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Eine Falle für wandernde Krebszellen

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Eine Falle für wandernde Krebszellen
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Sehen aus wie Pillen, sind aber implantierbare Metastasen-Fallen (Joseph Xu)
Für Krebspatienten ist meist die größte Angst, dass der Tumor bereits gestreut hat und Metastasen nun auch andere Organe befallen. Denn tückischerweise lassen sich im Körper umherwandernde Krebszellen bisher kaum rechtzeitig ausmachen. Doch jetzt könnten US-Forscher dafür eine verblüffend einfache Lösung gefunden haben: eine Metastasen-Falle. Sie haben ein kleines Bioimplantat entwickelt, das unter die Haut oder beispielsweise ins Brustfett implantiert wandernde Krebszellen unwiderstehlich anzieht. Bei an Brustkrebs erkrankten Mäusen war dies sogar so effektiv, dass die Tiere 80 Prozent weniger Sekundärtumore an der Lunge entwickelten als ohne das Implantat.

Das Tückische an Metastasen ist ihre späte Entdeckung: „Typischerweise bleiben sie unbemerkt, bis sie schon die Funktion eines oder mehrerer Organe beeinträchtigt haben“, erklären Lonnie Shea  von der Northwestern University in Chicago und seine Kollegen. Wenn daher Metastasen eines streuenden Primärtumors entdeckt werden, sei die Überlebenschance der Betroffenen meist schon ziemlich gering. Deshalb suchen Forscher schon seit Jahren nach Methoden, mit denen im Blut zirkulierende Krebszellen frühzeitiger entdeckt werden können. Doch das ist extrem schwierig, weil diese Zellen dort nur in verschwindend geringen Mengen auftreten.  Shea und seine Kollegen haben daher einen anderen Ansatz gewählt: Statt diesen Zellen hinterherzujagen, locken sie sie gezielt an. Denn es ist bereits bekannt, dass sich wandernde Krebszellen nicht einfach irgendwo im Körper neu ansiedeln. Stattdessen wachsen sie dort fest, wo bestimmte Zellen des Immunsystems und biochemische Faktoren ihnen ein günstiges Mikroklima schaffen – und ihnen damit schon das Nest bereiten.

Genau dies nutzen die Forscher nun für ihre neuartige Metastasen-Falle aus. Sie entwickelten ein schwammartiges Gerüst aus einem bioverträglichen Material, das Immunzellen anzieht und diese dazu bringt, eine attraktive Nische für die Krebszellen zu schaffen. Wie gut diese Falle funktioniert, testeten die Wissenschaftler mit Mäusen, die an einer besonders schnell und stark streuenden Brustkrebs-Variante erkrankt waren. Die Hälfte der Tiere erhielt eines dieser etwa tablettengroßen Bioimplantate in das Fettgewebe der Brust oder unter die Haut eingepflanzt. Bei der anderen Hälfte wurde zwar ein Eingriff durchgeführt, aber keine Implantat-Tablette eingesetzt. Eine und drei Wochen nach diesem Eingriff durchleuchteten die Forscher mit Hilfe der sogenannten optischen Kohärenz-Tomografie (OCT) die Bioimplantate unter der Haut und im Fettgewebe der Tiere, um zu kontrollieren, ob sich darin Krebszellen angesiedelt hatten. Zudem prüften sie, wie viele Metastasen die Mäuse in Lunge und Leber ausgebildet hatten.

Früherkennung und Schutz zugleich

Das beeindruckende Ergebnis: Bei den Mäusen mit dem Bioimplantat ließen sich bereits sieben Tage nach dem Einsetzen Krebszellen in den „Fallen“ nachweisen – und das, ohne dass Lunge oder Leber bereits befallen waren. Die Implantate wurden besiedelt, obwohl sie nicht an diesen bevorzugten Organen lagen. Der große Vorteil: Weil die Implantate nah unter der Haut sitzen, sind sie für die optische Durchleuchtung gut zugänglich. „Diese Gerüste fungieren damit in Kombination mit der OCT-Bildgebung wie ein Sensor, über den wir Tumorzellen schon früh im Metastaseprozess nachweisen können“, sagen Shea und seine Kollegen. Denn durch die Implantate weiß man, wo man nach den Krebszellen suchen muss, statt in der Tiefe des Körpers ganze Organe absuchen zu müssen. Diese Früherkennung könnte nach Ansicht der Forscher künftig eine therapeutische Behandlung ermöglichen, bevor die Metastasierung zu weit fortgeschritten ist. Zudem lassen sich aus dem Implantat gezielt Krebszellen entnehmen, so dass auch die Analyse ihres Typs erleichtert wird.

Aber das ist noch nicht alles: Wie sich zeigte, wirken die Implantate sogar dem Befall der Organe aktiv entgegen. Bei den Mäusen mit den Metastasen-Fallen fanden die Forscher nach drei Wochen bei Gewebsanalysen erheblich weniger Krebszellen in den Lungen als bei den Kontrolltieren. „Die Tumorlast war um 88 Prozent reduziert“, berichten sie. Ähnlich sah es auch in der Leber der Tiere aus: Nur zwei der acht implantierten Mäuse hatten Krebszellen in der Leber, bei den Kontrolltieren waren es dagegen alle. „Die Fähigkeit der Gerüste, Metastasenzellen einzufangen und ihre Ausbreitung auf andere Organe zu begrenzen, unterscheidet diesen Ansatz von rein diagnostischen Verfahren“, sagen die Wissenschaftler. Ihrer Ansicht nach besitzen die Metastasen-Fallen daher auch das Potenzial, als therapeutisches Werkzeug eingesetzt zu werden.

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Gerade bei Patienten mit einem hohen Risiko für ein Wiederauftreten des Krebses könnte ein solches Bioimplantat nach Ansicht der Forscher die Chancen auf eine effektive und rechtzeitige Behandlung deutlich erhöhen. Noch war dies ein erster Pilotversuch mit der Metastasen-Falle. Sie muss sich daher noch in weiteren Tierversuchen bewähren, bevor erste klinische Studien am Menschen durchgeführt werden können. Dennoch wecken die Ergebnisse Hoffnung auf eine neue Waffe im Kampf gegen die tückischen Metastasen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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