Solche Experimente liefen in den siebziger Jahren, sie funktionierten nur bei Menschenaffen: bei Orang-Utans, Schimpansen und Zwergschimpansen (Bonobos), sowie, eingeschränkt, auch bei Gorillas. Die Tiere lernten schnell, den Spiegel als Instrument zu nutzen, um ihre eigene Kehrseite zu untersuchen oder versteckte Leckerbissen hinter einer Barriere zu finden. Hunde, Katzen, Meerschweinchen und alle anderen Tiere hingegen erkennen im Spiegelbild nur einen Artgenossen, der sie schon bald nicht mehr interessiert. Er macht ja nur dasselbe wie sie.
Der Biologe Frans de Waal berichtet von dem Makaken-Pärchen Joey und Honey, das sich im Primatenzentrum Wisconsin zu einem Liebesabenteuer davonstiehlt. Es darf sich nicht erwischen lassen, denn Joey – Nummer drei in der Rangfolge der Affenhorde – steht Sex noch nicht zu. Als er zum Ziel kommt und zu einer Folge von Lustschreien ansetzt, wendet Honey abrupt den Kopf und schaut ihn drohend an. Als habe er verstanden, ist Joey still – ohne sich den Genuß zu versagen. Tage später sieht der Primatenforscher das Pärchen erneut, diesmal wendet sich Honey bereits vor dem Höhepunkt um und legt Joey die Hand vor den Mund. Fortan soll sich der Makake jede Verlautbarung seiner Wonnen verkniffen haben.
Hirnforscher wie Prof. Henning Scheich, Direktor des Instituts für Neurobiologie in Magdeburg, versuchen sich einer Antwort zu nähern, indem sie „Bewußtsein“ in Komponenten zerlegen: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, aktives Verhalten gehören dazu. „Für solche Mechanismen wollen wir Korrelate im Gehirn finden.“
Am Ende werden die Gehirnforscher das Verhalten behandeln wie jedes andere wissenschaftliche Problem: Sie spalten eine große Frage in viele kleine, unterscheiden in bewußte und instinktive Leistungen und reduzieren das Denken auf den Transport von Ionen an Membranen, auf die elektrische und chemische Aktivität von Nervenzellen. Henning Scheich ist sich bewußt, daß solches Zerlegen und Analysieren die Gefahr birgt, „das Bewußtsein als Ganzes aus dem Auge zu verlieren“. Vielleicht bekommen wir auch nur bestätigt, was wir schon wissen: daß Verhalten – wie das Leben überhaupt – ein Wunder bleibt, ungeachtet von Gattung und Art. „Gänse sind eben auch nur Menschen“, sagte einst Konrad Lorenz.