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Filme aus der Lampe

Astronomie|Physik Technik|Digitales

Filme aus der Lampe
Mit Licht lassen sich große Datenströme kabellos zum Empfänger leiten. Die neue Technik wird dem Mobilfunk Konkurrenz machen.

Die Schreibtischlampe sendet Videofilme an das Smartphone, Fluggäste laden sich E-Mails über die Kabinenbeleuchtung auf den Rechner, Fahrzeuge tauschen Informationen über Staus oder Unfälle untereinander aus – und nutzen dazu Frontscheinwerfer und Rückleuchten. Das sind die Zukunftsvisionen von Harald Haas. Der deutsche Elektroingenieur, der an der schottischen University of Edinburgh forscht, ist überzeugt, dass Licht die drahtlose Kommunikation revolutionieren wird. Denn Funkwellen, die bislang zur Übertragung digitaler Daten genutzt werden, können nur beschränkte Datenmengen bewältigen. Licht umfasst ein 10 000 Mal breiteres Frequenzspektrum als der Funk, betont Haas, und könne daher viel mehr Bits pro Zeiteinheit übertragen – und weitaus mehr Informationen.

Der Ingenieur aus Edinburgh spricht damit ein ernstes Problem an: Viele Experten sind überzeugt, dass schon in wenigen Jahren Kapazitätsengpässe in den Mobilfunknetzen drohen. So hat sich 2011 die Zahl der beim Mobilfunkanbieter O2 registrierten Smartphones – internetfähiger Mobiltelefone – gegenüber dem Vorjahr verdoppelt, berichtet Pressesprecher Markus Oliver Göbel. Die Kunden des Unternehmens telefonieren nicht nur mit ihren Geräten, sondern laden sich immer mehr datenschwere Videos und Apps aus dem Web herunter. Der Smartphone-Boom überschwemmt die Mobilfunknetze geradezu mit digitalen Daten.

Glühbirnen sind ungeeignet

Weil künstliches Licht quasi überall verfügbar ist, sieht Haas es als naheliegende Alternative zum Funknetz. Mit der Idee, Lichtwellen zur kabellosen Kommunikation zu verwenden, steht er nicht allein. Dieses Konzept wird derzeit in diversen Forschungslabors unter dem Namen „Visible Light Communication“, kurz VLC, entwickelt.

Freilich eignen sich gewöhnliche Glühbirnen – von denen weltweit immer noch über 14 Milliarden Stück zum Beleuchten benutzt werden – nicht zum Senden hochaufgelöster Videofilme. Denn für deren Übertragung muss die Lichtintensität mehrere Milliarden Mal pro Sekunde stärker und wieder schwächer werden – Fachleute sprechen von Modulation. Das Prinzip dabei: Der Empfänger versteht etwas helleres Licht als eine digitale Eins und etwas dunkleres Licht als eine digitale Null. Bislang gibt es nur eine Art von Lichtquelle, die sich schnell genug modulieren lässt: die Leuchtdiode oder kurz LED.

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Harald Haas hat bereits 2006 eine Technik entwickelt, mit der sich LEDs für die Datenübertragung im Labor nutzen lassen. Dass die Technik alltagstauglich ist, konnten Forscher des Berliner Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik (Heinrich-Hertz-Institut, HHI) inzwischen bei einem Experiment im französischen Rennes belegen. Sie leuchteten mit LEDs an der Decke eines Raums eine zehn Quadratmeter große Fläche aus, auf der vier Laptops platziert waren. Die Leuchtdioden sendeten gleichzeitig vier Spielfilme in HD-Qualität auf lichtempfindliche Sensoren in den Rechnern. Die Datenrate betrug 100 Megabit pro Sekunde (Mb/s). Unter Laborbedingungen klappte sogar eine Datenübertragung mit einer Rate von 800 Mb/s.

„Wir setzen darauf, dass eine LED, anders als eine Glühbirne oder Energiesparlampe, ein komplexes elektronisches Bauteil ist“, sagt der HHI-Forscher Anagnostis Paraskevopoulos. Die Leuchtdiode enthält eine Steuerelektronik, die der Berliner Nachrichtentechniker und sein Team so modifiziert haben, dass sich damit eine Modulation realisieren lässt. Außerdem haben die Forscher um Paraskevopoulos einen Empfänger entwickelt, der mit einer Photodiode aus Silizium die Lichtsignale aufnimmt und in elektrische Signale verwandelt. Diese Signale kann ein tragbarer Computer weiterverarbeiten.

„Wir reiten auf der LED-Welle“, sagt Paraskevopoulos. Marktexperten sehen Leuchtdioden auf dem Siegeszug: Mit der Technologie der Fraunhofer-Forscher lassen sie sich zugleich als Zimmerlampe und als Informationsüberträger nutzen. Von der Modulation bemerkt das menschliche Auge wegen des enorm schnellen Wechsels von helleren und dunkleren Phasen nichts.

Gedimmtes Licht genügt

Dennoch gibt es Zweifel, ob sich die Zukunftsvision von allgegenwärtigen Daten-LEDs erfüllen lässt. „Die Datenübertragung per LED wird ein Nischenprodukt bleiben“, meint Eckhard Grass, Forscher am Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt an der Oder. Denn anders als Funkwellen, die Gegenstände gewissermaßen umfließen können, werden Lichtwellen von Hindernissen abgeschattet. „Schon ein Finger zwischen Sender und Empfänger hält das Signal auf“, sagt Grass. Außerdem beträgt die Reichweite des Lichtfunks nur wenige Meter. Denn das Licht verteilt sich im gesamten Raum, seine Intensität wird daher mit wachsendem Abstand vom Sender rasch schwächer, und die kleinen Empfänger können immer weniger davon auffangen. Darüber hinaus muss das Licht natürlich eingeschaltet sein, um als Datenkanal dienen zu können. Allerdings: „Daten lassen sich selbst dann übermitteln, wenn das Licht stark gedimmt ist“, entgegnet Haas – auch wenn dann die Datenrate bei der Übertragung deutlich geringer ist.

Paraskevopoulos und seine Kollegen kennen die Nachteile der Kommunikation mit sichtbarem Licht. Auch die Berliner Forscher rechnen eher mit Nischenanwendungen für ihre Technologie: „VLC sehen wir dort, wo Funkwellen nicht tolerierbar oder nicht erwünscht sind“, sagt Paraskevopoulos. Als Beispiele nennt er Flugzeuge und Krankenhäuser, wo die Nutzung von Funkwellen wegen einer möglichen Störung der empfindlichen elektronischen Geräte in vielen Bereichen verboten ist. Denkbar wäre, dass Lichtsignale in Kliniken Operationsroboter steuern oder Röntgenbilder übermitteln.

In manchen Fabrikhallen, etwa in der Halbleiterindustrie, stören Funkwellen die Produktionsabläufe. Auch dort könnten datensendende LEDs für Abhilfe sorgen. Die Lichtkommunikation hat einen weiteren Vorteil: Sie ist abhörsicher. „Ein Reispapier als Abschirmung reicht aus, um sich vor einem Lauscher zu schützen“, sagt Paraskevopoulos. Der Nachbar habe auch bei offenem Rollo kaum eine Chance, Daten abzufangen, da er außerhalb des Lichtkegels nur reflektiertes Licht abbekommt, das weit weniger Information transportieren kann als direktes.

Lichtfunk-Pionier Harald Haas erwartet, anders als seine Forscherkollegen in Berlin und Frankfurt an der Oder, für VLC eine breite Anwendung – und zwar ausgerechnet im Mobilfunk. „Dort geht der Trend zu immer kleineren Funkzellen“, sagt der Elektroingenieur aus Edinburgh. Das geht bis zu sogenannten Femtozellen, die kaum mehr als einen einzelnen Wohnraum umfassen.

Weg mit dem Flaschenhals

Dieser Trend kommt der Lichtkommunikation entgegen, meint Haas, da deren Reichweite für eine Femtozelle genügt. Durch die kleinen Funkzellen wird der „Flaschenhals“ des Mobilfunks, die Basisstation, beseitigt, da die Zelle weniger Teilnehmer versorgen muss. Und VLC hat bei dieser Anwendung eine weitere Stärke, erklärt Haas: Während sich Funksignale benachbarter Zellen gegenseitig stören, da Funkwellen Wände durchdringen, ist das bei der Kommunikation mit Licht nicht so. Daher sei eine 500 bis 2000 Mal so große Datendichte möglich.

„In Zukunft werden beide parallel existieren: Funk- und Lichtnetze – und zwar jeweils dort, wo es am sinnvollsten ist“, prophezeit der findige Forscher. Leuchtdioden würden vor allem Daten in Gebäuden verteilen. Auch im öffentlichen Raum kann sich Haas Lichtkommunikation sehr gut vorstellen – etwa in einer Fußgängerzone, wo Menschen unter Straßenlaternen mit LED-Leuchten im Internet surfen könnten. ■

Christian Meier ist Biophysiker und Wissenschaftsjournalist in Darmstadt. Für bdw berichtet er regelmäßig über neue Techniktrends.

von Christian Meier

Kompakt

· Leuchtdioden sind ideal, um große Datenmengen zu übertragen.

· Ein rascher Wechsel zwischen hell und dunkel dient zum Codieren der digitalen Daten.

· Per Licht könnte man im Flugzeug telefonieren oder medizinische Geräte im Operationssaal steuern.

Harald Haas

Ein Ingenieur muss auch ein Künstler sein, meint Harald Haas. Denn ohne kreatives Denken über Schranken hinaus gebe es keine Innovation. Bei dem 44-jährigen Nachrichtentechniker, der im fränkischen Neustadt an der Aisch geboren wurde, paart sich Kreativität mit einem Gefühl für künftige technische Entwicklungen. Er sah früh voraus, dass es ohne neue Technologien für drahtlose Breitband-Kommunikation im Funknetz bald eng werden würde – so kam es auch. Seine „spinnerte Idee“: statt Radiowellen weißes Licht aus LEDs für die mobile Kommunikation zu verwenden. Diese Idee verfolgte er konsequent – zunächst an der Bremer Jacobs University und seit 2007 an der University of Edinburgh. Stereotype Unterscheidungen wie die in Grundlagen- und angewandte Forschung mag Haas nicht: Für ihn gehören Forschung und Kommerzialisierung der Ergebnisse zusammen. Als seine Ideen reif für die Vermarktung wurden, gründete er daher eine Firma. Auf seine unternehmerische Tätigkeit ist Haas genauso stolz wie auf seine Erfolge als Forscher.

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