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Neues zum „Schneeball Erde“

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Neues zum „Schneeball Erde“
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Schneeball Erde - gab es diese komplette Vereisung? (Anton Balazah/thinkstock)
Ob die Erde einst komplett vereiste oder nicht, darüber streiten Forscher schon lange. Während Modelle einen solchen „Schneeball Erde“ nahelegen, ließen sich geologische Funde bisher damit nicht in Einklang bringen. Doch jetzt lieferte eine Gesteinsformation auf Spitzbergen wertvolle neue Erkenntnisse. Die rund 650 bis 635 Millionen Jahre alten Ablagerungen entstanden am Ende der zweiten großen Schneeballphase und zeigen, wie diese Eiszeit zu Ende ging. Gleichzeitig erklären sie, warum es so schwer ist, eindeutige geologische Belege für eine komplette Vergletscherung der Erde zu finden.

Zumindest dies scheint unstrittig: Vor 717 bis 660 Millionen Jahren und dann noch einmal von 650 bis 635 Millionen Jahren kühlte sich die Erde so weit ab, dass sogar in tropischen Regionen Schnee fiel und es dort Gletscher gab. Davon zeugen unter anderem in Kanada gefundene Gesteinsschichten aus dem Erdaltertum, die typische Furchungen, eisverbrachte Trümmer und andere Spuren der Gleschertätigkeit zeigen – obwohl sie damals in den Tropen lagen. Offen ist jedoch bis heute die Frage, wie weit diese Vergletscherung damals ging: War die komplette Erde so kalt, dass sogar der Wasserkreislauf stoppte und die Ozeane zufroren? Oder gab es trotz der Kälte immer noch offene Meeresgebiete auf unserem Planeten? Dafür spricht eine Gesteinsformation in der australischen Flinders Range, die zu jener Zeit am Meeresboden lag. In ihr entdeckten Forscher typische Spuren eines schweren Sturms, was ihrer Ansicht nach belegt, dass die Meeresoberfläche zumindest an dieser Stelle eisfrei gewesen sein muss. Behalten sie Recht, dann war der Schneeball Erde nicht komplett vereist und der Wasserkreislauf funktioniert selbst dann noch.

100.000 Jahre und drei Zyklen

Neue Erkenntnisse – und vielleicht eine Erklärung für die Diskrepanzen – liefert nun die sogenannte Wilsonbreen-Formation im Nordosten Spitzbergens. „Diese Gesteinsschichten enthalten detaillierte Informationen über die Umweltveränderungen am Ende der zweiten großen Vereisung vor 650 bis 635 Millionen Jahren“, berichten Douglas Benn vom University Centre in Longyearbyen und seine Kollegen. Zu jener Zeit lag auch Spitzbergen in den Tropen. Wie die Forscher feststellten, sind in der 180 Meter dicken Wilsonbreen-Formation sieben verschiedenen Schichten zu erkennen, die unter jeweils verschiedenen Bedingungen entstanden. Sechs davon spiegeln insgesamt drei Zyklen von Gletschervorstößen und Rückzügen wider, die innerhalb von nur 100.000 Jahren abliefen. „Das Ende der Vereisung war demnach kein einfaches Umschalten vom Eishaus zum Treibhaus“, sagen die Forscher. Stattdessen änderte sich das Klima in dieser Übergangszeit zyklisch. Triebkraft dafür waren nicht primär erhöhte Kohlendioxidwerte der Atmosphäre, sondern vielmehr Schwankungen der Erdachse, die sogenannten Milankovi-Zyklen.

Vom mehrere Millionen Jahre dauernden Höhepunkt der „Schneeball-Phase“ ist dagegen nur eine dünne Schicht von windverwehtem Sand und periglazial verwittertem Gestein erhalten. Weil in dieser Phase kaum Ablagerung stattfand, ist sie in dieser Formation – und wahrscheinlich auch vielen anderen – stark unterrepräsentiert. Das was dort zu sehen ist, spricht aber nach Angaben der Forscher dafür, dass der Wasserkreislauf dabei zumindest stark eingeschränkt gewesen sein könnte. Wahrscheinlich ähnelte ein Großteil der Erde den Trockentälern der heutigen Antarktis: kalte, sehr trockene Landschaften wechselten sich mit eisbedeckten Gletschergebieten ab. „Nahezu alle bisher gefundenen Ablagerungen stammen daher aus der Zeit, als die Erde bereits begann, wieder aufzutauen“, schreibt Philip Allen vom Imperial College London in einem begleitenden Kommentar. „Das könnte die Diskrepanz zwischen den bisherigen sedimentologischen Funden und einigen Klimamodellen erklären.“

Ein Indiz dafür, dass ein Großteil der Schichten in der Wilsonbreen-Formation aus der Endphase der Vereisung stammt, liefern auch die Isotopen-Signaturen im Gestein. Sie deuten darauf hin, dass die atmosphärischen Kohlendioxid-Werte damals bereits sehr hoch waren, wie die Forscher berichten. Weil aber das Eis verzögert auf diesen Treibhauseffekt reagiert, sind die Gletscher besonders anfällig für kleinste Veränderungen. Und diese brachten die Schwankungen der Erdsachse und damit der Sonneinstrahlung mit sich. „Die Sedimentanalyse hat uns einen einzigartigen Einblick in das Geschehen vor so vielen Millionen Jahren eröffnet“, sagt Seniorautor Ian Fairchild von der University of Birmingham. „Wir haben nun eine reichhaltigere Geschichte darüber, was am Ende der „Schneeball Erde“-Phase geschah.“

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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