Das Kochen von Nahrung macht nicht nur viele Speisen schmackhafter, das Erhitzen schließt auch Nährstoffe besser auf und macht sie für den Körper verfügbar. „Der Wechsel zu gekochter Nahrung könnte daher die Entstehung größerer Gehirne in der menschlichen Evolution begünstigt haben“, erklären Felix Warneken von der Harvard University und Alexandra Rosati von der Yale University. Denn gerade das Gehirn ist ein besonders energiehungriges Organ. Doch das Kochen ist nicht ohne, denn es erfordert einiges an kognitiven Fähigkeiten: Geduld, Beherrschung, Planung und ein Verständnis der Zusammenhänge. So muss man nicht nur verstehen, was das Kochen bewirkt – rohe Nahrung wird zu weicherer, anders schmeckender gekochter Nahrung. Man muss auch die Beherrschung besitzen, rohes Gemüse nicht gleich zu verputzen, sondern es sich aufzusparen, bis man es kochen kann.
Motivation, Geduld und Verständnis
Um herauszufinden, ob vielleicht schon der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Menschenaffe diese kognitiven Voraussetzungen für das Kochen besaß, führten Warneken und Rosati eine Reihe von Verhaltensexperimente mit Schimpansen durch – unseren nächsten Verwandten. In ersten Versuchen hatten sie bereits festgestellt, dass sie Schimpansen des Tchimpounga Schutzgebiet in der Republik Kongo gekochte oder gebratene Süßkartoffeln und Karotten durchaus der rohen Variante vorzogen. Die nötige Motivation für das Kochen lag also vor. Als nächstes stellten die Forscher die Geduld der Schimpansen auf die Probe: Sie ließen ihnen die Wahl, ein rohes Stück Kartoffel sofort oder drei rohe oder drei gekochte Stücke eine Minute später zu erhalten. Das Ergebnis war deutlich: Winkten drei rohe Stückchen, waren nur 60 Prozent der Menschenaffen bereit, sich etwas länger zu gedulden. Gab es aber drei gekochte Stückchen, ließen 84 Prozent das rohe Stück liegen und warteten lieber.
Aber können die Schimpansen verstehen, was Kochen bedeutet? Erkennen sie, dass es Umwandlung des Essens von einer Form in eine andere ist? Um das zu testen, durften die Schimpansen sozusagen selbst „kochen“: Die Forscher zeigten ihnen dafür zwei verschiedene Behälter. Einer wandelte beim Schütteln rohe Süßkartoffelscheiben in gekochte um – indem die Forscher heimlich die Scheiben austauschten. Der anders aussehende Kontrollbehälter dagegen brachte keinerlei Veränderung des Futters. Das Ergebnis: 87 Prozent der Schimpansen begriffen sehr schnell, dass ihr Futter nur dann gekocht wird, wenn sie es in den ersten Behälter legten. Aber verstanden die Schimpansen auch, dass das Kochen nur bei essbaren, rohen Objekten einen Vorteil bringt? Auch das war der Fall: Bekamen sie eine Kartoffelscheibe und einen ähnlich aussehenden Holzchip legten sie nur die Kartoffelscheibe in den „Kochbehälter“. Erhielten sie dagegen eine bereits gekochte Kartoffelscheibe, aßen sie diese in drei Vierteln der Versuche sofort und versuchten gar nicht erst, sie nochmal zu kochen.
Die kognitiven Voraussetzungen sind da
„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schimpansen bereits einige der essenziellen geistigen Fähigkeiten besitzen, die für das Kochen nötig sind“, sagen Warneken und Rosati. „Sie zeigen schon nach minimaler Erfahrung ein praktisches Verständnis für die Umwandlung von Futter durch das Kochen und platzieren nur essbare Nahrungsmittel in die Kochbehälter.“ Zudem sind sie bereit, für gekochte Nahrung nicht nur länger zu warten: Sie lernten in weiteren Versuchen sogar, rohes Futter gezielt zum Kochbehälter zu transportieren – selbst wenn dieser in einiger Entfernung stand. „Unsres Wissens nach ist das der erste Beleg dafür, dass Menschenaffen für die Zukunft planen, indem sie Futter für eine künftige Umwandlung aufheben“, konstatieren die Forscher.
Auch wenn Schimpansen nicht kochen, heißt das nicht, dass sie es nicht könnten. Sie würden es vermutlich sehr schnell lernen, wenn sich die Gelegenheit bietet, denn die kognitiven Voraussetzungen dafür hätten sie durchaus. Nach Ansicht der Forscher könnte daher auch der letzte gemeinsame Verwandte von Schimpanse und Mensch diese grundlegenden Fähigkeiten schon besessen haben. Unsere Vorfahren lernten daher vermutlich sehr schnell, sich das Feuer zur Zubereitung ihrer Nahrung zunutze zu machen.