang Ozeanographie einer anderen Welt betrieben. Es ist ein interessantes kulturelles Experiment“, sagt John R. Delaney, ein Meereskundler von der University of Washington.

Im Brennpunkt dieser neuen „Galileo Europa Mission“ (GEM) steht der kleinste der vier Jupitermonde. Zwischen dem 16. Dezember 1997, als Galileo in nur 200 Kilometer Entfernung an Europa vorbeiraste, und dem 1. Februar 1999 wird der Mond insgesamt achtmal angeflogen. Auf dem Programm stehen anschließend vier enge Passagen an Jupiters äußerstem Großmond Callisto und schließlich noch zwei nahe Begegnungen mit dem vulkanischen Io. Im Zentrum von GEM steht zunächst die genauere Erkundung von Europas Oberfläche. Inzwischen sind die Experten überzeugt, daß die 100 bis 150 Kilometer dicke Kruste des Jupitermonds nicht völlig durchgefroren ist – oder es einmal war. Dafür sprechen zahlreiche Indizien:

– Ganz Europa wird von 100 bis 300 Meter hohen, bis zu 3 Kilometer breiten und mitunter über 1000 Kilometer langen Linien überzogen, die die Forscher „Triple Bands“ nennen, weil sie wie drei parallele Streifen erscheinen. Es sind Bruchzonen, die sich durch Spannungen in Europas Eispanzer gebildet haben. Durch die Spalten drang Eismatsch an die Oberfläche, der von gesteinshaltigen Verunreinigungen durchsetzt ist und deshalb dunkel erscheint.

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– Auf Europas Oberfläche gibt es zahlreiche elliptische Gruben, Aufwölbungen und dunkle Flecken, die 7 bis 15 Kilometer groß und oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind. Das Galileo-Team vermutet, daß es sich um „Diapire“ handelt. Diese Strukturen könnten entstehen, wenn Blasen aus warmem Eis aus der Tiefe aufsteigen und die Oberfläche hochdrücken oder sogar aufbrechen.

– Die ungewöhnliche Form des Pwyll-Kraters, der wohl erst vor 10 bis 100 Millionen Jahren entstand, deutet darauf hin, daß warmes Eis nach dem Einschlag das Kraterbecken auffüllte und den 600 Meter hohen Zentralberg noch über die Höhe des Kraterrandes hob.

– Europas Kern wurde durch die Gezeitenkräfte Jupiters so weit abgebremst, daß er dem Riesenplaneten immer dieselbe Seite zeigt. Die Oberfläche des Mondes scheint jedoch von dieser „gebundenen Rotation“ abgekoppelt zu sein. Die Richtung, Anzahl und Altersunterschiede der Bruchlinien auf der Oberfläche legen nahe, daß sich die Eiskruste etwas schneller bewegt als der Kern – für eine Umdrehung benötigt sie freilich Zehntausende, wenn nicht gar Millionen Jahre. Die Kruste ist demnach nicht fest mit Kern und Mantel verbunden. Als Schmiermittel kommt Wasser oder warmes Eis in Frage.

– Europa besitzt ein Magnetfeld, das der Mond nicht selber erzeugen kann, sondern Jupiter verdankt. Nach Modellrechnungen von Fritz Neubauer (Universität Köln) und David Stevenson (California Institute of Technology) soll Europa das Magnetfeld des Riesenplaneten in einer Weise stören, die sich gut mit der Annahme eines salzhaltigen Ozeans erklären läßt. Das Salz wirkt als Elektrolyt. Darin kann Jupiters Magnetfeld Wirbelströme induzieren, die ihrerseits ein Magnetfeld erzeugen, das sich Jupiters Magnetfeld überlagert. Auch der Jupitermond Callisto hat ein induziertes Magnetfeld. Vielleicht existiert unter seiner Oberfläche ebenfalls ein Ozean.

– Das überzeugendste Indiz für einen Ozean auf Europa fand eine Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Michael H. Carr (US Geological Survey, Menlo Park, Kalifornien), der auch Gerhard Neukum vom Institut für Planetenerkundung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin angehört. Die Forscher entdeckten zwischen zwei riesigen, sich kreuzenden Triple Bands ein mosaikartig zusammengesetztes Gebiet, das aus einem wirren Konglomerat einzelner Bruchstücke zu bestehen scheint. „Die Blöcke ähneln Eisschollen, wie sie auch in den Polarregionen auf der Erde beobachtet werden, wenn das Packeis während der Tauwetterperiode im Frühling aufs Meer treibt“, erläutert Ronald Greeley. „Ihre Form und Lage deutet darauf hin, daß sie als dünne Eisschicht auf Wasser oder Eismatsch schwammen und durch Bewegungen in der Kruste zerbrochen sind. Das ältere Terrain rutschte vermutlich weg.“

– Auch hat man 100 Kilometer lange Platten entdeckt, die gegeneinander verschoben und verdreht sind. Zwischen ihnen befindet sich ebenfalls dunkleres Material, das einst geschmolzen war.

Doch die Wissenschaftler haben noch ehrgeizigere Pläne: Am Jet Propulsion Laboratory (JPL) wird gegenwärtig das Projekt „Ice Clipper“ erwogen. Dabei soll die Sonde ein Projektil auf den Mond schießen und währenddessen in 50 Kilometer Höhe darüber hinwegfliegen, dabei einige der hochgeschleuderten Trümmerstücke auffangen, um sie an Bord zu analysieren und einen Teil vielleicht tiefgefroren zur Erde zu bringen.

Am effektivsten wäre es freilich, gleich auf dem Mond zu landen. „Ein Seismometer könnte uns viel über das Innere verraten“, meint Henry M. Harris, der am JPL an der Konzeption einer Europa-Orbiter-Lander-Mission mitarbeitet. „Wir könnten abhören, wie Eismassen verschoben werden und zerbrechen, und vielleicht sogar nach Wellen im Ozean lauschen.“

===Rüdiger Vaas
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