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Was die Familienplanung von Migranten prägt

Geschichte|Archäologie Gesellschaft|Psychologie

Was die Familienplanung von Migranten prägt
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Credit: Thinkstock
Was beeinflusst die Zahl der Kinder und das Alter zu Beginn der Familienplanung von Menschen? Dieser Frage sind Max-Planck-Forscher in einer demographischen Studie an Frauen mit türkischem Migrationshintergrund nachgegangen. Ihren Ergebnissen zufolge sind die kulturellen Erfahrungen der Kindheit maßgebend: Wurden die Frauen noch in der Türkei geboren und kamen erst im Laufe der Schulzeit nach Deutschland, werden sie häufiger und jünger Mütter als Frauen, die in Deutschland als Kinder türkischer Eltern zur Welt gekommen sind.

„Unser Ziel war es, Integration besser zu verstehen“, sagt Katharina Wolf vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. Dass sich die Geburtenraten von Einwanderinnen und Nicht-Migrantinnen in Deutschland unterscheiden, ist grundsätzlich bereits gut bekannt: Zuwanderinnen, die aus Ländern mit hohen Geburtenraten stammen, bekommen zunächst auch in Deutschland mehr Kinder und werden früher Mütter. Im Zuge ihrer Integration nähern sich die Werte allerdings zunehmend dem Niveau in Deutschland an. Bislang war jedoch offen, welcher Einfluss dabei langfristig überwiegt: die Sozialisation in der Kindheit oder die sogenannte Adaption, also die Anpassung an die Gesellschaft in der neuen Heimat im Erwachsenenalter?

Die „1,5. Generation“ im Fokus

Um dieser Frage nachzugehen, werteten die Forscher Daten von rund 3.000 Frauen mit und etwa 83.000 ohne Migrationshintergrund aus. Sie nutzen dazu Angaben aus Informationen des Mikrozensus – der jährlichen Befragung von einem Prozent der Bevölkerung. In den Jahren 2005 und 2009 wurden die Teilnehmer nicht nur nach ihrer Nationalität und dem Jahr der Immigration befragt, sondern auch nach der Nationalität der Eltern. So konnten die Forscher gezielt Ergebnisse bei der sogenannten 1,5. Generation erfassen, die sich von Migrantinnen der „zweiten Generation“, die von türkischen Eltern bereits in Deutschland geboren wurden, unterscheidet: Vertreterinnen der 1,5. Generation lebten noch bis zu einem Alter von 16 Jahren in der Türkei, bevor sie nach Deutschland kamen.

Die statistischen Auswertungen zeigten: Während 86 Prozent der Frauen der 1,5. Generation mit 35 Jahren bereits  mindestens ein Kind hatten, waren es in der zweiten Migrantinnen-Generation nur 77 Prozent. Bei der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund ist dieser Prozentsatz noch deutlich geringer: Unter ihnen waren lediglich 63 Prozent mit 35 bereits Mütter. Zum Vergleich: In der Türkei haben 90 Prozent der Frauen im Alter von 35 schon mindestens ein Kind.

Die Frauen der 1,5. Generation waren bei der Geburt ihrer Kinder auch durchschnittlich am jüngsten, zeigten die Ergebnisse: Mit 24 Jahren war die Hälfte von ihnen bereits Mutter geworden. Für die hier geborenen Frauen aus türkischstämmigen Familien (zweite Generation) lag dieses Alter bei 27 Jahren, für die westdeutschen Nicht-Migrantinnen bei 31. Klar wurde außerdem: Die Effekte hängen auch stark von der Bildung der Frauen ab. Je höher ihr Schulabschluss, desto geringer waren die Unterschiede bei den Geburten sowohl im Vergleich zur zweiten Migrantinnen-Generation als auch zu den deutschen Frauen.

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Die Sozialisation scheint ausschlaggebend

Die Forscher führen die Effekte auf die prägenden Erfahrungen in der Kindheit zurück:
„Die Sozialisation in der frühen Kindheit wirkt sehr viel stärker auf die Familienplanung, als man vermuten würde“, sagt Wolf. Denn die Frauen beider Migrantinnen-Generationen verhielten sich beim Kinderkriegen unterschiedlich, obwohl sie der Geburt ihrer Kinder in Deutschland die gleichen Rahmenbedingungen kennengelernt haben, die hier für Familien gelten: von Kinder- und Elterngeld über die Einstellungen von Arbeitgebern und Gesellschaft zu Kindern und Elternschaft bis hin zur Kinderbetreuung.

Der Effekt bei den Frauen der 1,5. Generation sei deshalb wohl maßgeblich von den Vorstellungen von Familiengründung und Geschlechterrollen geprägt, die die Frauen in der Kindheit in der Türkei erfahren haben, meint Wolf. Die Kinderlosigkeit sei dort nicht nur niedriger als hier, sondern auch weniger akzeptiert: „Besonders auf dem Land hüten die Frauen in der Türkei meist Haus und Hof und bekommen früh viele Kinder“, so Wolf. Den Forschern zufolge lassen sich die Ergebnisse wohl auch auf andere Migrantengruppen übertragen, in deren Herkunftsländern die Geburtenrate ebenfalls hoch ist und ähnliche Wertvorstellungen über Geburten und Familie vorherrschen wie in der Türkei.

Quelle:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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