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Was in 10.000 Jahren noch gilt…

Astronomie|Physik Kommentare

Was in 10.000 Jahren noch gilt…
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Die Maxwellschen Gleichungen brachten Licht ins Licht. Credit: Thinkstock
Der große amerikanische Physiker Richard Feynman hat einmal gesagt, dass wenn Menschen in 10.000 Jahren – in Worten: in zehntausend Jahren – auf das 19. Jahrhundert zurückblicken, dann bewundern und bestaunen sie vor allem die Maxwellschen Gleichungen und das Verständnis, das sie für das Licht gebracht haben. Der Schotte James Clerk Maxwell hat 1865 – also vor 150 Jahren – mit seinen Gleichungen die Welt verändert, nur weiß das heute kein Mensch mehr, von Spezialisten abgesehen. Man liest und hört jedenfalls nichts davon. Vielleicht meinte Feynman, dass es gebildete Menschen sind, die in 10.000 Jahren über Maxwell staunen. Offenbar gibt es sie heute schon nicht mehr.

Wer sich im Internet erkundigt, was im Jahre 1865 Wichtiges passiert ist, kann etwas über die Uraufführung von „Tristan und Isolde“ lesen. Er wird informiert, dass das Matterhorn erstmals bestiegen worden ist, dass Lewis Caroll von da an seine „Alice im Wunderland“ umherlaufen ließ, dass Wilhelm Busch sein Publikum von da an erfolgreich mit den Streichen von „Max und Moritz“ erfreute, und manches mehr. Man erfährt, dass die Heilsarmee und ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet wurden, dass sich eine Badische Anilin und Sodafabrik (BASF) zu konstituieren begann, und manchmal findet sich auch ein Hinweis auf den Mönch Gregor Mendel, der in einem Klostergarten mit Erbsen hantierte und dabei auf die Idee von Erbelementen gestoßen ist, die heute als Gene besser bekannt sind. Es war eine Menge los, wie auch brav berichtet wird, nur dass nirgendwo ein Hinweis auf das in meinen Augen folgenreichste Ereignis des Jahres 1865 eingegangen wird. Ich meine die Veröffentlichung von James Clerk Maxwell in der Zeitschrift der Royal Society, die sich „Philosophical Transactions“, also philosphische Abhandlungen nennt. Im Band 155 auf Seite 499 teilt er seine Einsichten in die Natur des Lichts mit, mit denen er die Welt für alle Zeiten ändert – also das tut, was Karl Marx von Philosophen erwartet. Maxwell erklärt seinen Lesern, dass „Licht und Magnetismus Erregungen („affections“) derselben Substanz sind und das Licht eine elektromagnetische Störung ist, die sich als Feld ausbreitet, und zwar nach den Gesetzen des Elektromagnetismus.“ Die Gesetze, die Maxwell meint, heißen heute Maxwellsche Gleichungen. Es gibt von ihnen vier Stück, und Anhänger und Kenner der Maxwellschen Elektrodynamik kann man dadurch erkennen, dass sie stolz ein  T-Shirt tragen, auf dem die vier Maxwell Gleichungen zu sehen sind. Über den Gleichungen finden sich die Worte, „Und Gott sprach“, und unter den Gleichungen kann man lesen, „Und es ward Licht.“

„War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?“

Tatsächlich – mit den Maxwell Gleichungen kamen das Licht und viele Möglichkeiten, mit ihm umzugehen, erst in die Physik und dann in die Welt, was hier aber nicht weiter aufgezählt werden soll, um den Blick auf zwei grundlegende Aspekte zu werfen. Zum einen stellen Maxwells Gleichungen das Musterbeispiel für das dar, was Physiker Vereinheitlichung nennen. Aus zwei völlig verschieden wirkenden Phänomenen – dem Magnetismus und der Elektrizität – machte Maxwell eine Wirklichkeit, die in zwei Formen auftrat, nämlich konkret als elektromagnetisches Feld und abstrakt als Theorie des Elektromagnetismus. Diese Theorie trat jetzt neben die Mechanik von Isaac Newton, der die Bewegung materieller Körper beschrieb, während Maxwell die Bewegung immaterieller Körper erfassen konnte. Seine Zeitgenossen waren aus dem Häuschen, und viele wunderten sich mit Goethes Worten: „War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?“

Nein, es war Maxwell, der allerdings bescheiden meinte, er sei nur das Werkzeug gewesen, das die Gleichungen niedergeschrieben habe. Maxwell fand seinen Erfolg geheimnisvoll. Er staunte darüber wie einige Jahrzehnte später Albert Einstein, der eine merkwürdige Besonderheit bei Maxwells Gleichungen bemerkte. In ihnen taucht nämlich eine Geschwindigkeit auf – die der elektromagnetischen Ausbreitung des Lichtes – die unabhängig vom Zustand des Beobachters konstant bleibt. In der Newtonschen Mechanik gab es diese Konstanz nicht, und das störte Einstein und sein Bedürfnis nach Symmetrie. Eine Theorie musste daher geändert werden, die von Newton oder die von Maxwell, und bei dieser Alternative fiel es Einstein leicht, sich zu entscheiden. Maxwells Gleichungen waren zu gut, um geändert zu werden. Newtons Mechanik musste variiert werden, und das klappte durch eine genauere Bestimmung der Grundgrößen Raum und Zeit und ihres Zusammenhangs. Mit anderen Worten, es waren die Maxwell-Gleichungen und ihre Qualität, die Einsteins Denken zur Theorie der Relativität und damit zum Verständnis des Kosmos führten, in dem wir leben. Am Anfang war das Licht, das Maxwell verstand und für uns entzündete. Für uns? Warum wollen so wenige Menschen von diesem Licht wissen, das die Welt verzaubert? Wir leben doch von ihm!

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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