Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Die Wüstenbauern von Petra

Erde|Umwelt Geschichte|Archäologie

Die Wüstenbauern von Petra
Rund um die antike Felsenstadt haben einst Landwirte die öde Landschaft in ein Gartenparadies verwandelt.

Grüne Oasen spriessen auf den Sandinseln vor der Küste Dubais. Dass auf dem kargen Boden der arabischen Wüstenmetropole überhaupt etwas wächst, verdanken die Gärtner supersaugfähigen Kunststoffkörnchen, die Wasser speichern wie ein Schwamm und es bei Bedarf allmählich in den Boden abgeben. Durch den Segen moderner Technologie erblüht der staubige Sand. Doch schon lange vor Hightech und der Erfindung von Polymeren erlebten Wüstenbewohner ihr grünes Wunder – 2000 Kilometer entfernt im Süden Jordaniens.

Inmitten einer rauen Gebirgslandschaft, zerklüftet durch Hunderte Meter hohe Steilhänge, liegen die Reste der antiken Felsenstadt Petra (griechisch „Fels“). Unwirtlich ist es dort. Dass man der Einöde einst ein Leben in Luxus abtrotzte, verraten die Überreste prunkvoller Bauten und kunstvoll aus dem Fels gehauener Fassaden, die ringsum die Senke von Petra säumen. Sie bezeugen den damaligen Reichtum, den die Stadtherren der Lage ihrer Metropole zu verdanken hatten: Die wichtigsten Karawanenrouten aus Syrien, Ägypten und Arabien liefen hier zusammen.

Petra war ein Drehkreuz des antiken Orienthandels und die Hauptstadt des Königreichs der Nabatäer. Die waren ursprünglich Nomaden gewesen, doch im 1. Jahrhundert v.Chr. ließ sich das Händlervolk in Petra nieder. Dass sich die Stadt danach rasch zu einer prachtvollen Handelsmetropole mauserte – Experten schätzen die Einwohnerzahl auf 30 000 –, lag nicht zuletzt am erstklassigen Wassermanagement.

Noch heute schlängeln sich Ton- rohre und Wasserwege kilometerweit ins Hinterland. Seinerzeit leiteten sie Quellwasser ins Stadtzentrum, mündeten dort in Becken, Brunnen und Zisternen. Wasser gab es in Hülle und Fülle. Das bestätigte 2011 die Entdeckung einer Badeanlage mit Fußbodenheizung auf dem 300 Meter hohen Hausberg Petras. Der Archäologe Stephan G. Schmid von der Berliner Humboldt- Universität deutet die Reste aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. als Teil der nabatäischen Königsresidenz.

Anzeige

Aus wenig viel machen

Gegenwärtig messen Meteorologen in Petra etwa 200 Millimeter Niederschlag im Jahr – zum Vergleich: In München sind es knapp 1000 Millimeter. Klimamodellierungen zufolge waren die Bedingungen vor 2000 Jahren mehr oder weniger die gleichen wie heute. Die Felsenstadt hat ihre antiken Besucher sicherlich in Staunen versetzt. „Sie hat unerschöpfliche Quellen für die Wasserversorgung und Gärtnerei“, weiß der griechische Geograf Strabon kurz vor der Zeitenwende zu berichten, doch „außerhalb ist das Land größtenteils öde“.

Das allerdings dürfte nur die halbe Wahrheit gewesen sein. Wie feine Blattadern durchziehen Wadis das von gewaltigen Felsstufen zerfurchte Land. Nach sintflutartigen Regenfällen, die sich nur in den Wintermonaten ergießen, werden schnell reißende Sturzbäche daraus. Die Bauern des Altertums machten sich dieses extreme Wetter zunutze. Mit einem ausgeklügelten Terrassensystem verwandelten sie die Gegend in eine fruchtbare Kulturlandschaft. So viel geben Mauerreste den Archäologen preis – nur, wann die Wüstenbauern das Hinterland begrünten, das stellte die Forscher bislang vor Rätsel. Denn die ältesten Anlagen dieser Art in Jordanien reichen bis ins 7. Jahrtausend v.Chr. zurück, etwa 5000 Jahre vor den Nabatäern. Sie alle erfüllten denselben Zweck: Wassermanagement.

Die Wirtschaftsweise war ebenso simpel wie genial: In den kleinen Zuflüssen größerer Wadis schichteten die Bauern in Abständen von 20 bis 40 Metern Steinmauern quer zur Fließrichtung auf. „Diese Mauern übernahmen eine doppelte Funktion: Sie dienten als Flutschutz und bildeten die Grundlage für die sogenannte Sturzwasserlandwirtschaft“, erklärt der Geograf Brian Beckers von der FU Berlin. Die Dämme bremsten einerseits die Fließgeschwindigkeit der Wassermassen, die sich bei Regen kaskadenartig über die Mauern ergossen. Andererseits spülten die Wasserströme auch Sedimente fort, die sich hinter den Sperrmauern absenkten. So sammelte sich dort gut durchfeuchtetes Erdreich für den Ackerbau. „Die Dämme leiteten das Wasser auch zu den Seiten um und zwar hinter weitere Terrassenmauern, die längs zum Wadi verliefen und ebenfalls Sturzwasser und Sedimente auffingen“, ergänzt Christian Cloke von der University of Cincinnati, der die Wasserbauten im nördlichen Umland von Petra erforscht. Die Böden hinter den Terrassen wuchsen allmählich in die Höhe. Daher erhöhten die Bauern kontinuierlich die Mauern.

Auf den Feldern gediehen Gerste, Weizen, Oliven-, Dattel- und Feigenbäume, Traubenreben und verschiedene Hülsenfrüchte. Das ergaben Pollenanalysen der Archäobotanikerin Jennifer Ramsay von der New Yorker State University. Wie erfolgreich die Sturzwasserlandwirtschaft gewesen sein muss, führte in den 1950er- und 1960er-Jahren ein Experiment des israelischen Botanikers Michael Evenari vor Augen. In der Wüste Negev war er auf ähnliche Steinwälle gestoßen und deutete sie als Teil eines uralten Bewässerungssystems. Bei Avdat in der Negev ließ er nach demselben Prinzip Felder anlegen. Bald schon schossen Gerstenhalme, diverse Nuss- und Obstbäume, Erbsenpflanzen und Olivenbäume aus dem Boden. Bis zu 4,8 Tonnen Gerste pro Hektar erntete Evenari in Spitzenjahren. Zum Vergleich: Deutsche Landwirte fuhren 2012 im Durchschnitt 6 Tonnen pro Hektar ein.

leuchtendes alter

Doch wann hatten Bauern das weit verbreitete Terrassensystem rund um Petra angelegt? „Wir haben zwar Oberflächenfunde, aber die verrieten bislang nicht viel über das Alter der Terrassen“, schickt Beckers voraus. „Deshalb haben wir die Sedimente hinter den Mauern mithilfe des Verfahrens der ‚Optisch Stimulierten Lumineszenz‘ datiert.“ Bei dieser Methode machen sich Forscher die natürliche Radioaktivität zunutze, deren Energie vor allem im Boden befindliche Quarz- und Feldspatkörnchen speichern – doch nur, solange die Kristalle nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Dann nämlich entladen sie sich. Dasselbe passiert, wenn man Erdproben unter Laborbedingungen mit Licht bestrahlt: Die Körnchen geben ihre Energie als Leuchten ab. Je stärker diese „ Lumineszenz“ ist, desto länger war das Sediment nicht mehr am Tageslicht.

Beckers ist mit dem Ergebnis seiner Analyse zufrieden. „Die untersten Schich-ten wurden recht sicher um die Zeitenwende angeschwemmt. Die obersten reichen bis mindestens 1000 n.Chr. hinauf.“ Das ist ein weiteres Indiz, um den Aufschwung Petras im späten 1. Jahrhundert v.Chr. zu erklären. Genau zu dieser Zeit, so die Archäologen Stephan G. Schmid von der HU Berlin und Paula Kouki von der Universität Helsinki, bauten die Nabatäer ihre Stadt aus und gründeten im Umland Dörfer und Bauernhöfe. Als der Wirtschaftsboom viele Menschen nach Petra lockte, garantierte die Sturzwasserlandwirtschaft ihr Überleben. ■

von Karin Schlott

Stadt in der Felswüste

Östlich des Jordangrabens, mitten im zerklüfteten Bergland, liegt die antike Karawanenstadt Petra.

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Kamp|to|zo|on  〈n.; –s, –zoa od. –zo|en; Zool.〉 Mitglied eines rund 60 Arten umfassenden Tierstammes von kelchartigen Organismen, deren Mundöffnung neben dem After liegt [<grch. kamptos … mehr

Frucht|bar|keit  〈f. 20; unz.〉 fruchtbare Beschaffenheit, Vermehrungsfähigkeit; Sy Fekundität … mehr

Psa|li|gra|fie  〈f. 19; unz.〉 Kunst des Scherenschnittes; oV Psaligraphie … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige