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Die ältesten Spermien der Welt

Erde|Umwelt

Die ältesten Spermien der Welt
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Im Kokon erhaltenes Spermium des Ringelwurms (Benjamin Bomfleur et al./ Biology Letters)
Ohne Spermien geht heute in der sexuellen Fortpflanzung von Tier und Mensch kaum etwas. Und auch ihr Aussehen ist bestens untersucht. Doch ob und wie die männlichen Samenzellen im Laufe der Urgeschichte ihr Aussehen gewandelt haben, ist unklar, denn Fossilien dieser empfindlichen Erbgut-Überträger gibt es so gut wie keine. Jetzt jedoch haben Forscher – ausgerechnet in der Antarktis – die bisher ältesten bekannten Spermien der Tierwelt gefunden. Es handelt sich um die Samenzellen von urzeitlichen Ringelwürmern, die in einem Kokon geschützt erhalten blieben.

Spermien sind für die sexuelle Fortpflanzung unverzichtbar, denn sie sind gewissermaßen die Transportform, in der das männliche Erbgut zur weiblichen Eizelle gelangt. Doch so allgegenwärtig diese Samenzellen bei lebendigen Vertretern des Tierreichs sind, so selten sind sie als Fossilien. „Die Konservierung von Tierspermien ist extrem selten“, erklären Benjamin Bomfleur vom Schwedischen Museum für Naturgeschichte in Stockholm und seine Kollegen. Denn die Spermien sind meist zu kurzlebig und empfindlich, um lange in der Umwelt oder in einem Kadaver zu überdauern. Die ältesten bisher bekannten Funde sind daher einige Spermien eines Springschwanzes (Collembola), der rund 35 Millionen Jahren in Bernstein erhalten geblieben war und die rund 15 Millionen Jahre alten Riesenspermatozoen eines Muschelkrebschens aus einer Höhle in Australien. Angesichts der Tatsache, dass die sexuelle Fortpflanzung mit Samenzellen schon weitaus früher in der Evolution erfunden wurde, ist das nicht gerade sehr alt.

Jetzt jedoch verhalf ein Zufallsfund Bomfleur und seinen Kollegen zu ihrer Entdeckung noch älterer Spermien. Eigentlich wollten die  Forscher nur die Beschaffenheit von fossilen Ringelwurm-Kokons näher untersuchen, die sie im Sediment der Westantarktischen Halbinsel entdeckt hatten. Diese festen, ringförmigen Gebilde werden von Ringelwürmern wie dem Regenwurm nach der Paarung als Schleimhülle um die Segmente mit den Geschlechtsorganen abgesondert. In diese Hülle gibt der Wurm die befruchteten Eier oder Spermien und Eier hinein und streift dann den Schleimring ab. Dieser trocknet und bildet dabei einen harten, schützenden Kokon, in dem sich die befruchteten Eier entwickeln können. Solche Kokons werden durchaus häufig auch in fossilen Sedimenten gefunden, wurden aber bisher kaum untersucht, wie die Wissenschaftler berichten. Deshalb haben sie dies nun mit rund 50 Millionen Jahre alten Kokons aus dem Sediment der Westantarktis nachgeholt. Sie wurden dort von Würmern produziert, als dieser Kontinent noch ein deutlich milderes Klima besaß.

Geriffelte Stäbchen mit Schwanz

In der Innenwand der Kokons entdeckten sie dabei überraschend viele Einschlüsse. „Am auffälligsten waren Fragmente von gerade oder gebogenen, dünnen Zylinderstrukturen“, berichten Bomfleur und seine Kollegen. Diese rund 18 Mikrometer langen und 600 Nanometer breiten Fädchen besaßen eine charakteristische spiralig geriffelte Oberfläche. Daneben fanden die Forscher auch kürzere Stäbchen mit einem langen, geißelartigen Schwanz, der ebenfalls aus helixartig gewundenen Untereinheiten aufgebaut schien. Nach Ansicht der Forscher handelt es sich bei diesen Gebilden um fossile Ringelwurm-Spermien. „Die langen, geriffelten Strukturen sind den länglichen Spermien von heutigen Krebsegeln sehr ähnlich“, sagen Bomfleur und seine Kollegen. Auch diese besitzen einen langen, aus helixartig gewundenen Fasern aufgebauten Schwanz.

„Damit handelt es sich um die ältesten fossilen Spermatozoen, die je gefunden wurden“, so die Forscher. „Sie blieben 50 Millionen Jahre lang in den inneren Wandschichten eines Ringelwurm-Kokons konserviert.“  Ihrer Ansicht nach ähnelt diese Art der Fossilisation in vieler Hinsicht dem Einschluss in Bernstein. Denn in der Wand der Kokons bleiben Relikte ebenfalls in ihrer dreidimensionalen Struktur und selbst mit sehr feinen Details erhalten. Weil darin neben Spermien oft auch Bakterien und andere Mikroorganismen kleben bleiben, könnten die Kokons noch weitere Entdeckungen bergen. „Systematische Untersuchungen solcher Kokons könnten uns ein einzigartiges Fenster in die Evolutionsgeschichte von Weichtieren eröffnen, die sonst nicht erhalten geblieben sind“, so Bomfleur und seine Kollegen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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