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Die Pupillenform spiegelt die Lebensweise

Erde|Umwelt

Die Pupillenform spiegelt die Lebensweise
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Schafe besitzen horizontal verbreiterte Pupillen, um das Sichtfeld zu erweitern.Photo by Gordon Love, Durham University
Ob die senkrechten Schlitze der Katze oder die gleichmäßigen Kreise des Menschen: Die Evolution hat im Tierreich ganz unterschiedlich geformte Pupillen hervorgebracht. Gestalt und Ausrichtung der schwarzen Sehöffnungen sind dabei perfekt auf die Bedürfnisse der jeweiligen Art ausgerichtet. Deshalb gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Pupillenform und der Lebensweise eines Tieres, wie Wissenschaftler nun gezeigt haben.

Die Augen sind damit nicht nur der sprichwörtliche Schlüssel zur Seele, sondern sie verraten auch einiges über die Rolle einer Art im Ökosystem: Räuber oder Beute zu sein, ist demnach der entscheidende Faktor, der die Entwicklung hin zu einer bestimmten Pupillenform beeinflusst. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Martin Banks von der University of California in Berkeley, nachdem es sich die Augen von 214 landlebenden Tierarten ganz genau angeschaut hat.

Räuber, die bevorzugt aus dem Hinterhalt jagen, haben demzufolge in der Regel senkrechte Pupillenschlitze. Bei pflanzenfressenden Beutetieren sind die Schlitze dagegen oft waagerecht, die Augen zudem meist an den Seiten des Kopfes angeordnet. Runde Pupillen scheinen hingegen insbesondere bei Raubtieren mit hoher Körpergröße vorzukommen.

Welche Pupillenform nützt wem?

In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science Advances versuchen die Forscher ihre Beobachtungen auch zu erklären: Warum also profitieren die Arten von einer bestimmten Pupillenform? Dieser Frage haben sich Wissenschaftler schon vor Jahrzehnten gewidmet. So formulierte der bekannte Augenspezialist Gordon Walls bereits in den 1940er Jahren die Theorie, dass schlitzförmige Pupillen mit einer Muskulatur einhergehen, mit der sich das Auge dynamisch auf unterschiedliche Lichtverhältnisse einstellen kann.

Diese Fähigkeit ist besonders wichtig für Arten, die sowohl tagsüber als auch nachts aktiv sind – zum Beispiel Hauskatzen: Am Tag, wenn es hell ist, ziehen sich die Pupillen der eleganten Räuber zu einem engen Schlitz zusammen. Wenn es abends aber dunkel wird, weiten sie sich. Dabei werden sie mit zunehmender Dunkelheit größer, um jedes verfügbare Restlicht einzufangen. Mit runden Pupillen ist eine solche extreme Größenveränderung kaum möglich. „Damit ist jedoch nicht geklärt, warum manche Tiere senkrechte Schlitze haben, wie die Katze, andere aber waagerechte“, sagt Banks.

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Beute: Gefahren immer im Blick

Um zu klären, warum auch die Ausrichtung der Pupillenschlitze eine Rolle spielen könnte, haben die Forscher Computermodelle zur Hilfe genommen, die den Effekt von unterschiedlichen Pupillenformen simulieren.

Sie fanden heraus: Die waagerecht langgezogenen Pupillen und seitlich angeordneten Augen von Weidetieren wie Schafen, Rehen und Pferden erzeugen ein weiteres Sehfeld – ein entscheidender Vorteil, um lauernde Raubtiere frühzeitig zu bemerken. Insgesamt gelangt bei dieser Pupillenform mehr Licht von vorne, sowie von den Seiten in die Augen. Es fällt aber weniger blendendes Licht von oben ein. „Weil der Pupillenschlitz stets parallel zum Boden ausgerichtet ist, haben die Tiere einen Panoramablick auf ihre Umgebung und können insbesondere den Boden gut erkennen. Dadurch sind sie in der Lage, Räuber zu sehen, die sich ja meistens vom Boden nähern und nicht aus der Luft“, sagt Banks. Das bleibt sogar so, wenn die Tiere den Kopf senken, um zu grasen. Denn Schafe & Co können ihre Augen um bis zu 50 Grad bewegen – und die Ausrichtung der Pupillen so an die Neigung ihres Kopfes anpassen.

Räuber: Distanzen abschätzen

Für Räuber sind dagegen andere Sehfähigkeiten wichtig. Sie müssen vor allem in der Lage sein, Entfernungen exakt abzuschätzen, um sich treffsicher auf ihre Beute stürzen zu können. Das gelingt ihnen durch zwei verschiedene Faktoren: Zum einen ermöglicht das binokulare Sehen, also das Sehen mit zwei Augen, eine räumliche Wahrnehmung. Durch den kleinen horizontalen Abstand der Augen zeigt sich das Bild jeweils aus einer leicht unterschiedlichen Perspektive. Vom Gehirn können diese Unterschiede als räumliche Tiefeninformation interpretiert werden. Zum anderen können Distanzen auch mithilfe von Unschärfe erkannt werden. Dabei erscheinen weiter entfernte Objekte verschwommen. Bei den Computersimulationen zeigte sich, dass beide Eigenschaften mit nach vorne gerichteten Augen und senkrechten Pupillen am besten funktionieren.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen von der Regel: „Überraschenderweise haben nur jene Räuber diese senkrechten Schlitze, die sich relativ dicht am Boden bewegen“, schreiben die Forscher. Große Verwandte der Hauskatze, zum Beispiel Tiger und Löwen, haben runde Pupillen – wie Menschen oder Hunde. Den Forschern zufolge spielt dabei die Größe der Tiere eine Rolle, bzw. der Abstand ihrer Augen vom Boden: „Waagerechte Pupillenschlitze verbessern hauptsächlich bei kleinen Tieren die Fähigkeit, Entfernungen zu kalkulieren.“ Das Team will das Phänomen künftig weiter untersuchen und dann auch die Pupillenformen von Tierarten untersuchen, die im Wasser und in der Luft leben.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Daniela Albat
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