Wenn der Morgen auf der südostasiatischen Insel Borneo dämmert, machen sich die
Hardwicke-Wollfledermäuse (Kerivoula hardwickii) auf die Suche nach einem Schlafquartier. Es ist bereits lange bekannt, dass sie es sich gern in den Fallen der Kannenpflanze Nepenthes hemsleyana bequem machen. Die eleganten Behälter bieten den kleinen Flattertieren nämlich einen idealen Unterschlupf. Sie fallen hier nicht in das Verdauungssekret, sondern können sich problemlos festhalten.
Die Miete wird mit Kot bezahlt
Bereits in früheren Studien konnte die Forscher um Caroline und Michael Schöner von der Universität Greifswald zeigen, dass Pflanze und Fledermaus sich dabei gegenseitig nützen. Schon länger war bekannt, dass Nepenthes hemsleyana eine ziemlich schlechte Falle für Insekten ist. Doch dann wurde klar: Sie hat sich auf anrüchige Nahrung spezialisiert – sie gewinnt Nährstoffe aus dem in der Kannenflüssigkeit hinterlassenen Fledermauskot. „Völlig unklar blieb aber, wie es die Tiere schaffen, die seltenen und unscheinbaren Kannen in der extrem dichten Vegetation zu finden”, erklärt Michael Schöner.
Da sich die Hardwicke-Wollfledermaus wie die meisten Fledermausarten über Echoortung orientiert, lag es nahe, dass sie auch ihre skurrilen Schlafquartiere durch akustische Signale finden. Durch Untersuchungen fanden die Forscher nun heraus, dass die Kannen von N. hemsleyana eine Struktur in der Rückwand aufweisen, welche die Ultraschallrufe der Fledermäuse stark reflektiert. Diese Struktur fehlt bei allen anderen Kannenpflanzenarten, die nicht an Fledermäuse vermieten, konnten die Wissenschaftler nachweisen. „Ähnliche Strukturen haben wir hingegen bereits an fledermausbestäubten Pflanzen in Mittelamerika gefunden, erklärt Co-Autor Ralph Simon. Caroline Schöner fügt hinzu: „Wir wollten daher herausfinden, ob diese schallreflektierende Struktur für die Fledermäuse tatsächlich wichtig ist, um die Kannen als solche zu identifizieren und sie als Quartier zu wählen”.
Echoreflektoren als Werbeschilder
Um dieser Frage nachzugehen führten die Forscher eine Reihe von Verhaltensversuchen durch. Es zeigte sich: Sobald man den Hardwicke-Wollfledermäusen Kannen präsentierte, bei denen der Schallreflektor verändert war, wählten sie diese nicht mehr als Quartier. Veränderungen von anderen Kannenstrukturen hatten dagegen keinerlei Auswirkung auf die Wahl der Pflanzen als Unterschlupf. Bei dem Schallreflektor handelt es sich also um eine Art Werbeschild und Wegweiser, damit die Fledermäuse schnell den Eingang der Kanne finden, erklären die Biologen. Ihnen zufolge macht die Studie damit erneut deutlich, welche faszinierenden Lösungen Lebewesen im Rahmen von symbiotischen Beziehungen entwickelt haben. In diesem Fall hat sich eine eigentlich fleischfressende Pflanze zu einer Werbung betreibenden Vermieterin für Fledermäuse entwickelt.