Leben benötigt Energie – wer sie verschwendet, verschwindet: Dieses Prinzip prägte die Evolution der Lebewesen seit jeher. Auch in der Entwicklungsgeschichte des Menschen spielte Energieeffizienz eine wichtige Rolle, denn in der Regel war Nahrung Mangelware. So entwickelten sich unsere Vorfahren zu Energiespar-Experten. Wenn es ausnahmsweise Energie im Überfluss gab, wurde sie in Form von Fettpolstern für Notzeiten zurückgelegt. Erst in der Überflussgesellschaft verursacht dieses Konzept nun gewichtige Probleme. Um ihnen entgegenzutreten, ist erhöhter Energieverbrauch durch Bewegung die Methode der Wahl. Doch auch dabei wirkt sich unser Energiespar-Erbe problematisch aus, wie die Ergebnisse des Teams von der kanadischen Simon Fraser University in Burnaby nun verdeutlicht.
Eine „Hemm-Apparatur“ offenbart das Optimierungstalent
Die Forscher wollten verstehen, warum Menschen sich in bestimmter Weise bewegen, obwohl es ja viele unterschiedliche Möglichkeiten für Bewegungsabläufen gibt. Um dieser Frage nachzugehen, untersuchten sie, wie unser Körper Bewegungen anpasst, wenn er an der normalen Ausführung gehindert wird. Dazu analysierten sie das Laufverhalten von Probanden, die eine spezielle Apparatur trugen. Über dieses sogenannte Exoskelett konnten die Forscher die Bewegungsabläufe der Probanden beeinflussen – sie in bestimmter Weise hemmen beziehungsweise den Widerstand in bestimmten Bereichen erhöhen. Die Studienteilnehmer mussten sich also beim Laufen auf diese Behinderungen einstellen.
Auf diese Weise konnten die Forscher erfassen, ob die Probanden in der Lage waren, sich in energiesparender Weise an die neuen Regeln anzupassen. Es zeigte sich: Sie konnten ihr Laufverhalten tatsächlich binnen Minuten zu einem neuen energetischen Optimum verfeinern. Die Probanden reagierten selbst dann intuitiv mit diesem Anpassungsverhalten, wenn die Energieersparnis weniger als fünf Prozent ausmachte. Den Forschern zufolge ist davon auszugehen, dass dieses Optimierungsverhalten nicht nur für das Laufen typisch ist, sondern auch für andere Bewegungsabläufe.
Programmierte Faulheit
Nach Angaben der Forscher sind diese Beobachtungen im Einklang mit anderen energiesparenden Verhaltensweisen des Menschen, die jeder kennt: „Wir wählen den kürzesten Fußweg oder bevorzugen zu sitzen statt zu stehen“, nennt Co-Autor Max Donelan als Beispiele. „Wir haben nun physiologische Grundlagen für Faulheit aufgezeigt: Sogar beim Laufen überwacht und optimiert unser Nervensystem unsere Bewegungsmuster ständig, damit wir uns so billig wie möglich bewegen“, sagt Donelan.
Die Forscher wollen den Hintergründen dieser erstaunlich raffinierten Fähigkeit nun weiter nachgehen. Wie erfassen wir die energetischen Kosten bei bestimmten Bewegungen? Außerdem wollen sie herausfinden, wie der Körper die komplexe Optimierung bewerkstelligt. „Laufen erfordert die Koordination von buchstäblich Zehntausenden von Muskeleinheiten. Wie können wir so schnell die optimalen Kombinationen herausfinden?“ ,so Donelan. Eins scheint den Forschern zufolge aber bereits klar: Man muss ausgesprochen clever sein, um so faul laufen zu können.